MieterEcho 308/Februar 2005: Frauenhäuser unter Sparzwang

MieterEcho

MieterEcho 308/Februar 2005

 BERLIN

Frauenhäuser unter Sparzwang

Gewaltschutzgesetz stellt keine Alternative dar

Thorsten Friedrich

Es gilt ja im rot-roten Senat seit langem die Maxime, dass kein Bereich von den Sparmaßnahmen zur Haushaltskonsolidierung verschont werden dürfe. Auch die Berliner Frauenprojekte standen daher wiederholt im Visier des Finanzsenators und nun sollen sie für die Jahre 2004 und 2005 Mittelkürzungen von 385.000 Euro hinnehmen. In dieser Summe enthalten sind 70.000 Euro, die im Bereich der Frauenhäuser eingespart werden.

Konkret sieht die Finanzplanung für 2005 vor, dass das 2. autonome Frauenhaus in ein kleineres Gebäude umzieht und kurzfristig nur noch über 51 statt der bisherigen 60 Plätze verfügt. Mittelfristig soll das Angebot gar auf 38 Plätze schrumpfen. Mit dem Umzug wird ein Verkauf der bisher genutzten Immobilie ermöglicht, wobei der Senat aber einräumt, dass momentan noch gar kein Interessent für das denkmalgeschützte, sanierungsbedürftige Wohnhaus gefunden ist. Immerhin war ein Ersatz der weggefallenen Plätze im Frauenhaus durch ebensolche in Zufluchtswohnungen geplant, wobei diese u.a. auf Grund unzulänglicher Betreuungsmöglichkeiten für die (oft traumatisierten) Kinder nicht als gleichwertig betrachtet werden können. Doch diese Zusage wurde vom Senat Mitte Dezember ohne weitere Erläuterungen zurückgezogen.

Frauenhäuser sind ausgelastet

Die geplanten Maßnahmen treffen auf den erbitterten Widerstand von Fraueninitiativen und -projekten, welche in den letzten Jahren dafür gesorgt haben, dass das Thema Gewaltschutz an Prominenz gewonnen hat. Sechs Frauenhäuser, je drei im Ost- und Westteil der Stadt, mit 326 Plätzen für Mütter und deren Kinder sowie 40 Zufluchtswohnungen mit insgesamt 228 Plätzen existieren derzeit in Berlin. Sie werden jedes Jahr von ca. 2000 Frauen mit ebenso vielen Kindern aufgesucht. Die Folge ist eine extrem hohe Auslastung der vorhandenen Kapazitäten, welche die Streichung von Plätzen eigentlich nicht erlaubt. So weist das von den Kürzungen betroffene 2. autonome Frauenhaus eine Belegungsquote von 98% auf, und seit Anfang November 2004 gab es bereits vier kurzfristige Aufnahmestopps in den Berliner Frauenhäusern.

Anonymität nur durch Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen sichergestellt

Auch das am 01.01.2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz und mit ihm verbundene neue Möglichkeiten des Opferschutzes haben den bestehenden Zufluchtsstätten keine Entlastung gebracht. Das Gesetz ermöglicht der Polizei, bei Fällen von häuslicher Gewalt den Täter sofort für maximal 14 Tage aus der gemeinsamen Wohnung zu verweisen - selbst wenn die Frau offiziell keine Mieterin ist. Das Gewaltschutzgesetz erlaubt zudem eine dauerhafte Zuweisung der gemeinsamen Wohnung an das Opfer, die bei Paaren mit einem gemeinsamen Nutzungsrecht oder einem alleinigen Nutzungsrecht des Täters allerdings nur befristet erfolgt. In letzterem Fall beträgt der Zeitraum maximal sechs Monate und nur wenn die Frau in dieser Frist keinen anderen Wohnraum anmieten konnte, ist eine Verlängerung um weitere sechs Monate möglich. Voraussetzung für eine Zuweisung der Wohnung ist der schriftlich formulierte Anspruch auf Wohnungsüberlassung, den die verletzte Person innerhalb von drei Monaten nach der Tat erheben muss. Ergänzt werden kann die Wohnungszuweisung noch um eine langfristige so genannte Wegweisung des Täters, d.h. ein Betretungsverbot der Wohnung, sowie um Kontakt- und Näherungsverbote. Die hierfür notwendige Schutzanordnung muss gerichtlich erlassen werden, wobei aber leider selbst ein Eilverfahren nicht immer ermöglicht, dass sie unmittelbar nach dem "Auslaufen" der befristeten polizeilichen Wegweisung Sicherheit bietet. Verstöße gegen die Schutzanordnung werden strafrechtlich verfolgt. Dass von dieser begrüßenswerten Gesetzesreform Gebrauch gemacht wird, verdeutlicht die Polizeistatistik. So wurden 2003 bei 10.371 Fällen von erfasster häuslicher Gewalt 1026 Wegweisungen ausgesprochen; im ersten Halbjahr 2004 standen 5109 Fällen häuslicher Gewalt 528 Wegweisungen gegenüber. Dass die öffentliche Sensibilität gegenüber der auf erschreckend hohem Niveau stagnierenden Gewalt in den "eigenen vier Wänden" zugenommen hat, zeigt sich nach Ansicht der Sicherheitsbehörden insbesondere in der steigenden Anzahl von Anzeigen, die Verstöße gegen eine Schutzanordnung betreffen. Waren dies im gesamten Jahr 2003 noch 622, lagen für das erste Halbjahr 2004 bereits 402 Anzeigen vor. Beruhen wird diese Entwicklung sicherlich auch auf den koordinierten Anstrengungen der "Berliner Interventionszentrale gegen häusliche Gewalt" (BIG) und ihrer Kooperationspartner, das Thema mit Plakataktionen und Veranstaltungen in der Öffentlichkeit präsenter zu machen. Die Zahlen verdeutlichen aber zudem, warum weiterhin sehr viele Frauen Zuflucht in Frauenhäusern suchen: Der Ausbruch aus der Gewaltsituation und das Finden von Ruhe und Sicherheit ist ihnen nur in der Anonymität möglich. Der Verbleib in der gemeinsamen Wohnung heißt eben auch, dass der Täter um den Aufenthaltsort des Opfers weiß, was eine erhebliche Gefährdung bedeutet, wie Gewalttaten bis hin zum Mord immer wieder zeigen. Das Gewaltschutzgesetz hat daher die Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen nicht entlastet, eine Entwicklung, die mit Beobachtungen in anderen Ländern korrespondiert. Die vorgesehene Streichung von Frauenhausplätzen wäre aus diesem Grund ein deutlicher Rückschritt in der durchaus ambitionierten Berliner Gewaltschutzpolitik.

Hilfe für Gewaltbetroffene

www.big-hotline.de (telefonische Hotline: 611 03 00)
www.frauenprojekte-bora.de
www.wildwasser-berlin.de

Gewaltschutzgesetz

www.berlin.de/sen/frauen/gewalt/schutzgesetz
www.bundesregierung.de/Themen-A-Z/Frauen-,8763/Gewaltschutzgesetz.htm (Website nicht mehr online - statt dessen empfehlen wir die Broschüre "Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt")

Hinweis

Auch auf der Website der Berliner MieterGemeinschaft finden Sie Informationen zu häuslicher Gewalt und dem Gewaltschutzgesetz in unseren mietrechtlichen Tipps unter dem Stichwort Gewalt in der Wohnung (Gewaltschutzgesetz).

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