Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 296   März 2003

Viele Kompromisse verderben den Brei

Konzept für ein "International Solar Center" wurde zum "Energieforum" verwässert

Antje Grabenhorst

Im Frühjahr soll das "Energieforum Berlin im Zentrum Zukunftsenergien/ International Solar Center" vis-a-vis vom Ostbahnhof fertig werden. Hinter dem sperrigen Namen steckt die Geschichte vom langsamen Verdrängen der ursprünglichen Idee eines "International Solar Center" und seiner GründerInnen.

Berlin hat in punkto "erneuerbare Energien" eine lange Geschichte. Gerade die Sonnenenergie hat es vielen Forschern und Praktikern im kühlen Berlin angetan. Das Berliner Solaranlagen-Kataster zählt mittlerweile 2753 Anlagen.

Nach dem Mauerfall und der Hauptstadt-Entscheidung wollten die Sonnenfreunde Nägel mit Köpfen machen. Sie entwickelten das Konzept für ein internationales Solarzentrum. Nach außen sollte das Gebäude "die Nutzung der Sonnenenergie sowohl in aktiver als auch in passiver Weise vorbildhaft demonstrieren", schrieben sie. Drinnen wollten sie forschen, produzieren, ausbilden, beraten, tagen und internationale Wissenschafts- und Geschäftskontakte ausbauen. Kulturprojekte, ein solarer Spiel- und Erlebnispark und eine Mietstation für Solarmobile und Solarboote sollten Besucher locken und mit Solarenergie vertraut machen. Damit wollten sie das "Solarzeitalter" endgültig einläuten und klimaschädliche Energie-Technik so alt aussehen lassen wie sie ist. Ihnen war klar, dass ein solches Bauprojekt ein ausgeklügeltes teures Energiekonzept bräuchte. Die eingesparten Energiekosten sollten aber die hohen Anfangskosten später ausgleichen.

"International Solar Center" wird Teil des Koalitionsvertrags

1993 gründeten die Initiatoren den "International Solar Center Berlin e.V." 1994/95 konzentrierte sich ihre Standortsuche auf das ehemalige Gaswerksgelände zwischen Ostbahnhof und Spree in Berlin-Friedrichshain. Ihre Verhandlungen mit Politikern zeigten Erfolge. 1996 schrieben CDU und SPD die Errichtung des "International Solar Center" in ihre Koalitionsvereinbarung für den Berliner Senat. Der ehemalige saarländische Umweltminister und jetzige Europaparlamentarier Jo Leinen (SPD) wurde im Oktober 1996 Geschäftsführer der künftigen Betreibergesellschaft "Solar Center GmbH".

Mitglieder des "International Solar Center Berlin e.V." bereiteten den Förderantrag über 40 Mio. DM aus dem Fördertopf Gemeinschaftsaufbau Ost vor. Projektträger und Fördermittelverwalter wurde der Bezirk Friedrichshain mit seiner umstrittenen Baustadträtin Martina Albinus-Kloss (für die PDS).

Die Baufirma OPUS, Tochterfirma der damals finanzschwachen Baufirma Wayss & Freytag und der Architekt Helmut Jahn begannen mit der Planung. Wayss & Freytag strauchelte, damit waren im Herbst 1998 OPUS und Helmut Jahn draußen. Als neuer Projektentwickler erschien der ehemalige Berliner Schulsenator Walter Rasch (FDP) mit der ebenfalls finanzschwachen Baufirma Hanseatica. Da sein Bruder, Wolf Rasch, Geschäftsführer des "Forums für Zukunftsenergien e.V." ist, befürchteten Arno Paulus von "Solarpolis" - er bietet sonnenenergieangetriebene Schifffahrten an – und andere, dass dessen Einfluss das Gesamtkonzept verwässern könnte. Immerhin sitzen in diesem Verband das "Deutsche Atomforum" und der "Gesamtverband des Deutschen Brennstoff- und Mineralölhandels". 1999 half ein Ableger des New Yorker Bankenkonsortiums JP Morgan & Partners der Hanseatica mit viel Geld wieder auf die Beine. Europas öffentlich geförderte Bauprojekte gelten an der Wallstreet schließlich als sichere Anlage.

