MieterEcho

MieterEcho 303 - April 2004

 Titel

Alles was Recht ist

Neue Sicherheit durch Public Private Partnerships?

Volker Eick

Das private Sicherheitsgewerbe, redlich bemüht um einen guten Ruf, hat es schwer. Von zahlreichen belegten gewalttätigen Übergriffen über Verstrickungen mit dem rechtsextremistischen Milieu bis zu dem Vorwurf, sie würden versuchen, eigenes Recht im Namen ihrer Auftraggeber zu schaffen, reichen die Vorwürfe. Mittlerweile ist bekannt, dass sie auch in Berliner Wohngebieten ihr Unwesen treiben.

Nach massiven Protesten wegen ihres rüpelhaften bis gewalttätigen Auftretens und wohl auch, um von dem von ihr gezahlten Kopfgeld für den Sicherheitsdienst abzulenken, ist die BVG im September 2003 gezwungen, fast 60 von 180 Mitarbeitern ihres profitorientierten Sicherheitsdiensts zu entlassen. Nachdem sich eine Vielzahl von Bürgern beschwert hatte und das Auftreten der Wachschützer zum Politikum geworden war, musste die BVG reagieren. Aber auch in Wohnquartieren, vor allem in den noch jungen und wenig gelittenen Großsiedlungen, spielen private Sicherheitsdienste eine immer größere Rolle - wie in Pankow.

Spielplätze nur für Zahlungskräftige?

Zwischen 1991 und 1995 plant der Senat, von einem gigantischen Bevölkerungswachstum für die alte und neue Hauptstadt ausgehend, den Bau von 80.000 Wohnungen. Am Rande von Berlin-Pankow, zwischen dem Dorf Karow und Berlin-Buch, stehen dafür 1994 etwa 100 Hektar (ha) an Brachfläche zur Verfügung. 15.000 Einwohner/innen in 5100 Wohnungen, von denen 800 Eigentumswohnungen sind, finden in dem neu entstandenen Stadtteil Neu Karow eine Wohnung. Das Quartier wird als Public Private Partnership realisiert, d.h. die Industrie- und Wohnbau Groth+Graalfs GmbH (G+G) kauft 1991 etwa 63 ha des Areals, der Senat ist im Besitz von 30 ha, die der Wohnungsbaugesellschaft Gehag übertragen werden, und die Bauunternehmensgruppe SÜBA hält weitere sieben Hektar. Die Verwaltung des Neubaugebiets wird der ALLOD, einem Unternehmen der Groth-Gruppe, und der Gehag übertragen. Mit der Teilprivatisierung des Quartiers geht auch die private Errichtung von privaten Spielplätzen einher: "Der Unterhalt werde", zitiert der Politikwissenschaftler Benno Kirsch die Quartiersverwalter, "von den Mietern über die Mietnebenkosten finanziert und stehe deshalb nicht dem Gemeingebrauch zur Verfügung, auch wenn grundsätzlich alle Kinder dort spielen dürften." Das hört sich, höflich formuliert, widersprüchlich an und ist doch mittlerweile zu einem berlinweiten Problem geworden: Es gibt Spielplätze erster und zweiter Klasse - soweit überhaupt öffentliche Spielplätze zur Verfügung stehen.

Der für das Quartier eingestellte Stadtteilmanager wird, so Kirsch weiter, von der ALLOD bezahlt und er findet, es dürfe "nicht dazu kommen, dass Schulklassen oder Kita-Gruppen auf diesen Flächen, teilweise auf Kosten der Mieter, betreut werden." Gleichzeitig inzenieren beide, Gehag und ALLOD, eine Vielzahl von Aktivitäten, geben Informationsblätter heraus und beschäftigen einen kommerziellen Sicherheitsdienst, der 1997 seinen Dienst antritt, nachdem etwa 2000 Wohnungen vermietet bzw. verkauft waren. Zu dieser Zeit sei es zu Vandalismus in den noch leeren Gebäuden und verstärkten Diebstählen gekommen.

Wildwest in Neu Karow?

