MieterEcho

MieterEcho 304 - Juni 2004

 Privatisierung

"Zukunftsmodell Privatisierung"?

Die Messe Berlin und andere Beteiligungen des Landes Berlin

Hans-Georg Lorenz vom Donnerstagskreis der SPD

Am 23.03.2004 trat der Aufsichtsrat der Messe Berlin zusammen. Auf dieser Sitzung wurde der Vertrag des zweiten Geschäftsführers, Dr. Christian Göke, für fünf Jahre verlängert. Die Verlängerung des Vertrags für den ersten Geschäftsführer Raimund Hosch hatte Wirtschaftssenator Wolf gegen die SPD-Fraktion und das einstimmig ablehnende Votum der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat bereits zuvor beschließen lassen. Hosch und Göke sind das Ergebnis einer Beteiligungspolitik der besonderen Art. Maßgeblich wirkt daran die IHK mit - nicht zum Schaden ihres Präsidenten Gegenbauer. "Zukunftsmodell Privatisierung" nennt die IHK diesen Zugriff auf das Vermögen des Landes Berlin.

Betrachten wir die Fakten und Zusammenhänge. Noch kann man Schlimmeres verhindern - bei der Messe Berlin und bei anderen Beteiligungen.

Die Geschäftsführung der Messe Berlin

Im Geschäftsbericht für 2002 werden die Bezüge für Hosch und Göke mit 922.000 Euro ausgewiesen. 2001 waren es 821.000 Euro. 2003 dürfte es kaum zu Einkommenseinbußen gekommen sein. Herr Hosch ist rund 100.000 Euro teurer als Herr Göke. Herr Hosch würde danach mindestens 500.000 Euro jährlich erhalten, Herr Göke müsste sich mit rund 400.000 Euro bescheiden. Im Regelfall sind 50% solcher Bezüge ruhegeldfähig. Danach darf sich Herr Hosch auf eine lebenslange Rente von mindestens 250.000 Euro jährlich oder 20.800 Euro monatlich freuen. Bei Herrn Dr. Göke sind es nur rund 16.600 Euro. Wohlgemerkt: Wir reden über Ruhegehälter. Die Senatoren Wolf und Sarrazin sollten uns das erklären und begründen.

Der Senat rechnet die Messe Berlin zu den Beteiligungen von strategischer und infrastruktureller Bedeutung. Die Beiträge der Messe zur Wirtschaftsförderung und zum Steueraufkommen seien für Berlin wichtige Faktoren. Die Messe, sagt der Senat, ist daher für das Land von Bedeutung. Eine Liebeserklärung klingt anders. Als Auftrag für die Arbeit der Geschäftsführung ist das dennoch hinreichend. Und was haben Hosch und Göke daraus gemacht? Der Senat sagt: "Festzustellen ist aber auch, dass die Gesellschaft zu optimistische Umsatzplanungen und Zukunftsdarstellungen vorgelegt hat, die regelmäßig nicht eintraten." Zu der seit Jahren von Hosch und Göke angestrebten Privatisierung stellen Senat und McKinsey fest: "Die Geschäftsführung hat den Plan einer Privatisierung des Messegeschäfts vorgelegt und wiederum mit dann eintretenden wirtschaftlichen Entwicklungen begründet, die als nicht realistisch einzustufen waren." Und dann: Hosch und Göke konnten "ihre Planzahlen - wie sich aus einer Untersuchung von McKinsey 2002/2003 ergab - nicht belastbar unterlegen." Nun wissen wir, warum der Senator Wolf das Gutachten von McKinsey wie sein Auge hütete. Niemand sollte wissen, dass an der Spitze der Messe Berlin seit Jahren ein kräftiges Unternehmensgarn gesponnen wurde. Nur: Warum wurden die Herren Hosch und Göke dennoch vergoldet? Und warum hat Senator Wolf den Vertrag von Hosch gegen allen Verstand verlängert? Und warum ist nun auch der Vertrag von Dr. Göke verlängert worden?

IHK und Messe Berlin

Die IHK (Industrie- und Handelskammer Berlin) ist seit Jahrzehnten Anteilseigner der Messe Berlin. Die Beteiligung zählt nach Promille. Was tatsächlich zählt: Sie sichert Information, Sitz, Stimme und Einfluss im Aufsichtsrat. Es gibt also keinen Beschluss des Aufsichtsrats, an dem die IHK nicht beteiligt ist. Das gilt besonders für Wirtschaftsplan, Unternehmensgründungen, Investitionen und die Geschäftspolitik im Ganzen. Für IHK-Präsident Werner Gegenbauer ist die Messe Berlin eine interessante Einkommensquelle. Politisch will er mehr. Er will den großen Zugriff - nachzulesen in der IHK-Schrift 02/2004.