Eine Fragestunde im Abgeordnetenhaus

Nach den Berliner Abgeordnetenhaus-Wahlen 1999 versprachen CDU und SPD im neuen Koalitionsvertrag: "Wir wollen Berlin zur ‚Solarhauptstadt’ entwickeln, um einen Beitrag zur CO2-Minderung zu leisten und gleichzeitig zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen."

Trotzdem wollte Freke Over (PDS), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und Mitglied des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz, den Gerüchten um die Verflachung des ursprünglichen Konzepts nachgehen. Am 24. Februar 2000 stellte er dazu eine mündliche Anfrage an Berlins Senator für Stadtentwicklung. "Herr Strieder," fragte er "auf Ihrer Pressekonferenz im Januar (...) haben Sie u.a. angekündigt, dass ein internationales Solarzentrum in Berlin entstehen soll. Ist Ihnen bekannt, dass der Projektentwickler Hanseatica dieses auch schon zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht mehr in Erwägung gezogen hat, sondern ein ,Zentrum für Zukunftsenergien' anstrebt?"

Peter Strieder (SPD) bekannte, "dass der Investor Hanseatica das Solarzentrum unter dem Namen ‚Zentrum für Zukunftsenergien’ in der internen Planung hatte". Es bleibe aber dabei, "dass ein Solarzentrum gebaut" werde und dies "auch im Namen zum Ausdruck" komme. Freke Over äußerte auch Bedenken, die Hanseatica werde "dieses Zentrum für Zukunftsenergien errichten und dort 40 Mio. Fördermittel versenken (...), damit dann das Forum für Zukunftsenergien mit solch solventen Mitgliedern wie der RWE und Siemens dort einziehen kann" und fragte, ob Senator Strieder "das dann wirklich noch für ein internationales Solarzentrum" halte, "das regenerative Energien" fördere? Peter Strieder bezeichnete es als "Fortschritt, dass nicht 'Bastelbuden’ versuchen ein Solarzentrum auf die Beine zu stellen, sondern große Firmen wie RWE oder Siemens."

"Energieforum", der Trick mit der Internet-Adresse

Beim verregneten Baustart, am 15. Juni 2000, hatte das Projekt bereits einen Doppelnamen: "Zentrum für Zukunftsenergien/ International Solar Center". Die ursprünglichen Initiatoren vom "International Solar Center e.V." hatten bereits nichts mehr zu sagen. Auch die eigentliche Betreibergesellschaft, die "Solar Center GmbH" war von der "Hanseatica" ausgebootet worden. Nach der Feier erzählte der Hanseatica-Geschäftsführer Rasch, dass immer noch ein Investor gesucht würde. Seine Geschäftspartnerin, die Peabody Real Estate Partners L. P., Teil des Bankhauses JP Morgan & Partners bürge erst mal mit 20 Mio. DM.

Beim Richtfest am 17. 5. 2001 tauchte "Energieforum" als dritter Name auf und es regnete wieder. Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) sorgte mit einem subtilen Fehltritt für Gelächter. Er versuchte gegen Protokoll und Programm vor Umweltminister Trittin (B 90 / Die Grünen) ans Rednerpult zu kommen.

Sylvia Schultz, seinerzeit bei der Hanseatica zuständig für Projektmanagement und Marketing, bezeichnete die Diskussion um den Namen als "Glaubenskrieg unter den Sonnenkindern". Am liebsten wäre ihr der Name "Energieforum", der bezeichne auch die Internet-Adresse "www.energieforum-berlin.de". Sie wisse, "dass das ein Trick ist", aber er scheine "zu funktionieren".

Wer wird hier gefördert?

Zum Richtfest war schließlich ein Investor gefunden: die R+V-Versicherung, einst genossenschaftlich organisiert, nun eine Aktiengesellschaft. Von den 54 Mio. Euro Investitionssumme stammen 23 Mio. aus dem Fördertopf Gemeinschaftsaufbau Ost, einer Mischförderung von EU, Bund und Land Berlin. 31 Mio. Euro investierte die R+V-Beteiligungsgesellschaft als Eigentümerin. Somit sind zwei Drittel der 18.500 Quadratmeter öffentlich gefördert, entsprechend förderfähig müssen die Mieter sein. Die Bedingungen erfüllen Existenzgründer bzw. Betriebe mit maximal 250 Mitarbeitern.