Das führt uns zurück zum Ausgangspunkt. Was ist, wenn - etwa in einer an eine private Firma verkauften Großsiedlung oder in einem Public Private Partnership - die Verwaltung des Gebiets von kommerziellen Firmen übernommen und in deren Auftrag ein privater Sicherheitsdienst tätig wird? Kirsch macht deutlich, dass Politik und Polizei offenbar nicht mehr allzu sehr daran interessiert sind, in Berlin die Hoheitsrechte wahrzunehmen. Jedenfalls sei die Beauftragung des Sicherheitsdiensts auch darauf zurückzuführen, dass die Polizei regelmäßig mehr als eine halbe Stunde gebraucht habe, bevor sie vor Ort war. Sicherheitspolitisch hat hier, glaubt man der Recherche von Kirsch, daher ein kommerzieller Sicherheitsdienstleister die Hosen an. Ein wenig überrascht es schon, dass Kirsch keine Probleme mit Blick auf das staatliche Gewaltmonopol erkennen mag, obwohl er selbst schreibt, es sei "innerhalb des rechtsfreien Raums - Abwesenheit der Polizei - ein weiterer rechtsfreier Raum entstanden, weil sich die Russlanddeutschen, die dort Angriffsziel des privaten Sicherheitsdienstes waren, nicht gefügt hätten."

Der CM-Sicherheitsdienst, dessen "glatzköpfige, sportliche Typen" aus der Umgebung von Karow stammten, seien zunächst beauftragt gewesen, die vielen leer stehenden Häuser zu bewachen. Stattdessen, weiß Kirsch, sind die jedoch "in Wildwest-Manier unter Einsatz von Beschimpfungen und Gewalteinsatz" gegen die "normalen" Jugendlichen vorgegangen. Nur mit den russlanddeutschen Jugendlichen habe das nicht geklappt, denn die seien "muskulöser und stärker gewesen." Daher wurde ein "typischer Ost-Sicherheitsdienst beauftragt, bei dem ehemalige Mitarbeiter des MfS beschäftigt" worden seien. Die allerdings habe niemand ernst genommen. Eine dritte Firma, die AG Detektei Axel Geldschläger GmbH, wurde 1998 beauftragt und ist nun im Auftrag des Stadtteilmanagements tätig; Geldschläger soll die ehemaligen CM-Mitarbeiter wieder eingestellt haben. Ein dort tätiger Jugendsozialarbeiter, der das Vorgehen gegen die russlanddeutschen Jugendlichen beobachtet hat, betrachtet daher "das Neubaugebiet als ein Versuchsfeld, in dem eine neue Form der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung erprobt wird."

Ähnliches berichten Jugendsozialarbeiter auch aus anderen Wohnsiedlungen, wobei es vor allem um Auseinandersetzungen zu gehen scheint, bei denen ruhebedürftige Anwohner sich die privaten Sheriffs zur Hilfe holen, um gegen jugendlichen Lärm und jugendliches Fehlverhalten vorzugehen. Für Kirsch ist damit klar, dass "nicht davon die Rede sein" kann, dass der Sicherheitsdienst "Polizeifunktionen übernommen hat." Gut, aber geht es darum? Werden hier nicht vielmehr neue Kontrollregime aufgebaut, die jenseits grundrechtlicher Sicherungen, Verhaltenskodizes erzwingen sollen und rechtsstaatliche Garantien unterlaufen? Dem MieterEcho immerhin liegen weitere Informationen vor, dass Jugendliche immer wieder durch private Sicherheitsdienste bedroht und genötigt werden. Dabei beginnt sich neben der reinen Gewalt der Einsatz von Videoüberwachungssystemen zunehmend durchzusetzen.

Gating the Rich - Barcoding the Poor?

