Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 296   März 2003

Immobilienverwertungsbeilage

Tilo Stöhr verlangt mehr

AG Umwandlung

Es musste ja so kommen. Dem Hauseigentümer mit dem schweißfüßigen Humor und dem Laden mit billiger Unterhaltungselektronik, Tilo Stöhr, ist jetzt vom Gericht der Schlussakt eines Lehrstücks über Betriebskostenabrechnungen geliefert worden. Das Studium ist allen Mietern zu empfehlen, es hilft Geld zu sparen.

Begonnen hatte es vor zwei Jahren: "Es ist ein beliebtes Gesellschaftsspiel der Mieter, die Betriebskostenrechnungen anzugreifen. Aus zeitlichen Gründen werde ich ihren Fragenkatalog weder schriftlich noch mündlich beantworten", teilte der geschäftstüchtige Erwerber von Plattenbauten Tilo Stöhr seinen Mietern mit, die sich lediglich nach den Ursachen für die enormen Sprünge in ihren Betriebskostenabrechnungen erkundigen wollten. Für ihn Grund, sie kommunistischer Neigungen zu verdächtigen und ihnen die Auswanderung nach Kuba, wo man private Käufer von Wohnanlagen noch immer als unerwünschte Personen behandelt, zu empfehlen. Dem MieterEcho enthüllte er wiederholt seine Neigung zu mentalem Exhibitionismus, nannte die Berichterstattung "debile Artikel geistiger Mittelständler" und verkündete, dass die Mitgliedsbeiträge der Berliner MieterGemeinschaft "für Mieter weggeworfenes Geld" seien.

Irrtum. Ganz großer Irrtum. Für ihn ging es um eine Menge Geld, und er hat es auch zum größten Teil bekommen, nur eben nicht von den Mitgliedern der Berliner MieterGemeinschaft. Die Betriebskostenabrechnungen der Jahre 1999 und 2000 erinnerten in ihrem Realitätsgehalt an die Werbung des Herrn Stöhr, allerdings waren sie entschieden origineller. Allein für die Wartung der Heizungs- und Lüftungsanlage stellte er den Mietern 357.480 DM in Rechnung. Diesen Betrag teilte er – offenbar traute er sich doch nicht so ganz – in fünf Jahresraten von jeweils 35.425 DM für Heizung und 27.173 DM für Lüftung auf. Geduldig erklärte der Richter ihm, was viele Mitglieder der Berliner MieterGemeinschaft wissen: Betriebskosten können nur in dem Jahr umgelegt werden, in dem sie entstehen. Das kreative Aufteilen auf verschiedene Jahre ist lächerlich und lässt Zweifel an der Berechtigung der Umlage aufkommen.

Die von Herrn Stöhr erworbene Wohnanlage wurde 1974 gebaut, gehört also weder zum alten Eisen noch ist sie ganz neu. Sowohl Heizungs- als auch Lüftungsanlage stammen aus dieser Zeit und waren seither ununterbrochen in Betrieb. Die Kosten für "Wartung" der Lüftungsanlage sind für erstmalige Arbeiten seit dem Hausbau entstanden. Für das Gericht stellte es kein Problem dar anzuerkennen, dass es sich um Instandsetzungsarbeiten handele, da nach einem derart langen Zeitraum natürlich vorwiegend Mängel beseitigt werden müssen. Gleiches gilt für die Kosten der "Wartung" der Heizungsanlage. Auch hier wurden erstmalig nach 25 Jahren derartige Arbeiten ausgeführt. Es ist offenkundig, dass eine Heizungsanlage nach solch langer Zeit völlig verdreckt ist und einer grundlegenden Sanierung bedarf. Herr Stöhr hatte zwar eingewandt, dass es sich hier um regelmäßige Wartungskosten handele, musste jedoch zugeben, dass die streitgegenständlichen Wartungsarbeiten darin bestanden, die gesamte Heizungsanlage auszubauen, im Hof durchzuspülen und danach wieder einzubauen. Ganz sicher sind das Arbeiten, die nicht regelmäßig entstehen. Vielleicht – könnte man an dieser Stelle entschuldigend sagen – hat sich Herr Stöhr getäuscht. Schließlich war die Wohnanlage erst seit der Wende seinem Erwerbsstreben zugänglich und er konnte glauben, sie sei stets so "gewartet" worden.

Irrtum, wiederum ein Irrtum, wie man gleich erkennen kann. Herr Stöhr hat die Mieter ganz bewusst getäuscht. Für das Haus wurde vom Bezirksamt eine Ausnahmegenehmigung zur Befreiung von verbrauchabhängiger Erfassung der Heizkosten erteilt. Diese Befreiung galt bis zum 30.9.1999. Hintergrund war, dass die Heizanlage nicht die technischen Voraussetzungen für eine verbrauchsabhängige Erfassung erfüllte und der entsprechende Einbau mit enormen Kosten verbunden gewesen wäre.

Plötzlich, ohne dass irgendwelche Modernisierungsmaßnahmen angekündigt worden waren, hatten sich die technischen Gegebenheiten für die verbrauchsabhängige Erfassung im Sommer 1999 wunderbarerweise kurz vor dem Auslaufen der Sondergenehmigung wie von selbst eingestellt. Herr Stöhr jedenfalls konnte im ganzen Prozess keine plausible Erklärung dafür finden, aus welchem Grunde die Heizungsanlage justament eine verbrauchsabhängige Erfassung zuließ, während vorher ein Befreiungstatbestand gegeben war und Herr Stöhr nach seinen eigenen beschwörenden Darstellungen keinerlei zusätzliche Maßnahmen außer Wartungsarbeiten hatte ausführen lassen. Es muss sich um ein Wunder handeln oder um Täuschung.

Angesichts dessen wiegen die restlichen Verfehlungen in der Stöhrschen Betriebskostenabrechnung leicht. Für die Aufzugsanlage des Hauses besteht ein Vollwartungsvertrag. Wie bekannt, werden davon auch Instandsetzungsarbeiten erfasst, die keine Betriebskosten darstellen und folglich nicht auf die Mieter umlegbar sind. Trotz Aufforderung wurde ein entsprechender Abschlag (gemäß Rechtsprechung des LG Berlin 20 %, des LG Hamburg 35 %) nicht vorgenommen. Hieraus ergibt sich ein zu unrecht auf die Mieter umgelegter Gesamtbetrag von mindestens 6.419,18 DM pro Jahr.

Bei der Heizkostenabrechnung 1999 wurde entgegen der Vorschrift des § 12 der Heizkostenverordnung kein Abzug in Höhe von 15 % bei den Kosten für Warmwasser vorgenommen.

Und schließlich: Die beanstandeten Positionen tauchen – Herr Stöhr zeigt Traditionsbewusstsein – auch in der Abrechnung 2001 wieder auf, denn "Tilo Stöhr bietet mehr" ... an Betriebskosten!

AG Umwandlung