MieterEcho

MieterEcho 307/Dezember 2004

 BERLIN

Verlustgeschäft für das Land Berlin

Die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe war ein schwerer Fehler

Gerlinde Schermer, eine der Sprecher/innen des Donnerstagskreises der SPD

Harald Wolf, Wirtschaftssenator und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Berliner Wasserbetriebe, besuchte in China unter anderem das Projekt der Berlinwasser International AG in Xian. Aus der Wachstumsregion China kann man sicher viel Beeindruckendes berichten, aber was durch die Reise des Senators nicht deutlich wurde, ist der clevere Umgang Chinas mit privaten Investoren. Auf Grund eines Erlasses der chinesischen Zentralregierung im Mai 2003 wurden Projekte mit einer garantierten Rendite für ausländische Investoren für unzulässig erklärt. International hat sich längst herumgesprochen: Die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe im Jahr 1999 war ein schwerer Fehler.

Die Geschäftsführung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) wurde Privaten übertragen. Das Land Berlin besitzt noch 50,1%. Ein geheimer Vertrag, geschlossen von der damaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), mit den Konzernen RWE und Veolia (ehemals Vivendi), garantiert den Konzernen für den einmalig gezahlten Kaufpreis von 1,68 Mrd. Euro eine jährliche Rendite von ca. 8% auf das "betriebsnotwendige Kapital" - für eine Laufzeit von 28 Jahren. Dieses betriebsnotwendige Kapital ist aber keine feststehende Größe. Die staatlich garantierte Rendite wächst von Jahr zu Jahr. Sie wächst z. B. durch eine Neubewertung der Grundstücke und Immobilien. Damit wächst auch die Berechnungsgrundlage für die garantierte Rendite. Im Jahr 2004 beträgt das betriebsnotwendige Kapital 3,3 Mrd. Euro. Mit zu erwartenden jährlichen Steigerungsstufen um 200 Mio. Euro werden es im Jahr 2009 schon 4,1 Mrd. Euro sein. Diese Renditegarantie ist die eigentlichen Ursache für die bereits erfolgten Preissteigerungen in Berlin zum 01.01.2004 um 15% und einen Gesamttarif von 5,026 Euro/cbm. Diese Garantie erfordert auch, dass die Preise weiter steigen und von den Endverbraucher/innen eingefordert werden und zwar jährlich. Spätestens 2009 wird man bei einer Preissteigerung nach der Privatisierung um ca. 30% angelangt sein.

Nur vor diesem Hintergrund ist auch die Diskussion über die neue Tarifstruktur zu verstehen, die Senator Wolf gemeinsam mit den Konzernspitzen RWE/Veolia und den Vertretern der IHK Berlin einführen wollten. Da ging es nicht darum, ob es eine Preiserhöhung gibt, sondern um die Verteilung des Preiserhöhungspotenzials. Fazit des Vorschlags: Entlastung der Industrie, dafür doppelte Belastung aller Einfamilien- oder Zweifamilienhäuser und Kleinfamilien, von denen es in Berlin besonders viele gibt. Der verantwortliche Staatssekretär Strauch (SPD) erklärte das so: "Insgesamt sollte durch das vorgeschlagene Modell nicht mehr eingenommen werden, sondern die Einnahmen der Wasserbetriebe verteilen sich anders. Zwei Drittel der Verbraucher würden mehr belastet - ein Drittel weniger."

Erhöhung der Mietnebenkosten

Angesichts der Montagsdemonstrationen und der Debatten um Kürzungen beim Arbeitslosengeld sah sich der Senat gezwungen, dieses Vorhaben zu stoppen. Die Antwort: Die Wasserbetriebe kündigten prompt eine Preissteigerung für alle Berliner/innen ab dem 01.01.2005 um 5,4% an. Zusammen mit den Preissteigerungen bei Gas und Strom ist das ein dicker Brocken bei den Mietnebenkosten. Und das bei sinkendem Einkommen vieler Berliner/innen.

Doch das ist längst nicht die ganze Wahrheit. Durch den geheim gehaltenen Konsortialvertrag mit all seinen Änderungsverträgen wird die Landesregierung gezwungen, einen Vertrag zu erfüllen, der das Vermögen des Landes Berlin, also der Berliner/innen, gleich doppelt beschädigt: Um die marktunübliche, völlig überhöhte Rendite bezahlen zu können, muss Berlin auf Einnahmen verzichten. Im Jahr 2004 auf 41,2 Mio. Euro, weil die bisherigen Preiserhöhungen nicht ausreichen, um die Forderungen der Investoren zu bedienen. Staatssekretär Strauch führt dazu aus: "1% Unterschied in der Verzinsung des eingesetzten Kapitals macht 3% Preissteigerung (beim derzeitigen Einheitspreis) aus."

