MieterEcho

MieterEcho 303 - April 2004

 Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

die Liberalisierung schreitet voran. Für die Wohnungswirtschaft heißt das "Immobilienhandel statt Wohnraumversorgung". Die Auswirkungen sind dramatisch: Die Bewoge verschleudert ihre Bestände, vornehmlich in Kreuzberg, und so können Spekulanten, die zu Zeiten der Hausbesetzungen aus diesem Bezirk vertrieben wurden, wieder ungehindert schalten und walten. In der Waldemarstraße erhalten die Mieter/innen eine außerordentlich intensive Aufklärung über die "freiheitsstiftende Funktion" der Privatisierung, deren erste Zielstellung die Vertreibung der Mieter/innen aus ihren Wohnungen ist, um Baufreiheit für die Modernisierungen zu schaffen.

Eine Mietervertreibung anderer Art droht durch die IHZ. Dieses Verwaltungsunternehmen wurde den noch städtischen Wohnungsbaugesellschaften Mitte, Friedrichshain und der Bewoge vorgeschaltet. Wie es aussieht, dient diese Firmenkonstruktion vor allem dazu, diese Gesellschaften "mieterfrei" zu machen. Die IHZ teilt den Mieter/innen mit, dass sie die Bestände von den Wohnungsbaugesellschaften gepachtet habe und fordert die Mieter/innen auf, mit ihr einen neuen Mietvertrag zu schließen. Dieses Ansinnen sollten alle Mieter/innen unbedingt zurückweisen. Sie verlieren durch eine solch willkürliche Trennung von Eigentümer und Vermieter jeden Anspruch gegen die Wohnungsbaugesellschaften. Das ganze Manöver ist ein weiterer Privatisierungsskandal.

In Hellersdorf führt die Wohnpark Verwaltungs- und Betreuungsgesellschaft mbH des Lone Star Funds ihre Vorstellungen von der "freiheitsstiftenden Funktion" des Privateigentums vor. Private Sicherheitsdienste agieren selbstherrlich jenseits der Legalität.

Mit dem Verkauf von ehemals öffentlichen Wohnquartieren an private Gesellschaften findet auch eine Privatisierung der Blockinnenbereiche statt, d. h. Grünflächen und Spielplätze werden vom öffentlichen Zugang abgeschottet.

Dennoch hindern solche Entwicklungen die in dieser Stadt politisch Verantwortlichen der rot-roten Koalition nicht, weitere Privatisierung von Wohnungsbauunternehmen zu betreiben. Nach wie vor steht der Verkauf der GSW auf der Agenda.

Der Angriff gegen die Mieter/innen hat eine zweite Front. Der Bundesgerichtshof versäumt keine Gelegenheit, die Positionen der Mietrechtsreform zu Gunsten der Vermieter zu interpretieren. Das letzte Beispiel ist die höchstrichterliche Sanktionierung des "freiwilligen" Verzichts der Mieter/innen auf ihr Kündigungsrecht. Dabei ist das gesellschaftliche Leitmotiv nicht der soziale Schutz der Mieter/innen, sondern die private Vertragsfreiheit.

Ihr MieterEcho

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