Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 297   Mai 2003

"Colonia Corrupta"

Buch von Werner Rügemer

Hermann Werle

Nicht nur Berlin ist von dichtem Filz durchzogen. Werner Rügemer, Philosoph und Publizist, vermittelt mit seinem Buch "Colonia Corrupta" einen Blick hinter die Kulissen des Kölner Establishments.

Wie von der "Berliner Luft" wissen die Berliner und Berlinerinnen auch so manches Lied von der heimischen Kungelwirtschaft zu singen. Ob Berlin allerdings auch die Hauptstadt der Korruption ist, könnte bei der Betrachtung der Kölner Zustände durchaus in Frage gestellt sein. Doch Rügemer geht es keineswegs darum, die Führungsrolle Berlins in Sachen undurchsichtiger Geschäfte anzufechten, sondern vielmehr am Beispiel der Domstadt den Netzwerkcharakter aufzuzeigen, der eben nicht nur in Köln oder Berlin, sondern in vielen Kommunen quer durch die Bundesrepublik Politik bestimmend geworden ist.

Viele Artikel des Autors, die bislang lediglich in kleineren Zeitungen erschienen waren, werden in dem Buch in aktualisierter Form zusammengefasst. Der Stich in das korrupte Nest war offensichtlich spürbar. Von der Öffentlichkeit zwar kaum wahrgenommen, fühlten sich einige doch soweit entblößt, dass sie Rügemer mit Klagen überzogen.

Nachdem sich über ein Jahr lang kein Verlag finden ließ, der sich den Texten hatte widmen wollen, verhilft nun dankenswerterweise der Verlag "Westfälisches Dampfboot" einem breiteren Publikum zu neuen Einsichten. Wenngleich diese Erkenntnisse gar nicht so neu sind, wie die zwei letzten Kapitel des Buches anhand von Fällen aus den 20er Jahren und der NS-Zeit belegen. Die Selbstbedienungsmentalität ist keineswegs eine Erscheinung erst seit der Kohl-Ära und "freies Wohnen" zum Beispiel ist kein Privileg der derzeit regierenden Stadtfürsten. Schon in den 20er Jahren "erhielt der kaltschnäuzige Gehaltsjäger zu seinem Grundgehalt von 36.000 Mark jährlich 5250 Mark Orts- und Kinderzuschläge, 10.000 Mark Aufwandsentschädigung und noch sage und schreibe 43.000 Mark "Wohngeld". Die Rede ist von dem damaligen Oberbürgermeister von Köln, Konrad Adenauer. "Schwarze Kassen" und "Insidergeschäfte" gehörten zu Adenauers Bereicherungsaktivitäten, die selbstredend auf Kosten der Bevölkerung gingen. Kamen Details der dubiosen Geschäfte an die Öffentlichkeit, saß man es auch damals schon aus oder es wurden andere beschuldigt. "Wie sein politischer Enkel Helmut Kohl stellte Adenauer sich als Opfer dar, er spielte die verkörperte Unschuld." Auch diverse Bankhäuser hatten damals wie heute eine zentrale Rolle bei der Vermittlung von Geschäften oder der Geldwäsche. Die Kölner Traditionsbank Oppenheim ist nur ein Beispiel, welches Rügemer anführt. Adenauer verfügte ebenso über enge Kontakte zur Führung dieser Bank, wie der langjährige Kölner SPD-Oberstadtdirektor Ruschmeier. Dieser war in den 90er Jahren das entscheidende Bindeglied zwischen dem nordrhein-westfälischen SPD-Klüngel, der Bauwirtschaft, den Kapitalbeschaffern und den Medien. Ohne diese Vernetzung wären millionenschwere Bauvorhaben wie die völlig überdimensionierte Müllverbrennungsanlage oder die "Köln-Arena" (angepriesen als "modernster Sport- und Show-Palast Europas") nicht möglich gewesen. Rügemer beleuchtet minutiös die Hintergründe der Verstrickungen, verdeckter Subventionen und der diversen Posten in Vorständen und Aufsichtsräten des sozialdemokratischen Spitzenmanns, der sich der Rückendeckung sowohl des Regierungspräsidenten Franz-Josef Antwerpes als auch seines Parteifreunds Wolfgang Clement sicher sein konnte.