Angesichts dieser Tatsachen gibt es eigentlich nur einen Weg aus der Misere: Dieser Vertrag muss weg. Entweder der Verkauf wird rückgängig gemacht oder die Lasten Berlins werden marktkonform drastisch nach unten korrigiert, um das Übel wenigstens zu begrenzen. Hat dieser Politikwechsel Chancen? Ausgerechnet hier schiebt sich kein Blatt zwischen den Regierenden Bürgermeister Wowereit (SPD) und Wirtschaftsenator Wolf (PDS). Wowereit und die ehemalige Finanzsenatorin und heutige Abgeordnete der SPD Annette Fugmann-Heesing, die seinerzeit glühend die Privatisierung befürworteten, stellen sich taub und stumm.

Doch nicht nur Politiker/innen schweigen sich über die Folgen der Privatisierung des Wassers aus. Staatssekretär Strauch dachte zwar auf der internationalen Wasserkonferenz in Berlin vom 04. bis 06.10.2004 auf einer Podiumsdiskussion laut darüber nach, ob der Zugang zu Wasser ein Menschenrecht sei, konnte sich dabei aber zu keiner Position durchringen. Eher sprach er von einer Überforderung des Staates, wenn man zu viel Teilhabe fordere. Auch der Management-Vorstand von Berlinwasser International Dieter Ernst (CDU) referierte vor Gästen aus 80 Ländern über die internationalen Geschäfte. Angesprochen auf Renditegarantie und Preissteigerungen als Folge der Privatisierung verwies er darauf, dass er damit überhaupt nichts zu tun habe, denn das liege allein in der Verantwortung von Veolia. Allerdings vergaß er zu erwähnen, dass er zum Zeitpunkt der Privatisierung Staatssekretär in der Wirtschaftsverwaltung war und von dort direkt in den Vorstand der Berlinwasser Holding AG wechselte. Reinhold Hüls, Geschäftsführer von Veolia, wollte leider zur Renditegarantie zwar ebenso nichts sagen, verwies jedoch in seinem Beitrag auf die immense europäische Bedeutung des Großprojekts Berlin mit insgesamt 3,7 Mio. Einwohner/innen. Dennoch blieb nicht aus, dass auch die stellvertretende Bürgermeisterin aus Paris über Korruption und einjährige Nachverhandlungen mit den Investoren ihrer Wasserbetriebe sprach und öffentliche Kontrolle ebenso einforderte, wie die Sicherung der Möglichkeit der Rückabwicklung von Privatisierungsverträgen.

Öffentliche Kontrolle einzufordern ist unsere Pflicht. Sie kann nicht erfolgen, wenn der Konsortialvertrag und alle Änderungsverträge nicht offen gelegt werden. Aus der Kontrolle ergeben sich Konsequenzen, die für ganz Europa von Belang sind, denn vielen Kommunen droht das Modell der Berliner "Public Private Partnership". Nicht wenige Beratungsdienste - auch aus Berlin - preisen es noch immer als Erfolgsmodell. Doch nicht nur das erfolgreiche Bürgerbegehren gegen die Privatisierung der Wasserwerke in Hamburg zeigt, dass die Menschen aufgewacht sind. Man muss nicht bis China reisen, ein Blick ins Nachbarland Niederlande genügt. Dort wurde inzwischen ein Gesetz verabschiedet, das die Wasserprivatisierung zur Straftat erklärt.

Donnerstagskreis

Der Donnerstagskreis ist ein Zusammenschluss der Parteilinken der Berliner SPD.

Zum Weiterlesen

Informationen im Internet zum Volksbegehren gegen die Privatisierung der Hamburger Wasserwerke unter www.unser-wasser-hamburg.de.
Allgemeine Informationen zur Privatisierung von Wasser auch unter www.privatisierungswahn.de/wasser.html.

Abkürzungen

BWB: Berliner Wasserbetriebe (Tochter der Berlinwasser Holding AG, 50,1% der Anteile sind im Besitz des Landes Berlin, 49,9% hält ein Konsortium bestehend aus Veolia und RWE)
Veolia: Veolia Water Deutschland GmbH
RWE: RWE AG (vor 1990 Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG)
IHK Berlin: Industrie- und Handelskammer zu Berlin

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