Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 300   Oktober 2003

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

gemeinhin werden unter "Zivilgesellschaft" gesellschaftliche Gruppen und Organisationen verstanden, die unabhängig vom Staat und seinen Zwangsapparaten agieren, Kompromisse aushandeln und somit ein moralisch-demokratisches Regulativ politischer Prozesse bilden. Jenseits dieser idyllischen Darstellung verstand der italienische Marxist Antonio Gramsci bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts unter dem von ihm entwickelten Begriff der Zivilgesellschaft die Gesamtheit der nicht-staatlichen Organisationen , die die öffentliche Meinung bilden. Danach ist die Zivilgesellschaft keineswegs durch moralische oder demokratische Werte geprägt, sondern ist vielmehr das Feld vornehmlich ideologischer Auseinandersetzungen um die Köpfe der Menschen sowie der Raum, in dem die herrschenden Gruppen die "Hegemonie über die subalternen Klassen" begründen als Grundlage für die politische Führung des Staats.

In dieser Auseinandersetzung wirken die Verbände der Arbeitgeber und Industrie, denen sich Hermann Werle gewidmet hat, an ebenso prominenter wie öffentlichkeitsferner Stelle. Von zivilgesellschaftlichen Kompromissen, die auf gleicher Augenhöhe mit ihnen geschlossen werden, kann nur man nur träumen. Schließlich verdrängt man vollkommen, dass die aktuelle Form der Unterwerfung heutzutage Partizipation genannt wird.

Als lokale Zivilgesellschaft werden gerne die Gebiete bezeichnet, in denen die Quartiersmanager das Wirken der ansässigen Akteure zu moderieren trachten.

Dort finden sich die Resultate der neoliberalen Wirtschaftspolitik im Sinne von BDI und BDA. In erschreckender Weise wird immer gleichgültiger, welche politische Partei mit diesen Verbänden im politischen Gleichschritt durch den nationalstaatlichen Raum marschiert. Die Folgen auf Quartiersebene sind dieselben: Sozialabbau und Verarmung.

Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Quartiersmanagements widmet sich Volker Eick zwei kürzlich erschienenen Publikationen: Zum einen dem Buch "Soziale Stadt - Sozialraumentwicklung - Quartiersmanagement" und zum anderen dem vom Deutschen Institut für Urbanistik herausgegebenen Bericht "Strategien für die Soziale Stadt". Der stellvertretende Institutsleiter des Deutschen Instituts für Urbanistik Dr. Rolf-Peter Löhr wurde von ihm diesbezüglich interviewt.

Schließlich beschäftigen sich F. Nuldari, Joachim Oellerich und Andrea Schaub ein weiteres Mal mit den Geschäften von TECO, Conmatis und der neugegründeten Brain Consulting. Der Anlass und zugleich eine gute Nachricht dabei ist ein erster von Rechtsanwalt Christoph Becker geführter Prozess, in dem TECO zur Rückerstattung der verlangten Gebühren verurteilt wurde. Weitere Information hierzu sind telefonisch unter 21 00 25 84 zu erhalten.

Ihre Berliner MieterGemeinschaft