MieterEcho

MieterEcho 306/Oktober 2004

 BERLIN

Kein Ende der Verschwendung

Der Landesrechnungshof beziffert den unsachgemäßen Einsatz von Steuergeldern im vergangenen Jahr auf 1,2 Mrd. Euro

Christian Linde

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit forderte bei seinem Amtsantritt einen "Mentalitätswechsel". Wirft man jedoch einen Blick in den Jahresbericht des Landesrechnungshofs, ist nichts von einem Mentalitätswechsel zu spüren. Im Gegenteil: Das Papier listet endlos Beispiele dafür auf, dass die Verschwendung von öffentlichen Mitteln trotz der prekären Haushaltslage auch unter der SPD/PDS-Koalition hemmungslos weitergeht.

In ihrem jüngsten Prüfbericht rechnet die Behörde vor, dass den Steuerzahler/innen in Berlin durch politische Fehlentscheidungen und Fehler in den Verwaltungen im vergangenen Jahr Schäden in Höhe von rund 1,2 Mrd. Euro entstanden sind. Angefangen mit der Zulassung unangemessener Mietgarantien und Einnahmeausfällen bei den Verkehrsbetrieben, über Mängel bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und bei der treuhänderischen Verwaltung und Vergabe von Zuwendungsmitteln durch die Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege, bis hin zu unterlassenen Prüfungen der Abrechnungen Freier Träger von Kindertagesstätten, hat der Senat die knappen öffentlichen Mittel offenbar mit beiden Händen aus dem Fenster geworfen.

Zu hohe Gehälter bei der BVG

So stellt der Landesrechnungshof erneut fest, dass Bediensteten des Landes zu Unrecht überhöhte Gehälter gezahlt werden. So bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Obwohl die Zahl der Beschäftigten innerhalb von neun Jahren um etwa 44% zurückgegangen ist, erhöhte sich die Zahl der außertariflich Angestellten (AT) innerhalb der 1. Führungsebene um das Zehnfache von 8 auf 83 Personen. Die auf Grund von AT-Dienstverträgen deutlich überhöhten Gehaltszahlungen belasten das Betriebsergebnis des landeseigenen Unternehmens mit mehreren Millionen Euro jährlich. "Dies ist umso unverständlicher, als das Land auf Grund des mit der BVG geschlossenen Unternehmensvertrags dem Betrieb jährlich bis zu 420 Mio. Euro aus dem Landeshaushalt zahlt, die BVG sich nicht an einem Wettbewerbsmarkt betätigen und es sich bei dem Betrieb um eine nicht insolvenzfähige Anstalt handelt. Insoweit ist die Argumentation, die BVG zahle dem relevanten Marktumfeld vergleichbare Gehälter, nicht nachvollziehbar", kritisiert der Rechnungshof. Als Selbstbedienungsladen präsentiert sich die BVG auch gegenüber ihren ehemaligen Mitarbeitern. Ebenso wie ihren Betriebsangehörigen gewährt das Fuhrunternehmen ihren Ruheständlern, die mehr als fünf Jahre in den Diensten der BVG waren, für Privatfahrten den Nulltarif. Darüber hinaus erhalten deren Ehegatt/innen bzw. deren Witwer und Witwen Fahrpreisermäßigungen. Dadurch entstanden zwischen 1998 und 2002 Einnahmeausfälle in Höhe von 73 Mio. Euro.

Schlampige Berechnungen bei Klärwerken

Gravierende Fehlplanungen und einen unwirtschaftlichen Mitteleinsatz stellte der Rechnungshof auch bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB) fest. So basierte der Ausbau der Klärwerke in Marienfelde und Waßmannsdorf auf Planungen aus den Jahren 1989 und 1990, in denen bis zum Jahr 2000 von einem Bevölkerungszuwachs der Stadt auf 6 Mio. Einwohner ausgegangen wurde. Auf Grund der Erweiterung und der Sanierung entstanden erhebliche Überkapazitäten. Um die Auslastung des Klärwerks Waßmannsdorf zu erhöhen, haben die BWB das Klärwerk Falkenberg stillgelegt und eine 127 Mio. Euro teure Abwasserdruckleitung nach Waßmannsdorf errichtet. Nach Berechnungen des Rechnungshofs entstanden durch die Fehlplanungen vermeidbare Aufwendungen in Höhe von rund 340 Mio. Euro.

