Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 300   Oktober 2003

Kein Berliner Unwille

Neo-Preußische Fassaden statt Kunst und Kultur auf dem Schlossplatz

Peter Nowak

Der Platz gegenüber dem Palast der Republik war voller Leben. Zahlreiche bunte Bauwagen, wilde Schrottskulpturen, schräge Musik und junge Leuten mit Hunden vermittelten den Eindruck, Berlins alternative Szene habe einen der umstrittensten Plätze Berlins gekapert. Doch es war nur eine "bestellte Besetzung", wie die Tageszeitung taz treffend titelte. Die Aktion ist auch schon längst wieder vorbei. Den ganzen Juli über durfte die Berliner Subkultur den Schlossplatz gratis nutzen und konnte so ihr Scherflein zur Berliner Imagewerbung beitragen.

Für große Kulturevents fehlt das Geld. Also dürfen die Schmuddelkinder aus den kulturellen Nischen gratis ran. Der Verein Schlossfreiheit e.V., der sich im Auftrag des Bezirksamts Mitte um die kulturelle Wiederbelebung des Schlossplatzes kümmert, bot dieses Stelldichein der Alternativkultur unter dem Motto "Kunstsommer auf der Schlossfreiheit" an. Vor drei Jahren hatte schon einmal ein Kunstevent den Schlossplatz aus der gewohnten Ödnis gerissen: Unter dem Namen "weiß 104" waren 104 Waschmaschinen vom 02.09. bis 03.10.2000 dort aufgestellt und rege genutzt worden. Schließlich war die ehemalige Schlossfreiheit an dieser Stelle bis vor 300 Jahren der öffentliche Waschplatz, auf dem vor den Augen der Herrscher die schmutzige Wäsche gewaschen wurde. Warum sollen nicht heute wieder Waschmaschinen und Duschen für die Obdachlosen und Armen an dieser Stelle entstehen, fragten sich während der Kunstaktion mit den Waschmaschinen nicht wenige. Doch für solche menschenfreundlichen Träumereien ist in der offiziellen Politik natürlich kein Platz.

Entscheidung gegen den Willen der Bevölkerung

Um zwei Gebäude wurde in den Jahren im Zusammenhang mit dem Schlossplatz gestritten: um den Palast der Republik und das historische Berliner Schloss. Für das offizielle Berlin ist die Frage längst entschieden. Im Frühjahr 2002 hatte sich die Kommission Historische Mitte Berlin mit knapper Mehrheit für einen Schlossnachbau mit historischer Fassade und den Abriss des DDR-Kulturpalasts entschieden. Seitdem ist für die Schlossbefürworter und die meisten Medien die Diskussion beendet. Das Schloss wird gebaut, der Palast muss weg. Dabei zeigen alle Umfragen, dass die Mehrheit der Berliner Bevölkerung gegen einen Schlossneubau ist. Doch Proteste gegen die einsame Kommissionsentscheidung bleiben weitgehend aus. Die Neugestaltung des Schlossplatzes wird genauso passiv beäugt wie die Bebauung des Potsdamer Platzes zu einem Zentrum der Dienstleistungselite, obwohl dort immerhin jahrelang einer der größten Flohmärkte Berlins abgehalten worden war. Dass mit der Rekonstruktion des Schlosses ein weiterer zentraler Platz für die Interessen der Wohlhabenden hergerichtet wird, scheint vielen noch gar nicht so klar zu sein. Der Pressesprecher der Stadtschloss Berlin Initiative e.V. Hennes Schulz erklärte in einem Interview, dass auf dem Gelände auch für öffentliche Einrichtungen wie einige Museen Platz sein könne. Der Schwerpunkt werde natürlich auf der privaten Nutzung liegen "Es muss so etwas wie ein Grand Hotel geben und auch eine geschäftliche Nutzung. Denn wer will nicht gerne in Berlin, Schlossplatz Nr.1 wohnen oder sein Geschäft dort haben?" Dass dann private Wach- und Sicherheitsdienste darüber bestimmen werden, wer zu dem Platz Zugang haben wird, versteht sich von selbst.

Berliner Unwille

Eine kleine Initiative hat sich schon frühzeitig gegen die Schlosspläne gestellt. Sogar jetzt kann man noch einige kleine Tafeln des Berliner Unwillen auf dem Platz entdecken. So nannte sich eine Initiative von geschichtsbewussten Architekten und Stadtplanern. Am 17.04.2002 organisierten sie eine ganztägige Protestaktion auf dem Platz. Der schöne Name Berliner Unwille erinnert an eine lang zurückliegende Widerstandsaktion der Berliner Bevölkerung gegen den Bau des ersten Schlosses im Jahre Januar 1448. Die Baustelle wurde damals besetzt, die Bauleute vertrieben und der Rohbau zerstört. Selbst auf den offiziellen Geschichtstafeln, die um den Palast der Republik aufgestellt wurde, findet der Berliner Unwille knapp Erwähnung. "Nach dem 'Berliner Unwillen', in dessen Verlauf die rebellischen Bürger sogar die Schleusen öffneten (...) konnte Friedrich II. schließlich 1451 den Neubau seines Schlosses beziehen", heißt es dort. Damals ging es vor allem um die Verteidigung der städtischen Souveränität vor dem Machtanspruch des Kurfürstentums. Das rebellische Bürgertum musste sich schließlich geschlagen geben.

Heute ist vom Berliner Unwillen wenig zu spüren. Selbst die Künstler, die im Juli den Platz mit Leben füllten, haben sich dem scheinbar Unvermeidlichen gefügt. "Bald wird hier das Schloss aufgebaut. Dann ist hier Schluss mit lustig", bringt es ein Künstler auf den Punkt. Noch ist der Schlossplatz so öde, wie man ihn seit Jahren kennt. Zwischenzeitlich wurde er gar zum Stellplatz für Campingtouristen. Es ist Geldmangel, der die herrschaftlichen Plänen bisher verzögerte. Der Förderverein Berliner Schloss e.V. ist zur Zeit auf Sponsorensuche. Man will jetzt keine Zeit mehr verlieren. Denn in letzter Zeit gibt es verstärkt Debatten, den Palast der Republik zur Zwischennutzung an Künstlergruppen zu übergeben. Aus CDU-Kreisen kam heftiger Widerstand gegen solche Pläne. Sie befürchteten, dass so doch noch die Entscheidung für den Schlossbau unterlaufen würde. Das müsste all jenen eine Ermutigung sein, die doch etwas Berliner Unwillen gegen einen zweiten Potsdamer Platz, diesmal mit historisierenden Fassaden, verspüren.