Das Gegenbauer-Programm hat einen Namen: "Zukunftsmodell Privatisierung". Es geht nicht mehr um die Abwägung zwischen privatem Gewinnstreben und den Interessen des Gemeinwohls. Die Würfel sind gefallen. Aus prinzipieller Festlegung muss privatisiert werden. Die Privatisierung öffentlichen Eigentums ist das Zukunftsmodell der IHK. Man kann es auch als Programm zur gezielten Enteignung des Landes Berlin und der Berliner lesen. Die Wohnungsbauunternehmen kommen zuerst dran, sagt die IHK. Der Senat beschloss dazu am 10.02.2004 maßgeschneidert einen Bericht über die Neuordnung der Wohnungswirtschaft.

Die IHK macht ihre Sache gründlich: Sie nennt die Unternehmen, wo es endlich klappen muss mit der Privatisierung: Behala, BVG, BSR, BWB, Messe Berlin und KPM. Gefordert wird vom Senat ein Beteiligungsportfolio - sozusagen die Gebrauchsanweisung für die Umsetzung des Zukunftsmodells. Der Senat liefert prompt. Eingekleidet in eine Beschreibung des Beteiligungsmanagements und Controlling des Landes Berlin (ebenfalls am 10.02.2004 beschlossen) erfahren die aufmerksamen Leser/innen, dass die rot-rote Landesregierung kaum noch die Kraft und den Willen hat, seine Beteiligungspolitik am Interesse des Landes zu orientieren. Die Nähe von Senat und IHK ist schon verblüffend.

Gegenbauer und Specker - oder die Old Boys-Connection in Berlin

Das Zukunftsmodell Privatisierung braucht Leute an den Schaltstellen, die der IHK verbunden sind. Gegenbauer hat es geschafft. Das Netzwerk steht. Der neue Chef der Wirtschaftsförderung - ein IHK-Mann. Auf der Kandidatenliste der IHK-Wahl 2004 - Rudolf Kujath, Geschäftsführer der Stadt- und Land-Wohnbauten GmbH. Sein Ziel: "Privatisierung von Facility Management und Grundstückswesen der öffentlichen Hand." Wohnungswirtschaft auf IHK-Kurs. Schließlich: Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK, als Mitglied der Zukunftskommission des Abgeordnetenhauses von Berlin soll er im Auftrag der CDU die IHK-Politik der Privatisierungen zur Leitlinie Berliner Politik machen. Über diese Berliner Erfahrungen wird noch zu reden sein. Fürs Erste genügt es zu wissen, dass Gegenbauer und Specker ein gemeinsames Büro haben. Roland Specker ist ein anderer ‚Old Boy'. Ebenfalls ‚ausgeschiedener' Bau- und Immobilienunternehmer mit reichem Herzen für arme Parteien. Ein Sponsor von Gnaden, unter dessen Händen alles zu wachsen scheint - Freundschaft, Sympathie, Baukosten. Beim Tempodrom wuchsen die Kosten dank seines strikten Kostenmanagements nur um rund 100%.

Am 19.08.2001 titelte der Tagesspiegel: "Die Old Boys-Connection in Berlin verabschiedet sich." Der Old Boy, den der Tagesspiegel beschreibt, heißt Werner Gegenbauer. Mit Wehmut habe er sein vom Vater ererbtes Reinigungsunternehmen verkauft. Als enger Vertrauter von Klaus Wienhold wird er da beschrieben, er, der nun aussteigt. Am 13.12.2003, zwei Jahre und vier Monate später, schreibt der Tagesspiegel: "Gegenbauer kauft Gegenbauer". Wir erfahren: Gegenbauer hatte die ganze Zeit, als alle mit ihm ob des Verlusts des väterlichen Erbes trauerten, noch immer 18% Gegenbauer in seinem Beteiligungsportfolio. Seit dem Dezember 2003 sind es nun wieder 51%, weil die EnBW sich aufs Kerngeschäft konzentrieren will. Also: Gegenbauer war nie raus aus dem Millionenspiel um Aufträge und Immobilien. Neuer Schwerpunkt von GegenbauerBosse - neben Reinigung und Wachdiensten - ist der Service rund um die Immobilie und der Wachstumsmarkt Facility Management. Wir erinnern uns an den IHK-Kandidaten Rudolf Kujath und wir erinnern uns: Am 12.11.2003 übernimmt Gegenbauer das Management und die Bewirtschaftung des Internationalen Kongresszentrums Bonn. Begründung der Bonner: GegenbauerBosse verfügt über langjährige Erfahrungen bei der Bewirtschaftung diverser "Event- und Veranstaltungsstätten in Berlin".

