MieterEcho

MieterEcho 306/Oktober 2004

 BERLIN

Der Nebel lichtet sich

Nun liegt der Prüfbericht des Landesrechnungshofs zum Neuen Kreuzberger Zentrum (NKZ) vor

Christoph Villinger

Mit einem vertraulichen Bericht des Landesrechnungshofs beginnt sich die Geschichte um die 30-jährige Verschwendung von öffentlichen Geldern im Neuen Kreuzberger Zentrum aufzuklären. Doch die nächsten 10 Millionen Euro sind längst bewilligt.

"Der Landesrechnungshof hält es für nicht vertretbar, für dieses Objekt noch weitere öffentliche Mittel bereitzustellen". So lautet der zentrale Satz des jetzt dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses vorliegenden vertraulichen Prüfberichts zum Neuen Kreuzberger Zentrum (NKZ). Auf 27 Seiten untersuchte der Rechnungshof die Förderungspraxis des Landes Berlin bei dem mit Mitteln des so genannten Sozialen Wohnungsbaus errichteten Gebäudekomplexes am Kottbusser Tor (das MieterEcho berichtete wiederholt).

Grundsätzlich sensationelle Neuigkeiten enthält der Bericht nicht. Doch er belegt die seit Jahren von vielen Seiten erhobenen Vorwürfe mit verlässlichen, bis auf den einzelnen Cent belegten, amtlichen Zahlen. So sind seit Fertigstellung des von der privaten Kommanditgesellschaft NKZ KG errichteten Komplexes im Jahr 1974 bis heute genau 51.905.516,82 Euro öffentliche Mittel, darunter etwa 25 Mio. Euro als zurückzuzahlende Aufwendungsdarlehen, in das Gebäude geflossen. Und dies bei Baukosten von etwa 48 Mio. Euro. Trotzdem betragen die Schulden des NKZ heute immer noch etwa 40 Mio. Euro.

Die naheliegende Prüfung, wohin denn die Millionen geflossen sind, war nicht Aufgabe des Landesrechnungshofs. Er soll nur die Abgeordneten "gegenwartsbezogen und zukunftsorientiert" beraten. Trotzdem finden sich Andeutungen in dem Bericht. Diplomatisch formuliert heißt es beispielsweise auf Seite 7: "Es ist nicht auszuschließen, dass die NKZ KG schon zu diesem Zeitpunkt (1979) notwendige Ausbau- und Instandhaltungsmaßnahmen im Gewerbeteil teilweise mit Erlösen des durch öffentliche Aufwendungsdarlehen ausfinanzierten Wohnteils finanziert hat". Eine zweckwidrige Mittelverwendung sei aber infolge des Zeitablaufs nicht mehr nachzuweisen.

Wie oft bei dieser Form der Umverteilung von öffentlichen Geldern in private Hände bewegen sich zwar viele Vorgänge hart am Rand der Legalität, ein Gesetzesbruch ist aber schwierig nachzuweisen. So gewährte im April 2003 der beim Senator für Stadtentwicklung angesiedelte Bewilligungsausschuss den Betreibern de facto eine "dritte Anschlussförderung" im so genannten Sozialen Wohnungsbau in Höhe von mindestens 10 Mio. Euro. Sie setzten den ab Dezember 2004 an die Investitionsbank Berlin (IBB) zurückzuzahlenden Kredit in Höhe von 25 Mio. Euro für zehn Jahre zins- und tilgungsfrei. In seinem Bericht stellt der Landesrechnungshof nun fest, dass dies "in begründeten Ausnahmefällen" zulässig sei und "die an die NKZ KG gerichteten Bescheide der IBB als Geschäftsbesorger des Landes Berlin bestandskräftig sind".

Doch will man wissen, worin beim NKZ nun dieser Ausnahmefall bestand, stößt man auf eine Mauer des Schweigens. Eine entsprechende Anfrage des MieterEchos beim Senator für Stadtentwicklung, wer denn bei der entscheidenden Sitzung des Bewilligungsausschusses mit welchen Argumenten wie abgestimmt hat, blieb nahezu unbeantwortet. In Berlin ist es eben "vertraulich", wenn eine private Kommanditgesellschaft nach 52 Mio. Euro noch weitere 10 Mio. Euro für ein Fass ohne Boden bekommt.

Zumindest aber ein Leck will man in Zukunft stopfen, berichtete der SPD-Abgeordnete Stefan Zackenfels dem MieterEcho. Das Sammeln der Gewerbemieten in einer Zwischengesellschaft soll in Zukunft unterbunden werden. Denn so werden sie, wie der Rechnungshof feststellt, "weiterhin mindestens um die Einkünfte des Geschäftsführers und des Beirats der NKZ GmbH von insgesamt annähernd 150.000 Euro im Jahr gemindert".

Politisch legitimiert der Prüfbericht des Rechnungshofs noch einmal den seit Jahren anhaltenden Widerstand der Bewohner/innen des NKZs. In Anlehnung eines Zitats von Peter Ackermann, dem Geschäftsführer aller drei Firmen der NKZ-Besitzer, probten sie Anfang Juni diesen Jahres (u.a. mit roten Zipfelmützen) den "Zwergenaufstand". Aus über der Hälfte der Wohnungen hingen Transparente, die auf die Verschleuderung von Steuermillionen hinwiesen und sogar die "Abendschau" berichtete ausführlich. Diese Aktion führte Anfang August zu einer Besichtigung durch Vertreter der IBB, bei der die Bewohner/innen die gravierenden baulichen Mängel als Folgen der seit 30 Jahren trotz öffentlicher Förderung vernachlässigten Instandhaltung zeigen konnten. Doch welche Konsequenzen wird dieser Besuch haben?

Ganz andere Konsequenzen haben inzwischen die Initiatoren des Kaufhaus Kreuzberg gezogen. Mit ihrer Idee vom Frühjahr 2003, in der weiterhin leerstehenden ersten Etage ein "Kaufhaus für ungewöhnliche Dinge" mit Terrassencafé und Biergarten zu eröffnen, brachten sie damals die öffentliche Auseinandersetzung um das NKZ ins Rollen. Doch im März diesen Jahres, als trotz langer Verhandlungen kein Mietvertrag in Sicht war, gaben sie frustriert auf. Stattdessen betreiben sie seit Anfang September in der Schöneberger Martin-Luther-Straße, nicht weit vom Landesrechnungshof, die "Raststätte Gnadenbrot".

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