Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 299   August 2003

Mieterglück

Aus: straßenfeger, Ausgabe 12, Mai 2003

Dirk Funke

Es sollte eine Feier auf der Grünfläche hinten in unserem Hof werden. Quasi zum kennen lernen und um Vertrauen zu schaffen. Weil wir, die Mieter und die Mitarbeiter der privaten Wohnungsbaugesellschaft, die jüngst unseren Wohnblock aufgekauft hatte, ja eigentlich eine große Familie sind, die die Probleme der Zukunft gemeinsam bewältigen muss.

Eigentlich begann das Fest auch recht beschaulich. Grillfleisch, so viel Mutter in dem eigens in der Handtasche mitgeführten Frischhaltebeutel mitführen kann, Bier, bis Vater besinnungslos zu Boden fällt, und Speiseeis, bis Sohnemann kotzen muss. Natürlich alles gratis!

Freilich, anfänglich herrschte auf Seiten der Mieter noch eine gewisse Zurückhaltung. Doch als die Dame auch nach dem dritten Bier noch freundlich lächelnd nachschenkte und auch mit jedem Glas besser aussah, kehrte man bald gerne zu dem provisorischen Tresen zurück. Auch wenn der Weg dabei jedes Mal an jenem lästigen Kerl im Nadelstreifenanzug vorbei-führte, der einem mit penetranter Freundlichkeit gerne nochmals erklärte, welche Vorzüge es hätte, sich seine ewig feuchte Mietwohnung zum Eigentum zu machen.

Natürlich sprach sich das Gratis-Eis unter den Kindern im Umkreis von fünf Kilometern ebenso schnell herum wie das Freibier unter den Hobby-Trinkern. Während letztere heiter schunkelnd mit deutschen Schlagern vokalistisch gegen den modernen Jazz der eigens angemieteten Band ankämpften, kämpften mittlerweile Dutzende von Hunden kläffend um das überall am Boden herumliegende Grillfleisch. Selbstverständlich fühlte sich der alte griesgrämige Kauz aus dem Sechsten durch die „Negermusik“ gestört, was er auch mehrmals lauthals vom Balkon herunter kundtat, nicht ohne die mahnende Bemerkung, dass so etwas unter Hitler nicht denkbar gewesen wäre.

Da nun auch schon die ersten Schweinenackensteaks Richtung Bühne flogen, weil sich die Band beharrlich weigerte, das Bedürfnis nach deutscher Schlagermusik zu befriedigen, zogen sich die Musiker freiwillig zurück, um das Mikrofon für die ersten heimlichen Gesangstalente freizugeben, was zwar nicht unbedingt zur Verbesserung der Geräuschkulisse beitrug, aber wenigstens das Gejammer des Mannes im Nadelstreifenanzug übertönte, der in der Nähe des Bierstands von dem Rocker aus dem dritten Stock mittels eines Fausthiebs zu Boden gestreckt worden war, weil der das vorangegangene "Jetzt quatsch mich doch nicht ständig mit deinen Eigentumswohnungen voll!" nicht als schlagendes Argument gelten lassen wollte.

So kam die Polizei, die eigentlich einer anonymen Anzeige wegen Ruhestörung nachgehen wollte, auch recht gelegen, um die mittlerweile doch recht aufgebrachte Menschenmenge aufzulösen.

Zeit also, sich noch ein paar Plastikstühle, Biergläser und Teile der teuren Musikanlage unter den Arm zu klemmen, um damit im allgemein herrschenden Chaos das Weite zu suchen.

Aber da wir ja eine große Familie sind, werden wir uns zweifellos irgendwie zusammenraufen und die Kosten für das Volksfest auf unserem Hinterhof gemeinsam über die anstehende Mieterhöhung tragen.