Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 299   August 2003

Was ist eigentlich mit den ehemalig bezirkseigenen Häusern?

Barbara Oesterheld

Das Land Berlin besaß neben den Wohnungsbaugesellschaften bis Anfang der 1990er Jahre noch eigene Häuser, die von den Bezirken verwaltet wurden. Da die Bezirke keine Sanierungsförderung des Landes beantragen und erhalten konnten, wurden die Häuser den städtischen Wohnungsbaugesellschaften übertragen. Die Übertragung war an Auflagen gebunden: die Bezirke hatten Belegungsrechte für die Wohnungen; vor dem Verkauf musste der Bezirk informiert werden und die Zustimmung erteilen. Zudem sollten die verbleibenden Wohnungen alle innerhalb von zehn Jahren saniert werden.

Nun sind die zehn Jahre vergangen, aber der größte Teil der Häuser wurde nicht saniert. Im Gegenteil musste die Bauaufsicht zum Teil dafür sorgen, dass die Wohnungen weiterhin bewohnbar gehalten wurden. Dann ließ sich der Senat von den Gesellschaften in "Paketlösungen" die Ansprüche abkaufen, indem er von den Gesellschaften 75% des Verkehrswerts verlangte, während die Gesellschaften, die zwar über zehn Jahre und länger die Miete kassiert hatten, 25% des Verkehrswerts behalten sollten. Da aber bei den Paketlösungen die Gesellschaften die Kaufsumme vorfinanzieren mussten, bis sie die Häuser endgültig verkaufen konnten, war ihnen diese Lösung zu kostspielig. Nun hat der Senat beschlossen auch einzelne Häuser - wenn ein Käufer vorhanden - von den Gesellschaften verkaufen zu lassen und erst bei Zahlung des Kaufpreises durch den Investor 75% der Summe zu verlangen. Die Belegungsrechte der Bezirke müssen in anderen Häusern nachgewiesen werden.

Anstatt bei dieser Gelegenheit endlich einmal festzuschreiben, dass die Gesellschaften verpflichtet sind nachzuweisen, dass sie den Mieterinnen und Mietern ihre Wohnungen oder ihr Haus zum Kauf angeboten haben und diese kein Kaufinteresse zeigten, wurde auch hier wieder auf das allgemeine "8 Punkte Programm" des Senats mit den Grundsätzen der Wohnraumprivatisierung verwiesen. Dieses Programm verlangt u.a. von den Gesellschaften, dass bei Verkauf eines Hauses die MieterInnen zuerst gefragt werden müssen und ihnen auch ausreichend Zeit gelassen werden soll, um eine Finanzierung auf die Beine zu stellen. Die Realität sieht aber ganz anders aus. Wie nicht nur das Beispiel der Lentzesiedlung, deren BewohnerInnen die Siedlung als Genossenschaft erwerben wollten, sondern auch der Kulmerstraße 15 zeigt.

Ebenso wie die Lentzesiedlung handelt es sich auch bei der Kulmerstraße 15 um eine ehemalige bezirkseigene Immobilie, die in einer "Paketlösung" bereits abgelöst wurde. Die BewohnerInnen der Kulmerstraße 15 erfuhren von den Verkaufsabsichten, als der Investor die Wohnungen besichtigen wollte. Daraufhin organisierten sie im April dieses Jahres sofort einen Termin bei der DEGEWO bzw. deren Verkaufsfirma, um das Interesse an dem Erwerb des Hauses durch die MieterInnen mitzuteilen. Sie erhielten dann auch ein Kaufvertragsangebot und erbaten sich Zeit um sich mit allen Bewohnern abzusprechen und die Finanzierung über eine Bank zu organisieren. Allerdings sah sich die Gesellschaft nicht in der Pflicht auf die MieterInnen zu warten und bereits im Mai verkaufte sie das Haus an den wohl vorher schon interessierten Investor.

Mit blumigen Worten schwärmen viele Politiker von der Bedeutung des Wohneigentumserwerbs für MieterInnen. Wenn sie aber wirklich ihre Häuser kaufen wollen, haben sie kaum eine Chance. 

Barbara Oesterheld wurde 1951 in Kreuzberg geboren. Nach Soziologiestudium waren ihre Berufstätigkeiten: Erzieherin im Kinderladen und in der Jugendarbeit, Sozialarbeit in der Behindertenfürsorge, Taxifahrerin, Programmiererin und zuletzt Mieterberaterin und Sozialplanerin. Seit 1995 ist sie Mitglied des Abgeordnetenhauses: Sie ist bau- und wohnungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.