Messe lohnt sich - Vier Beispiele

Berlin ist anders. Wenn es darauf ankommt, wird großzügig gegeben - aus fremden Taschen. Haushaltsordnung, Wirtschaftspläne, Gesetze und gesetzliche Strukturen - wer hält sich damit auf. Wettbewerb, Marktwirtschaft, Transparenz - das ist doch für neoliberale Sonntagsreden. Die Wirklichkeit ist anders.

  • 1. Love-Parade
  • Vor über einem Jahr meldete die Berliner Morgenpost: Messe Berlin soll Love-Parade retten. Der Zuruf des Senators Wolf genügt, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Messe Bernd Schiphorst macht die Messe zum Teilhaber der Love-Parade, lesen wir; das senkt die Kosten; die Messe setzt ihren öffentlichen Apparat unentgeltlich für eine private Veranstaltung ein. Das klingt nach Zukunftsmodell Tempodrom! Privat anschieben und dann öffentlich abschieben. Berlin will keine Ruinen. Ein schöner Grundsatz, bis man damit selber zur Ruine wird. Das Ergebnis ist bekannt: Die Messe hatte ihre Bereitschaft teuer bezahlt. 800.000 Euro hat sie der Zuruf des Herrn Schiphorst gekostet. Wird die Staatsanwaltschaft auch hier prüfen? Dr. Motte hätte für die Love-Parade 2004 noch 600.000 Euro zur Kostendeckung gebraucht und er hatte auf eine erneute Beteiligung der Messe gehofft, aber der Druck (nicht zuletzt durch die Veröffentlichungen des Donnerstagskreises, die Red.) wurde so stark, dass sich der Messe-Geschäftsführer Hosch gezwungen sah, die Unterstützung in diesem Jahr zu verweigern.

  • 2. Messe-Eingang Süd
  • Der neue Messe-Eingang Süd wurde in nur zehn Monaten errichtet. Rund 23 Mio. Euro hat er gekostet. Der Entwurf stammt vom Architekturbüro Oswald Matthias Ungers. Ihm verdankt die Messe schon die Hallen 1-7, die rund 1,1 Mrd. Euro gekostet haben. Errichtet wurde der Eingang Süd von der Hochtief AG. Der Auftrag wurde freihändig vergeben. Die Verwunderung legt sich, wenn man nachschaut, in wessen Händen das Facility Management bei der Messe Berlin liegt.

  • 3. CFG - oder wie man 28 Mio. Euro Umsatz generiert und wie man Ausschreibungen vermeidet
  • Im Geschäftsbericht 2002 der Messe Berlin wird der Umsatz, den die CFG (Capital Facility GmbH) erzielt hat, mit 28 Mio. Euro benannt. 2001 waren es 25 Mio. Euro. Wie geht das mit der Capital Facility? Zuerst gründet die Messe eine Gesellschaft zur Verwertung ihrer Einrichtungen einschließlich der Gebäude, die CFG. Dann verkauft sie 50% ihrer Anteile. An wen? An GegenbauerBosse und Hochtief. Und dann wird es richtig lukrativ für die neuen Partner. Hochtief und GegenbauerBosse zahlen dafür 11,7 Mio. Euro an die Messe, die dafür zehn Jahre lang nur noch zahlt - geschätzt zwischen 250 bis 300 Mio. Euro. Und das alles ohne Wettbewerb, öffentliche Kontrolle und Störungen aus Senat und Parlament. Der ‚Old Boy' hat es allen gezeigt. Ein Rentenvertrag zulasten Berlins mit Zustimmung von IHK und Senat im Aufsichtsrat der Messe. GegenbauerBosse hat inzwischen den Velomax-Vertrag von Schwenkow übernommen - einschließlich des Millionenzuschusses vom Senat. Das erinnert an die gute alte Zeit, als Schwenkow mit der Untervermietung des Schiller-Theaters Kasse machte und die Anschaffung von Klopapier als Investition ansetzte. Was wird die Geschäftsführung der Messe tun, wenn ihr Partner die Hand nach der Deutschlandhalle ausstreckt? Ist das dann Teil der Privatisierung des Veranstaltungsgeschäfts?

