Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 299   August 2003

"Her mit dem Lohn"

Erfolgreicher Protest gegen die Wohnungsbaugesellschaft Mitte

Hermann Werle

"Einkaufen und Bummeln, seine Freizeit verbringen und Ausgehen, Kommunikation und Konsum - alles das wird wieder seine Adresse im Herzen Berlins haben: Die Rathauspassagen." Mit dieser blumigen Vision wirbt die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) im Internet für eines ihrer größten Bauprojekte in Berlins Mitte, gleich um die Ecke vom Roten Rathaus. Für einen Teil der Arbeiter auf der Baustelle der Rathauspassagen werden Einkaufen und Konsum in der entstehenden Einkaufszeile ein Traum bleiben müssen. Denn was die Gesellschaft, die zu 100% im Besitz des Lands Berlin ist, tunlichst verschweigt, sind die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle. Für die Entkernungs- und Abrissarbeiten beauftragte die WBM die CPM-Baugesellschaft, die wiederum ein Subunternehmen, die AK-ER Hochbau GmbH für die Knochenarbeiten einsetzte.

Weit unter Tariflohn, für 6,25 Euro die Stunde, heuerte die AK-ER im August 2002 mehr als 20 Arbeiter afrikanischer Herkunft an. Zwei Monate wurde harte Arbeit verrichtet, am Ende aber nicht bezahlt. Unterstützt von der Antirassistischen Initiative (ARI), der Brandenburger Flüchtlingsinitiative (BFI) und der Gruppe Elexira wurden die Unternehmen zunächst schriftlich zur Auszahlung der Löhne aufgefordert. Als das nichts nutzte, folgte der Schritt an die Öffentlichkeit, "denn dieser Fall ist kein Einzelfall", wie es in der Presseerklärung der Unterstützungsgruppen heißt. Mit einer Demonstration gegen den Lohnbetrug, die von der Baustelle an der Rathauspassage zum Sitz der WBM in der Dircksenstraße führte, wurde Mitte Juni der Druck erfolgreich erhöht. In Redebeiträgen wurde wiederholt auf das Recht auf Arbeit unabhängig vom Aufenthaltsstatus und auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit verwiesen und die Solidarität der Kolleginnen und Kollegen eingefordert. "Denn nicht Razzien und permanenter Druck auf migrantische ArbeiterInnen sichern bessere Arbeitsverhältnisse für (deutsche) KollegInnen, sondern Mindeststandards für alle ArbeiterInnen." Die Grußadresse eines Betriebsratsvorsitzenden der IG-BAU aus Hamburg unterstützte diese Forderungen und weckte die Hoffnung, dass zukünftig mit einer breiteren gewerkschaftlichen Unterstützung zu rechnen sein könnte: "Ich bin mir schmerzlich bewusst darüber, dass meine Gewerkschaft (IG-BAU) - trotz heftiger Auseinandersetzungen - immer noch mehrheitlich die Politik der Baustellenrazzien vertritt. Allerdings gewinnen in jüngster Zeit kritische GewerkschafterInnen mehr und mehr Gehör in dieser Sache. Ich wünsche euch und den afrikanischen Kollegen viel Glück im Kampf um die geraubten Löhne."

Mit der WBM, die angesichts der öffentlichen Aufmerksamkeit ihr Bedauern zum Ausdruck brachte, kam es zu einer Einigung, in der sich die Wohnungsgesellschaft verpflichtete, die Auszahlung der Lohnsumme in Höhe von 13.500 Euro durch ihre Subunternehmen in den nächsten zehn Tagen sicherzustellen. Die Flüchtlingsinitiative, die inzwischen den Eingang der Lohnzahlung bestätigen konnte, bewertet diesen Erfolg in zweierlei Hinsicht positiv: "Erstens übernimmt die WBM als Generalübernehmer der Baustelle die politische Verantwortung für die Arbeitsbedingungen auf dieser Baustelle. Zweitens wurde in einer Klausel festgehalten, dass sich die WBM auch in weiteren Fällen, wenn diese bekannt und dokumentiert werden können, um die Durchsetzung der Lohnansprüche bemühen wird. Der Erfolg erstreckt sich damit nicht nur auf die 19 Arbeiter, die es bisher gewagt hatten, mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen, sondern auch auf weitere uns bekannte Arbeiter."