Die Netto-Kalt-Miete pro Quadratmeter beträgt 10,27 Euro, hinzu kommen 2,60 Euro Betriebskosten sowie 30 Cent Heizkostenvorauszahlung und Mehrwertsteuer. Diese Konditionen gelten acht Jahre ab Einzug. Existenzgründer und ambitionierte "Bastelbuden" aus dem Bereich Sonnenenergie werden sich bei 15 Euro Warmmiete den Einzug kaum leisten, zumal es in Berlin billigere Flächen gibt.

Das "Forum für Zukunftsenergien" bezog schon 2001 das alte Pförtnerhaus. Als das MieterEcho dort nach dem "International Solar Center" fragte, erklärte Frau Rasch verwundert: "der Name sagt mir jetzt nix." Auch die Berliner Niederlassung der Panasonic Deutschland GmbH weiß nicht so recht, warum sie demnächst ihr Büro am Stralauer Platz aufschlagen. Sie hätten einfach neue Büroräume gesucht.

Für hausinterne Aufklärung sorgt vielleicht bald der Berlin-Brandenburger Landesverband der "Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie". Sie werden dort ihre Solarschule betreiben.

Im vierten Stock sitzt bereits die Rechtsanwaltskanzlei für Umweltfragen Gaßner, Groth, Siederer & Collegen, die am Berliner Energieeinspargesetz mitgewirkt haben. Weitere Mieter sind z.B. Dr. Valentin Energiesoftware und die Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft e.V.

Fossile Energie als Zukunftsenergie?

Mit Sonnen-Kollektoren, Photovoltaik, Energiepfählen und einer Abluft-Wärmepumpe spart das Gebäude über 70 % an Heizenergie ein. Unklar ist, wie die Bewag es geschafft hat, ausgerechnet diesen Gebäudekomplex als Abnehmer für fossil erzeugte Fernwärme zu akquirieren. Dr. Gotthard Schulte-Tigges von "Eurosolar Berlin-Brandenburg" meint dazu, ein Solarzentrum müsse "die Ablösung der fossilen Energien durch erneuerbare Energien vermitteln und glaubwürdig demonstrieren." Nur ein sehr geringer Anteil des Stromverbrauchs komme jetzt aus einer Solarstromanlage. Richtungsweisender sind für ihn die Parlaments- und Regierungsgebäude am Spreebogen wo "80 % der Wärmeerzeugung und des Stroms durch erneuerbare Energie" erbracht werden.

Jo Leinen bedauert, dass der Gebäudekomplex durch die Fernwärme seinen Demonstrationscharakter verloren habe. Zu dem Namen "Energieforum Berlin im Zentrum Zukunftsenergien/International Solar Center" meint er: "Umgekehrt wär’s besser gewesen." Sie hätten damals "ja etwas Einzigartiges gewollt" und "das Energieforum" müsse "sich erst beweisen".

Die Architektin Astrid Schneider, Vorsitzende des "International Solar Center e.V.", meint "die Berliner Politik und der Investor" hätten "einen falschen Weg beschritten, als sie Ende der 90er Jahre auf das 'Forum für Zukunftsenergien’ und die konventionelle Energiewirtschaft als Zugpferde für das Projekt setzten und es in 'Zentrum Zukunftsenergien/Internationales Solarzentrum’ umbenannten. Sie versprachen sich davon Geld, Wirtschaftskraft und einen größeren Erfolg des Projekts durch das Anlocken potenter Unternehmen. Ein konsequentes Setzen auf die erneuerbaren Energien und die dazugehörigen Firmen, Forschungsinstitute und Vereine wäre viel erfolgversprechender für das Gesamtprojekt gewesen. Die Solar- und Windenergiebranchen sind in den vergangenen Jahren stark gewachsen und haben daher dauernden Erweiterungsbedarf. Unser ursprüngliches Konzept eines Informations- und Dienstleistungszentrums für erneuerbare Energien bleibt jedoch weiterhin Zugpferd des Projekts. Wir ermutigen Firmen und Vereine aus der Solarbranche einzuziehen."

Bleibt zu hoffen, dass die Anbieter von regenerativen Energien sich dort durchsetzen und eine internationale Ausstrahlung erzielen. Damit würden sowohl Atomanlagen als auch Kriege für Öl überflüssig. Andernfalls wäre zu fragen, ob hier nicht doch öffentliche Fördermittel "versenkt" wurden.