Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 302   Januar 2004

Sanierung in Ostdeutschland

Konzepte, Strategien und Folgen: Ein Vergleich

Andrej Holm

Stadterneuerung ist aus der Mieter/innenperspektive immer ein zweischneidiges Schwert. Zum einen wünschen sich viele zurecht bessere Wohnverhältnisse und höhere Ausstattungsstandards - zum anderen legt das geltende Mietrecht einen Zusammenhang von Wohnqualität und Wohnkosten nahe. 11% der tatsächlichen Modernisierungskosten können auf den jährlichen Sockelmietbetrag der Nettokaltmiete umgelegt werden. Fast jede Wohnungsmodernisierung geht mit oftmals drastischen Mietsteigerungen einher. Für Berlin mit einem Altbaubestand von mehr als 800.000 Wohnungen war die Stadterneuerung in den vergangenen Jahren ein zentrales Thema. Insbesondere in den Ostberliner Innenstadtbezirken wurden seit 1990 etwa die Hälfte der alten Bestände modernisiert.

Ein Großteil dieser Sanierungsmaßnahmen konzentrierte sich in den förmlich festgelegten Sanierungsgebieten. Hier gelten besondere städtebauliche Auflagen, die es der Kommune zumindest theoretisch ermöglichen, einen Einfluss auf Verlauf und Ergebnis der Sanierung zu nehmen. In den 1990er Jahren sah dieser Einfluss in etwa folgendermaßen aus:

Das große politische Ziel der Stadterneuerung ist in Berlin nach wie vor die 'Behutsamkeit'. Behutsam im Sinne eines erhaltenden Umgangs mit der historischen Bausubstanz, behutsam gegenüber den gewachsenen Nachbarschaften, die durch die Sanierung nicht verdrängt werden sollten und behutsam schließlich in der Art des Vorgehens und der Organisation einer Stadterneuerung, die sich die Beteiligung der Bewohnerschaft auf die Fahnen geschrieben hat.

Oftmals in den vergangenen Jahren wurde die Stadterneuerung in den überwiegend Ostberliner Altbauvierteln kritisiert. Insbesondere die drastischen sozialen Veränderungen in den Sanierungsgebieten wurden als das "Ende der Behutsamkeit" gedeutet (siehe MieterEcho Nr. 271). Trotz einer enormen finanziellen Förderung bis zum Ende der 1990er Jahre und einen intensiven Einsatz von kommunalen und öffentlich beauftragten Planungskapazitäten ist es nicht gelungen, eine Verdrängung der Bewohnerschaft zu verhindern, und die Mieten haben sich auf ein überdurchschnittliches Niveau erhöht. Mit der faktischen Einstellung der Förderung und der rechtlichen Vakanz der Mietobergrenzen sind in Zukunft noch negativere Auswirkungen der Stadterneuerung zu erwarten.

In Diskussionen mit den Verantwortlichen dieser Stadterneuerungspolitik wird angesichts dieser Einschnitte einerseits mit Sparzwängen des Berliner Haushalts argumentiert, zum anderen wird mit dem Blick auf andere Städte auf die immer noch exklusive Ausstattung und Stellung der Berliner Stadterneuerungspolitik verwiesen. In anderen Städten - so in etwa die Argumentation - sei alles noch viel schlimmer und man solle diese positiven Reste nicht auch noch wegkritisieren.

Im MieterEcho wollen wir die Stadterneuerungspolitik in anderen Städten unter die Lupe nehmen. In loser Folge soll dabei das Sanierungsgeschehen in einzelnen Städten vorgestellt werden. Die zentralen Fragestellungen sind dabei dieselben, die uns an der Stadterneuerung in Berlin interessieren: Mit welchen Verfahren und Programmen versuchen die Kommunen Einfluss auf die Modernisierung zu nehmen, welche Effekte hat die Stadterneuerung für die Bewohner/innen und wie ist es um die Beteiligungsmöglichkeiten in den Sanierungsgebieten bestellt.

Damit wollen wir zum einen herausfinden, welche Besonderheiten der Berliner Stadterneuerung tatsächlich im Interesse der Bewohner/innen waren oder sind, um diese Errungenschaften verteidigen zu können. Daneben hoffen wir, mit der Situationsbeschreibung von anderen Städten aufzeigen zu können, welche drastischen Folgen die momentane Liberalisierung der Stadterneuerungspolitik haben kann. Schließlich scheint die Situation in anderen ostdeutschen Städten bereits seit Jahren so, wie wir sie für Berlin erwarten.