Pfusch am Bau

Ein hohes Maß an Sorglosigkeit und Unwirtschaftlichkeit stellte der Rechnungshof auch bei der Bauabteilung der Technischen Universität fest. Diese zahlte ohne förmliche Abnahme der erbrachten Leistungen vorbehaltlos die Schlussrechnung von 7,8 Mio. Euro für Fassadenarbeiten an einem Gebäude - ohne sich vor Ablauf der Gewährleistungsfrist noch einmal von dem korrekten Ergebnis der ausgeführten Leistungen zu überzeugen. Sechs Monate nach Ablauf der Frist wurden umfangreiche Mängel an dem Haus festgestellt, für deren Beseitigung allein für eine Fassadenseite Kosten in Höhe von mindestens 1,2 Mio. Euro geschätzt worden sind. "Hier muss die Frage von Schadensersatzansprüchen gegenüber Beteiligten geprüft werden", verlangt der Rechnungshof.

Mietgarantie trotz Leerstand

Auch bei der Entwicklung von Grundstücken gehen die treuhänderisch beauftragten Entwicklungsträger maßlos mit Steuergeldern um. In einem vom Rechnungshof geprüften Fall wurde ein Grundstücksverkauf an die Bedingung geknüpft, dass sich der Entwicklungsträger als Treuhänder Berlins, also letztlich das Land Berlin, vertraglich verpflichtet, für 65 Monate als Generalmieter großer Teile des erstellten Büro- und Geschäftshauses aufzutreten. Dass heißt, dem Investor eine garantierte Mieteinnahme sicherzustellen. Dadurch trägt Berlin über die gesamte Laufzeit ein Risiko von bis zu 8,9 Mio. Euro. "Durch sinkende Mieten ist selbst bei einer vollständigen Weitervermietung von einem Verlust von 2,9 Mio. Euro auszugehen", schätzt der Rechnungshof.

Geschenke für private Wohnheimbetreiber

Bis zum Jahr 1993 mussten Betreiber von Wohnheimen, in denen Aus- und Übersiedler sowie Asylbewerber untergebracht waren, Umsatzsteuer abführen. Mit einem Urteil vom 09.12.1993 entschied der Bundesfinanzhof, dass diese Vermietung von Wohnheimplätzen umsatzsteuerfrei ist. Da die Verwaltung davon absah, die Umsatzsteuerzahlungen an die Wohnheimbetreiber sofort einzustellen, kam es zu Überzahlungen von fast 10 Mio. Euro, die auf Grund der Zahlungsunfähigkeit ehemaliger Betreiberunternehmen zu einem erheblichen Teil für die Landeskasse verloren sind.

Soziale Träger außer Kontrolle

Zu erheblichen Verlusten für die Landeskasse führt auch der Umgang mit Haushaltsmittel an gemeinnützige Organisationen. Die für Jugend zuständige Senatsverwaltung hat die Förderung der Kindertagesstätten freier Träger durch Zuwendungen eingestellt und zum 01.01.1999 eine leistungsverträgliche Entgeltfinanzierung vereinbart. Die Ausgaben hierfür belaufen sich inzwischen auf 250 Mio. Euro jährlich. Kontrollen seitens des Rechnungshofs ergaben Rückforderungsansprüche in Millionenhöhe - die Liste für den unsachgemäßen Umgang mit Steuermitteln ließe sich endlos fortsetzen.

Unterm Strich kommt der Landesrechnungshof zu dem Schluss, dass den Konsolidie-rungsanstrengungen des Senats mit einem Volumen von 1,7 Mrd. Euro bis 2007 allein im letzten Jahr ein Verschwendungspotenzial von 1,2 Mrd. Euro gegenübersteht. Um die Schuldenspirale zu durchbrechen, sei eine Umsteuerung im Umgang mit Steuermit- teln dringend erforderlich, nicht zuletzt, um bei der Überwindung der Haushaltnnotlage mit dem Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht erfolgreich zu sein.

Den Jahresbericht des Landesrechnungshofs gibt es im Internet unter www.berlin.de/rechnungshof/veroeffentlichungen

Zurück zum Inhalt MieterEcho Nr. 306