Die Versuche von Bürgerinitiativen, unsinnige Bauvorhaben zu stoppen und ein wenig Licht in die abgedunkelten Chefetagen fallen zu lassen, scheiterten nicht zuletzt an der Machtposition des "Medienmonopols Dumont", dem ein extra Kapitel des Buches gewidmet ist. Die "Hofschranzen" der auflagenstärksten Zeitungen der Stadt bemühten sich mehr als zehn Jahre lang, die Bevölkerung mit Nebelkerzen auf Nebenschauplätze zu leiten und die Hauptakteure der organisierten Kriminalität zu verschonen.

Erst im Jahr 2002 wurden die Praktiken des Kölner Filzes als der "größte Spendenskandal der SPD" gewürdigt. Die Schäfchen waren zu diesem Zeitpunkt jedoch längst in trockenen Ställen untergebracht. In einem dieser Ställe darf sich Lothar Ruschmeier seit 1998 über neue wohldotierte Führungsposten erfreuen. Die Oppenheim Bank, über die auch im MieterEcho mehrfach berichtet wurde, da sie den Gehag-Verkauf "erfolgreich" managte und auch den Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GSW in die Wege leitete, hat sich unter anderem auf die Privatisierung kommunaler Versorgungseinrichtungen spezialisiert und agiert – ähnlich wie die Bankgesellschaft in Berlin – mit geschlossenen, gewinngarantierenden Immobilienfonds. Auch der Verkauf der Kölner Wohnungsbaugesellschaft GAG-Immobilien geriet unter die Fittiche des Oppenheim-Instituts. "So darf sich also die ‚renommierte‘ Privatbank gegen ein Honorar von mindestens 3 Mio. Euro den besten Käufer aussuchen", resümiert Rügemer in seinem Kapitel "Städtische Wohnungen als Renditeobjekt". Wie der GSW-Verkauf in Berlin, stellt sich auch der GAG-Verkauf in Köln bisher als sperriges Geschäft dar. Der Kölner Stadtrat stoppte im Januar den Verkauf seiner Beteiligung, wobei es auch zu diesem Anlass Bestechungsversuche gegeben hat, um das gegenteilige Ergebnis zu erzielen.

Der von Rügemer vorgelegte Blick über die Berliner Filzgrenzen hinweg ist vielleicht ein kleiner Trost nach dem Motto ‚nicht nur in Berlin herrscht Filz und Korruption’, aber darüber hinaus – und hier liegt die Stärke des Buchs – verdeutlicht er die Systematik der Plünderung von kommunalen und Landes-Kassen sowie das Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft, Justiz und Medien, den Netzwerken der Korruption. Rügemer plädiert in seinem Schlusswort an die "viel beschworene Zivilgesellschaft", die ihr Gestaltungsrecht einfordern und wahrnehmen müsse. Ohne Menschenrechtsbewegung, so Rügemer, sei der Kampf gegen die Korruption nicht möglich. Zudem sollten die Verantwortlichen zu Schadensersatz durch Vermögenseinziehung und Unternehmenshaftung verpflichtet werden.

"Wer die Korruption nicht bekämpft, soll von menschlicher Würde, Rechtsstaat und Demokratie schweigen."

Der Philosoph und Publizist Werner Rügemer, geboren 1941, lebt in Köln.
Er ist Mitglied von Transparency International (TI), Business Crime Control (BCC) und dem Deutschen Schriftstellerverband (VS).

Werner Rügemer:
"Colonia Corrupta - Globalisierung, Privatisierung und Korruption im Schatten des Kölner Klüngels";
Westfälisches Dampfboot, Münster 2002.
ISBN 3-89691-525-8; Preis: 15 Euro