Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 294/ 2002

Immer auf die Ärmsten

Barbara Oesterheld

Barbara Oesterheld, geboren 1951 in Berlin, Diplom-Soziologin, ist wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus Berlin.

Unbemerkt von jeder Öffentlichkeit hat der rot-rote Senat eine neue Sparmaßnahme zu Lasten der Ärmsten ergriffen.

Diesmal geht es um Wohnungen in Plattenbauten, die im Rahmen der "Instandsetzung und Modernisierung Richtlinien 94 - industrielle Bauweise" durch öffentliche Mittel gefördert wurden. Bestandteil der Richtlinie ist, dass von Mietern, deren Einkommen unterhalb der gesetzlichen Einkommensgrenze liegt, keine höhere als die vergleichbare Durchschnittsmiete im sozialen Wohnungsbau verlangt werden darf (WBS-Miete). Die dem Fördernehmer dadurch entstehenden Mietausfälle wurden durch zusätzliche Aufwendungszuschüsse ausgeglichen. Diese Zuschüsse für Mieter mit besonders geringem Einkommen sollen in Zukunft ersatzlos gestrichen werden.

Die Investitionsbank Berlin hat auf Veranlassung des Senators für Stadtentwicklung Peter Strieder (SPD) den Hauseigentümern geschrieben, dass sie ab sofort beim Abschluss von Mietverträgen sowie bei Mieterhöhungsverlangen die Mietparteien nicht mehr auf die WBS-Miete hinweisen dürfen. Bezahlt wird nur noch, wenn Mieter mit der Zusage auf die WBS-Miete eingezogen sind und denen eine dreijährige einkommensabhängige Aufwendungszulage zugesagt worden ist. Danach endet auch für diese Mietparteien die WBS-Miete.

Im Bauausschuss des Abgeordnetenhauses behauptete der Senator, diese zusätzliche Förderung sei überhaupt nicht notwendig, da Berlin so einen entspannten Wohnungsmarkt habe und die Mieten sowieso alle unter der WBS-Miete lägen. Gleichwohl sind aber für 7200 Wohnungen Aufwendungszuschüsse bezahlt worden und es soll auch eine Summe von 30 bis 80 Mio. Euro nach 2004 eingespart werden. Wo kommt die wohl her, wenn gar niemand diese einkommensabhängige Ergänzungsförderung in Anspruch nehmen muss?

Mit der Förderung werden zusätzlich Belegungsrechte für die Bezirke erworben. Nun dürfen die Bezirke aber keine Wohnung belegen, deren Miete höher als die WBS-Miete ist. Die Rechte, die durch die Förderung erworben wurden, werden also gleich ganz zunichte gemacht. Zynisch ist die Vorstellung, dass die Mieter mit dem geringsten Einkommen hier wieder die Opfer der Sparpolitik werden müssen: sie können ja in billigere Wohnungen umziehen.

Ein solches klammheimliches Vorgehen bei einer Sparmaßnahme zu Lasten der Ärmsten, die zudem ausschließlich Ostberliner Mietparteien trifft, erscheint angesichts der Regierungsbeteiligung der PDS höchst erstaunlich.