MieterEcho
Nr. 297   Mai 2003

Bevor es den Mieterladen gab
Geschichte(n) von der Kreutzigerstraße 23
Heike Weingarten


Wir hatten neulich Besuch von Wolfgang Ursell aus München. Der Herr stellte sich vor und wollte das Haus besichtigen. Da wollten wir natürlich mehr über die Motivation eines Münchners wissen, der sich für ein Genossenschaftshaus interessierte.

Herr Ursell wurde 1935 in der Kreutzigerstraße 23 in Friedrichshain geboren und lebte dort 60 Jahre. 1995 siedelte er nach Bayern um. Er erzählte uns von den „Weltlichtspielen“, einem Kino an der Straßenecke zur Boxhagener Straße und dass sich auf dem heute brachliegenden Freigrundstück schräg gegenüber ein Kuhstall befand. Außerdem konnte er sich daran erinnern, dass ihm in Kindertagen etwas ein mulmiges Gefühl verursacht hat. Auf dem direkt angrenzenden Friedhof wurde Tag und Nacht ein Grab bewacht. Es waren bewaffnete Leute in Uniformen. Wer sie waren und wessen Grab sie bewachten, war ihm nicht bekannt, aber dieses beklemmende ständige Gefühl würde er nie vergessen.
Da wo heute der Mieterladen die Räume nutzt, war früher eine Elektrofirma und gleich gegenüber im Flur ein Seifenladen, von einem Roll-stuhlfahrer betrieben. Auf dem Hof gab es einen riesigen Bombentrichter, der sich mit Wasser füllte und gelegentlich als „Swimmingpool“ diente. Später wurde er zugeschüttet.
Er erzählte auch, dass sich Anfang der 90er Jahre, vermutlich ein Herr Kroll, ein Mieter im Haus für die Geschichte des Hauses interessierte und eine Chronik schreiben wollte. Daraus ist aber scheinbar nichts geworden und einen Herrn Kroll gibt es nicht im Haus. Über die Kreutzigerstraße hatten wir bereits vieles erfahren und einiges wie das Fuhrunternehmen Pohl gleich nebenan – heute abgerissen und Sozialbau – konnten wir selbst noch erleben. Für uns war interessant zu hören, was sich vormals direkt in unseren Räumen befand. Außerdem haben wir uns sehr gefreut, einen Menschen kennen lernen zu dürfen, der fast sein ganzes Leben hier verbracht und hier gerne gewohnt hatte. Als er uns besuchte, erzählte er auch, dass er versuchen will, in der Nähe eine Wohnung zu bekommen. Er möchte wieder in den Friedrichshain, in diese Gegend.

UBI KliZ e.V./Mieterladen veranstaltet jeden letzten Freitag (ab 19 Uhr) im Monat Vernissagen und möchte Sie herzlich einladen:

30.05.2003 Anne Nadja Kaiser: Lebenswege – Horizonte aus 1999, Fotos

27.06.2003 Manfred Bofinger: Karikaturen und Lesung aus „Der krumme Löffel“ und „Ein dicker Hund“ (Wir danken dem Aufbau-Verlag und der Buchhandlung Lesen und lesen lassen), Musik: Sirko Steinhäuser

28.11.2003 Besetzte Häuser in Friedrichshain: Projekte, Fotos, Berichte, Filme

UBI KLiZ e.V./Mieterladen
Unabhängige BürgerInitiative/Kommunikatives Leben in Zusammenarbeit e.V.
Kreutzigerstraße 23, 10247 Berlin
Tel./Fax: 030 – 29 77 09 11
www.ubi-mieterladen.de


 

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