Mit dieser Frage hat vor einigen Jahren Detlef Nogala einen Beitrag überschrieben und in dem Sammelband "Jahrbuch Stadtregion 2002" nun nach der "Ordnung durch Beobachtung" gefragt. Die Reichen einsperren und die Armen mit allen möglichen Mitteln identifizierbar machen, wer so frage, der sitze, so Nogala, einem doppelten Mythos auf: Weder verhindere Videoüberwachung zuverlässig abweichendes Verhalten, noch habe bisher in der Bundesrepublik der Big Brother Einzug gehalten. Allerdings seien die damit verbundenen Gefahren nicht zu unterschätzen und könnten sich schnell potenzieren. Angesichts dessen sei höchst fraglich, ob unsere Gesellschaft "rechtzeitig genug entsprechendes Selbstaufklärungspotenzial mobilisieren" kann. Dies sei um so bedenklicher, weil über die zunehmenden Public Private Partnerships (nicht nur) im Wohnungsbau, kommerzielle Anbieter verstärkt Zugriff auf Überwachungstechnologien haben. Das ist offensichtlich in den privatisierten Berliner Großsiedlungen der Fall.

Es sind keineswegs nur noch die Reichen, die in Gated Communities, also bewachten und umzäunten Wohnkomplexen, leben. Denn die bereits erwähnte Groth+Graalfs hat 1998 nicht nur die Apartmentanlage "Arkadien" nahe Potsdam auf 30.000 qm mit acht Stadtvillen und 43 hochwertigen Wohnungen gebaut und diese Anlage - Wachschutz inklusive - mit Zäunen, Bewegungsmeldern und Videokameras ausgestattet, so der Geograf Georg Glasze im selben Sammelband. Vielmehr lässt sich auch in ärmeren Quartieren - und hier nicht nur in den Großsiedlungswohnquartieren am Stadtrand - dieser Trend beobachten. So berichtet Jan Wehrheim in seiner Arbeit vom Wohnprojekt "Residenz Prenzlauer Berg", das ebenfalls mit Wachdienst, Videoüberwachung und Umzäunung ausgestattet ist.

Reflektionen über die sichere Stadt

Dass in kurzem Abstand gleich vier Bände erschienen sind, die sich mit (neuen) städtischen Sicherheitsstrategien und (alten) Unsicherheitsgefühlen beschäftigen, ist sicher kein Zufall. Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit hat für die Neuorganisation unserer Städte in den vergangenen drei Jahrzehnten zugenommen. Diese Entwicklungen zeichnen die Autoren nach: Während Jan Wehrheim die räumliche Verlagerung von sozialen Problemen "und damit räumlichen Ausschluss von Individuen unter dem Primat der Sicherheit" als eine wichtige Strategie politischer und wirtschaftlicher Eliten in der BRD und den USA beschreibt, geht es Kirsch um Formen und Folgen der Zusammenarbeit von privaten Sicherheitsdiensten und der Polizei für das staatliche Gewaltmonopol. Kirsch gelang es, mehrere Sicherheitsdienste und Polizeibeamte bei ihrer Arbeit in Frankfurt/M. und Berlin zu begleiten. Das Schwerpunktheft der Arbeitsgruppe Stadtregion verdeutlicht, dass es sich um kein Thema allein für Experten handelt.

Nicht in allen Fällen wird man sich den Schlussfolgerungen der Autor/innen anschließen wollen, insbesondere Kirsch hat das Problem, dass er die rasante Entwicklung von vertraglich fixierten Kooperationsvereinbarungen zwischen Polizei und Sicherheitsgewerbe nicht reflektiert hat - sicher auch, weil sich der Abschluss solcher Verträge mit dem Abschluss seiner Doktorarbeit überschnitt. Allerdings sind Untersuchungen des Bundeskriminalamts, die die starke Verunsicherung der Bevölkerung durch private Sicherheitsdienste belegen, nicht reflektiert. Wem daran gelegen ist, die Rolle von Sicherheit in den Städten der Bundesrepublik und in den USA in ihren historischen Grundzügen (aber auch aktuell) zu reflektieren, wer darüber hinaus begreifen möchte, dass Ausgrenzung, staatliche und kommerzielle Präventions- und Repressionsstrategien nicht allein ein Thema für so genannte Randgruppen oder Experten sind, ist mit diesen Bänden mehr als gut bedient. Denn das Verhalten von privaten und staatlichen Sicherheitskräften in der Stadt wird ein Thema - auch für das MieterEcho - bleiben müssen.

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