Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 298   Juli 2003

Recht und Rechtsprechung

Der Abschluss eines auf ein Jahr befristeten Mietvertrags durch den Zwangsverwalter erfolgt regelmäßig nicht zum "nur vorübergehenden Gebrauch" im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Die "Verlängerung" eines solchen befristeten Mietvertrags stellt regelmäßig den Abschluss eines neuen Mietvertrags auf der Grundlage des bisherigen Mietvertrags dar. Erfolgt eine solche "Verlängerung" nach der Änderung der mietrechtlichen Vorschriften zum 01.09.2001, ist die erneute Befristung nur unter den (strengen) Voraussetzungen des § 575 BGB zulässig.
Amtsgericht Neukölln, Urteil vom 05.05.2003 - 10 C 51/03 -
(noch nicht rechtskräftig)

Die Mieter schlossen am 22.09.1999 mit Wirkung zum 01.11.1999 mit dem Zwangsverwalter einen auf ein Jahr befristeten Mietvertrag. Im September 2000 vereinbarten die Mieter mit dem Zwangsverwalter die Durchführung von Mietermaßnahmen. In der Modernisierungsvereinbarung stimmte der Vermieter (der Zwangsverwalter) dem Einbau einer Gasetagenheizung durch die Mieter zu. Ebenso verzichtete er für die Dauer von zehn Jahren auf die Ausübung des Kündigungsrechts gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB (wegen Eigenbedarfs und Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung). Nach Ablauf der ersten Befristung wurde der Vertrag um ein weiteres Jahr zum 31.10.2001 verlängert. Mit Schreiben vom 15.10.2001 teilte der Zwangsverwalter den Mietern mit, dass er "wunschgemäß" die Verlängerung des Mietvertrags um ein weiteres Jahr bis zum 31.10.2002 bestätige. Das Zwangsverwaltungsgesetz erlaube es ihm nicht, den Mietvertrag in einen unbefristeten Mietvertrag umzuwandeln.

Am 23.10.2002 wurde die Wohnung zwangsversteigert. Der neue Vermieter (Ersteigerer) vertrat die Ansicht, das Mietverhältnis sei durch Ablauf der Befristung am 31.10.2002 beendet gewesen und verlangte (zugleich mit einer erneuten Kündigung) die Herausgabe der Wohnung. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es wies (entgegen den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung) in seinem Urteil zunächst darauf hin, dass die Wohnung auf Grund des zwischen den Mietern und dem Zwangsverwalter geschlossenen Mietvertrags nicht nur "zum vorübergehenden Gebrauch" im Sinne des § 549 Absatz 2 Ziffer 1 BGB überlassen worden sei. Nur in diesem Fall würden die wohnungsrechtlichen Schutzvorschriften keine Anwendung finden. Ein vorübergehender Gebrauch sei jedoch nur dann anzunehmen, wenn die Vermietung von vornherein nur für eine kurze, absehbare Zeit erfolge. Daran fehle es, wenn - wie hier - bei Abschluss des Ursprungsmietvertrags die Dauer der Zwangsverwaltung nicht absehbar sei. Im Übrigen ergebe sich auch aus dem Abschluss mehrerer Kettenmietverträge, dass es sich nicht nur um eine vorübergehende Überlassung der Wohnung gehandelt habe.

Da die Vorschriften zum Schutz von Wohnraummietern somit Anwendung fanden, endete das streitgegenständliche Mietverhältnis nicht mit Ablauf des 31.10.2002. Das Amtsgericht wies darauf hin, dass die "Verlängerung" des Mietvertrags mit Schreiben des Zwangsverwalters vom 15.10.2001 rechtlich gesehen den "Neuabschluss" eines Mietvertrags auf der Grundlage der bisherigen vertraglichen Vereinbarungen darstelle. Das Gericht ließ es offen, ob bei Abschluss eines befristeten Mietvertrags mit Verlängerungsklausel oder mit Optionsrecht die "Verlängerung" stets als Neuabschluss des Mietvertrags anzusehen sei. Im vorliegenden Fall war weder ein Optionsrecht noch eine Verlängerungsklausel in den Vertrag aufgenommen worden. Das Gericht stellte in seiner Urteilsbegründung fest, dass die Vertragsparteien sogar ausdrücklich die stillschweigende Verlängerung gemäß § 568 BGB (alte Fassung) ausgeschlossen hatten.

Auf das danach am 15.10.2001 (Verlängerung durch den Zwangsverwalter) neu zu Stande gekommene Mietverhältnis war nach Ansicht des Amtsgerichts nunmehr § 575 BGB in der ab dem 01.09.2001 geltenden Fassung anzuwenden. Diese Vorschrift lässt jedoch den Abschluss eines befristeten Mietvertrags nur unter den dort genannten besonderen Voraussetzungen zu, die darüber hinaus im Mietvertrag schriftlich mitgeteilt werden müssen. Der (neue) Vermieter konnte auch nicht mit dem Argument durchdringen, dass gemäß Art. 229 § 3 Abs. 3 EGBGB die Vorschrift des § 564 c BGB (alte Fassung) für bestehende Verträge auf unbestimmte Zeit weiter gelte. Der vorliegende Fall sei hier bereits deshalb nicht erfasst, weil es sich um den Abschluss mehrerer aufeinander folgender befristeter Mietverträge gehandelt habe, wobei der letzte Vertragsschluss nach dem maßgeblichen Zeitpunkt (Stichtag 01.09.2001) erfolgt sei.

Der Vermieter konnte sich auch nicht erfolgreich auf § 6 Abs. 2 der Zwangsverwalterverordnung berufen. In dieser Verordnung wird der Zwangsverwalter verpflichtet, ohne Zustimmung des Gerichts keine Mietverträge mit einer Dauer von mehr als einem Jahr abzuschließen. Das Gericht wies zutreffend darauf hin, dass dem Zwangsverwalter der Abschluss unbefristeter Verträge nicht etwa gesetzlich verboten sei, sondern er bei Abweichungen von den Bestimmungen des

§ 6 Absatz 2 der Zwangsverwalterverordnung lediglich verpflichtet sei, eine Entscheidung des Gerichts einzuholen.

Da ein Kündigungsgrund für den (neuen) Vermieter nicht vorgelegen habe, konnte auch die im Schreiben vom 26.11.2002 ausgesprochene Kündigung das Mietverhältnis nicht beenden.

Gegen eine Beendigung des Mietverhältnisses sprach nach Ansicht des Amtsgerichts auch die am 27.11.2002 vom neuen Vermieter erklärte Mieterhöhung. Dieser Mieterhöhung hatten die Mieter teilweise zugestimmt. Der Vermieter hatte der nur teilweisen Zustimmung nicht widersprochen und die (teilweise) erhöhte Miete widerspruchslos entgegengenommen. Das Amtsgericht wies darauf hin, dass diese einvernehmliche Mieterhöhung auf Grund ihres rechtsgeschäftlichen Charakters eine Novation des Mietverhältnisses darstelle, weil hierdurch beide Mietvertragspartner zu erkennen gegeben haben, dass sie den Fortbestand des Mietverhältnisses wünschen. Auch aus diesem Grund sei das vorangegangene Herausgabeverlangen des Vermieters gegenstandslos geworden.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Arne Stocker