Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 294/ 2002

Leise blüht der Hausschwamm

Madita Sundby

Es war einmal ein Haus in der Lilienthalstraße 12 in Kreuzberg, das vollständig bewohnt war mit einer Mieterschaft, die sich generationsübergreifend verstanden hatte. Jedoch nach der Übernahme durch die Willms und Höges GbR wurden ab 1993 systematisch Mieter vertrieben. Im Jahr 1995 wurden entstehende Leerstände und Mängel dem Bezirksamt Kreuzberg (Abtl. Bau- und Wohnungsaufsicht) telefonisch und schriftlich mit der Bitte um Hilfe mitgeteilt. Doch selbst nach mehreren Besichtigungen vor Ort blieben Reaktionen aus.

Am 01.07.1998 änderte sich die Geschäftsform des Vermieters, ohne dass dies den Mietern angekündigt wurde. Der Vermieter hieß nun: Dipl. Kfm. Hubert Willms, Athena Managment GmbH & Co. Immobilienfonds, Berlin-Lilienthalstr. KG.

Im September 1999 tauchten Anzeigen über den Verkauf einzelner Wohnungen auf. Erst in Form von Plakatierung in den umliegenden Straßen, dann in der öffentlichen Presse und schließlich über Hauswurfsendungen mit einem Prospekt. Für Kreuzberger Verhältnisse ein "Schnäppchen" von sage und schreibe 2800 DM/ qm. Den Mietern wurden die Wohnungen niemals zum Verkauf angeboten, warum auch, wo man doch die zahlungskräftige Elite erreichen wollte.

Am 06.01.2000 wurden die noch verbliebenen Bewohner via Zettel im Hausflur von einem Architekten namens Peter Klimberg informiert, dass mit der Sanierung und Modernisierung begonnen würde, jedoch nur im Hinterhaus und im Dachgeschoss. Andere Wohnungen seien nicht betroffen. Als die Bauarbeiten anliefen, wurde trotz fehlender Baustellensicherung Schutt einfach aus dem 3. Stock geschmissen, Wasserabläufe wurden gekappt und über ein Drainagerohr einfach in die Grünfläche im Hof entleert, der Hauseingang war nicht ausreichend abgesichert, Baucontainer standen direkt vor dem Hauseingang, Wasser wurde ohne Ankündigung gesperrt - die üblichen legalen Vertreibungsmethoden. Es bestand von der Mieterseite ständig Kontakt zu der Bauaufsicht, der Polizei und der Senatsverwaltung für Umweltschutz.

Am 28.02.2000 fand eine Sitzung des Bauausschusses im Bezirksamt Kreuzberg zum Thema Lilienthalstraße 12 statt. Hier wurde nun von Herrn Maassen, einem der Mitgesellschafter der Athena Management GmbH, behauptet, dass sich Echter Hausschwamm im Haus befände und die Wohnsituation sehr gefährlich sei. Ein Gutachten konnte er dem Ausschuss zu diesem Zeitpunkt aber nicht vorlegen. Er wurde von dem Ausschuss aufgefordert, über den unparteiischen Stadtteilladen 61 e.V. Kontakt aufzunehmen, damit Vermieter und Mieter im Rahmen der Gesetzgebung einen Kompromiss für die verfahrene Situation finden sollten. Aber ohne wesentliche Beweise für das Vorhandensein von Echtem Hausschwamm erhielten die Noch-Mieter am 24.03.2000 die Aufforderung umgehend auszuziehen. Vertragliche Regelungen zu Auszug, Renovierung und Rückzug wurden dabei gar nicht erst erwähnt.

Eine korrekte Schwammentfernung (befallene Bauteile sind getrennt zu entsorgen und zu vernichten) schien den Bauarbeitern der Firma Hoeft und Partner nicht so wichtig zu sein: Balken und Schüttung wurden aus dem Fenster gekippt, Balken an Interessenten veräußert oder gleich selber für den Privatverbrauch mitgenommen. Weitere Kontaktaufnahmen zum Bezirksamt Kreuzberg und der Senatsverwaltung für Umweltschutz blieben ohne Erfolg.

Am 04.04.2000 wurde bei der S.P.A.S. eine gemeinsame Sitzung einberufen. Anwesend waren fünf Mietsparteien, der Vermieter Herr Willms, Herr Bruckschen von der S.P.A.S. sowie Elke Schmidt von dem Stadtteilladen 61 e.V. Der Tenor von Herrn Willms in dieser Zusammenkunft war: Die bewohnten Wohnungen bleiben in seinem Bestand und neue Modernisierungsankündigungen würden umgehend verfasst werden. Eine Woche später jedoch stellte sich leider heraus, dass die Wohnungen der innewohnenden Mieter zum größten Teil verkauft waren, aber nicht als Kapitalanlage sondern zur Eigennutzung. Die Käufer und Kaufinteressenten nahmen Kontakt mit den Mietern auf. Auf Nachfrage der Kaufinteressenten bei der Hausverwaltung, was denn mit den Mietern sei, hörten sie die Antwort: "Das werden wir schon regeln". Die Regelung sah dann so aus, dass erst einmal die Gasversorgung gekappt wurde. Eine einstweilige Verfügung vom Amtsgericht Kreuzberg auf eine Widerherstellung der Gasversorgung sorgte Wochen später für die Widerherstellung der Gasleitungen.

Im Jahre 2001 wurde unter aktiver Mitwirkung des Bezirksamts Kreuzberg die Schwammsanierung eingeleitet, die einschließlich der Widerherstellung der Zimmer innerhalb von 58 Tagen durchgeführt werden sollte. Die Mieter mussten teilweise Zimmer ihrer Wohnungen räumen und die zur Schwammentfernung notwendigen Abbrucharbeiten begannen. Nur Schade, dass die Athena Management GmbH nach Zerstörung der Räumlichkeiten insolvent war. Alle Bauarbeiten wurden abgebrochen! Nun darf sich der Hausschwamm mit der Kenntnis des Bezirksamts Kreuzberg ungestört ausweiten. Wenn vorher nur geringe Baumängel bestanden, so werden diese Baumängel durch Regenwasser und Nichtbeheizung nun absolut gravierend. Von den Mietern, die in zerstörten Wohnräumen hausen müssen, schreiben wir erst einmal gar nicht.

Und was ist nun gegen Ende 2002 mit der Athena Management GmbH? Nun ja, Herr Willms ist leider nicht mehr ausfindig zu machen, Herr Maassen hat Schwierigkeiten mit den Gerichten in Berlin und es wurde nun ein Insolvenzverwalter eingesetzt. Wurde jemand vergessen? Doch ja, da sind doch noch acht solvente Eigentumskäufer im Hinterhaus, die sich freuen, für das "Schnäppchengeld" jeden Tag durch ein baufälliges, nasses und unansehnliches Haus zu laufen. Dafür hat sich die Mietervertreibung doch gelohnt! Und wenn das Bezirksamt Kreuzberg noch weiter die Augen verschließt, ist das Ende der Geschicht` noch nicht in Sicht.