  • 4. Das Service-Gebäude
  • Das neue Service-Gebäude kostet "nur" zwölf Mio. Euro. Natürlich wurde der Auftrag ohne Ausschreibung vergeben. Das hat hoffentlich nichts damit zu tun, dass an diesem Auftrag maßgeblich jemand mitgewirkt hat, der zu besseren Zeiten in Hessen Staatssekretär bei Frau Fugmann-Heesing war. Ja, Messe lohnt sich. Wie es scheint auch für eine willige Geschäftsführung. Aber das muss ja nicht so bleiben!

Forderungen

Der erste Grundsatz muss auch in Berlin wieder heißen: Nichts ohne Parlament! Das Beteiligungsportfolio des Landes Berlin umfasst 63 unmittelbare und 242 mittelbare Beteiligungen. Nichts darf künftig bezahlt werden ohne Zustimmung des Parlaments vorab. IHK-Staatssekretär Strauch wehrt sich gegen diese Forderung - verständlicher Weise. So hübsche Spendierhosen wie bei Tempodrom und Love-Parade verschwinden in der Altkleidersammlung, wenn man sich dafür vorher vor dem Parlament erklären muss.

Wer die Messe Berlin zu einem erfolgreichen Faktor der Berliner Wirtschaftspolitik machen will, muss sich an folgenden Forderungen orientieren:

  • 1. Es muss ein klares und begründetes und öffentlich gemachtes Bekenntnis der Politik zu einer Messe im öffentlichen Eigentum geben. Die Privatisierungsdiskussion ist zu beenden.
  • 2. Die Messe muss das Facility-Management selbst wahrnehmen. Die Verträge mit der CFG sind zu beenden. Es werden alle Ausgründungen und Großaufträge nach dem Nutzen für das Unternehmen überprüft.
  • 3. Im Geschäftsbericht der Messe- und Kongresstätigkeit wird über die ökonomischen Auswirkungen der Messetätigkeit berichtet.
  • 4. Der Senat muss die Diskussion um das ICC beenden. Das erfolgreichste Kongresszentrum Europas ist kein Fußabtreter, weder für Möchtegern-Ästheten, noch für politische und ökonomische Irrläufer.
  • 5. Der Senat muss die Messe ausreichend finanzieren. Das Unternehmen braucht eine verlässliche Perspektive.

Die Zukunft der Messe Berlin ist leicht in Gang zu setzen: Der Senat beruft eine neue Geschäftsführung und einen neuen Aufsichtsrat.

Hans-Georg Lorenz

Der Rechtsanwalt Hans-Georg Lorenz wurde am 15.04.1943 in Berlin geboren. Mitglied der SPD ist er seit 1961, MdA seit 1979, Bezirk Spandau. Er ist Mitglied der Aus-schüsse für Verfassungsschutz und für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung. Außerdem ist er Mitglied des Donnerstagskreises.

Donnerstagkreis

Dieser Beitrag ist eine Veröffentlichung der Ausgabe "Erkennen und Gestalten – Nr. 20" vom 18.03.2004 des Donnerstagkreises und wurde von der MieterEcho-Redaktion leicht redaktionell bearbeitet und aktualisiert. Im Donnerstagstagkreis haben sich die Parteilinken der SPD-Berlin vereinigt. Neben Hans-Georg Lorenz zählen Dr. Constanze Kube und Gerlinde Schermer zu den Sprecher/innen des Donnerstagskreises. Im MieterEcho Nr. 299 wurde ein Interview mit Gerlinde Schermer über die Messe Berlin veröffentlicht.

Facility Management

facility: Einrichtung, Anlage

management: Verwaltung, (Unternehmens-)Führung

Facility Management (FM) ist ein strategisches, also immer ein langfristiges Konzept zur Bewirtschaftung, Verwaltung und Organisation einer Einrichtung. Diese Einrichtung kann ein Unternehmen, ein Gebäude oder auch eine Anlage sein. FM setzt bereits schon bei der Planung ein. Es umfasst die Optimierung aller kostenrelevanten Vorgänge rund um eine Einrichtung, d.h. die Verbesserung der technischen und kaufmännischen Bewirtschaftung, der Nutzungsflexibilität, der Arbeitsproduktivität und der Kapitalrentabilität. Dies bedeutet z.B. bei Immobilien, dass FM weit über das Kerngeschäft einer klassischen Hausverwaltung hinausgeht. Beim FM werden unter dem Zielsetzungen der Kostenreduzierung und/oder der Profitoptimierung die technischen, ökonomischen und kaufmännischen Prozesse rund um eine Immobilie mit einbezogen.

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