Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 298   Juli 2003

Buchrezension

Der Berliner Bankenskandal als Krimi

Christoph Villinger

Was ist schon ein Bankraub gegen die Gründung einer Bank? So abgedroschen dieses Zitat von Bertolt Brecht auch ist, so stockt einem doch der Atem, wenn es aufs Neue konkret durchbuchstabiert wird. Besonders, wenn man als BerlinerIn vier Euro Eintritt ins Freibad bezahlt, während 70.000 Fonds-Eigner ihre versprochenen Renditen genießen dürfen. Mit einer Risikoabschirmung von 21,6 Mrd. Euro verhindert die Stadt Berlin die Pleite der Bankgesellschaft Berlin und ist deshalb selbst pleite.

Den Aufstieg und Fall dieses Bankenkonsortiums beschreibt der aus den USA stammende Mathew D. Rose akribisch recherchiert und detailreich als einen spannenden und "echten" Krimi. Er selbst sieht sich in der angelsächsischen Tradition der investigativen Recherche, "eine Mischung aus Journalismus, Chronik und subjektiver Wahrnehmung - keine verlogene ,deutsche Objektivität’". Großartige neue und unbekannte Skandale enthält das 232 Seiten dicke Buch nicht. Aber Rose gelingt es, die zehnjährige Geschichte der Ausplünderung der Stadtkassen linear und zusammenfassend zu erzählen. In atmosphärisch dichten Szenen schildert er, wie sich Anfang der 1990er Jahre die "ehrenwerte Gesellschaft" von SPD und CDU in Berlin nach dem Fall der Mauer und dem Verlust der Subventionen aus Westdeutschland neu zusammenfand. Gemeinsam versuchten sie, aus drei kleinen Berliner Regionalbanken einen "Global Player" zu machen. Im Schatten des Regierungsumzugs hoffte "die Berliner Oligarchie" auf den Aufstieg Berlins zur Weltmetropole. Warnende Stimmen und Kritiker machte man mundtot. Doch da das Berliner Großbürgertum das kapitalistische Risiko nicht so richtig liebte, zwang man die Berliner Sparkasse mit ins Boot. Falls die großen Pläne platzen würden, sollte die öffentliche Hand mit Netz und doppelten Boden bereitstehen. Die literarische Krimifigur des einsam ermittelnden Detektivs füllt Rose selbst aus. "In dieser Formation, ein kleiner Verlag und sein Autor, ziehen wir wie David ins Feld, um nicht nur einen, sondern gleich mehrere Goliaths herauszufordern." Nebenbei erzählt Rose nämlich die Geschichte seiner Recherche. Ende 2000 recherchierte der seit Jahren für den "Spiegel" und die ARD-Magazine "Kontraste" und "Monitor" tätige Journalist zu einen letztlich völlig nebensächlichem Betrug bei Heizkostenabrechnungen in Plattenbausiedlungen. Dort fand er den Faden, der ihn zu der an sich lächerlichen 40.000 DM-Spende der Aubis-Manager an den Patriarchen der Berliner CDU, Klaus Landowsky, führte. Am Abend des 01.03.2001 fand dazu der Show-down im Schneidesaal des SFB statt. Mit allen Mitteln versuchte die Fernsehdirektorin Barbara Groth, die Ausstrahlung eines "Kontraste"-Beitrags zur Bankgesellschaft zu verhindern. Doch Landowsky war schon angezählt und schließlich "ging der Beitrag wie geplant auf Sendung". Nach immer neuen Enthüllungen, auch von anderen Journalisten, entstand am Ende der größte Bankenskandal in der Geschichte der Bundesrepublik und die rot-schwarze Berliner Landesregierung stürzte.

Eine besondere Stärke von Roses Buch ist, die einzelnen Täter, ihre konkreten Entscheidungen und ihre strafrechtliche Verantwortung zu benennen: Wer hat wo und wann was gemacht beziehungsweise nicht gemacht. Spätestens seit 1997 waren den führenden Bankmanagern die Risiken bekannt, zu viele warnende Gutachten hatten sie bereits unter den Tisch fallen lassen. Doch niemand wollte das Spiel stoppen. Stattdessen frisierten die Bankmanager weiter die Bilanzen und legten immer neue Immobilienfonds zu wahnwitzigen Konditionen auf, um die aktuellen finanziellen Löcher zu stopfen. Bis Anfang 2001 alles zusammenbrach.

Die Betonung auf die handelnden Täter ist jedoch gleichzeitig auch eine Schwäche des Buchs. Denn Rose tut so, als hätte man nur ein paar Ganoven besser kontrollieren und ihnen frühzeitig das Handwerk legen müssen, und schon wäre alles anders gekommen. Als hätte es in den 1970er Jahren in der Stadt keinen SPD-Filz gegeben, sondern nur zum Beispiel den Garski-Skandal. So fordert seine Kritik einerseits moralisch ein, sich an die Spielregeln des Kapitalismus zu halten und wird damit andererseits anschlussfähig an die Kritik der sich gerne als "neue Elite in der Stadt" darstellenden Manager um Daimler-Crysler. Diese beklagen auch, dass "die Westberliner nicht wirtschaften können und in einem eigenen Realsozialismus leben".

Dagegen betont der Stadtsoziologe Sergij Goryanoff in einem Thesenpapier für die Berliner Grünen, dass Berlin, das nach der Steuerkraftquote von den 82 Städten über 100.000 Einwohner an 72. Stelle rangiert, angesichts des globalisierten Kapitalismus kaum eine andere Chance hatte zu Geld zu kommen. "Die politischen und wirtschaftlichen Funktionseliten können in solchen Regionen mit schwacher Wertschöpfung, geringer Arbeitsproduktivität sowie erheblichen strukturellen Problemen nur dann große Geschäfte anschieben, wenn die unterentwickelte Region als Kapitalsammelstelle von spekulativem Anlagekapital fungiert." So ist der Berliner Immobilienkomplex und die Bankenkrise lediglich Ausdruck dieser Schwäche, aber nicht die Ursache. Trotzdem ist es richtig, immer wieder wie Rose zu benennen, wer am Ende 150.000 Euro Pension pro Jahr erhält und wer vier Euro Eintritt ins Schwimmbad bezahlt. So gilt das über 500 Jahre alte Zitat des Humanisten Erasmus von Rotterdam wohl weiterhin: "Stiehlt einer ein Geldstück, dann hängt man ihn. Wer öffentliche Gelder unterschlägt, wer durch Monopole, Wucher und tausenderlei Machenschaften und Betrügerein noch so viel zusammenstiehlt, wird unter die vornehmen Leute gerechnet."

Mathew D. Rose: Eine ehrenwerte Gesellschaft, Die Berliner Bankgesellschaft, Transit-Verlag, 16,80 Euro.

Da auf Antrag des früheren Chefs der Immobilientochter der Berliner Bankgesellschaft (IBAG), Manfred Schoeps, das Landgericht Nürnberg zunächst die weitere Auslieferung untersagt hatte, ist das Buch derzeit nur mit geschwärzten Stellen erhältlich. Am 08.07.2003 findet die Gerichtsverhandlung statt, in welcher über den Inhalt der kommenden Auflagen geurteilt werden soll.