Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr.293/2002

Umwandlung führt zu Verdrängung

Ulli Lautenschläger

Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen im Zuge von umfassenden Modernisierungen hat in den letzten Jahren in den Sanierungs- und Erhaltungsgebieten in Prenzlauer Berg ähnlich wie in Mitte und in Friedrichshain erheblich zugenommen. Daher hatte der Sanierungsbeirat die Mieterberatung Prenzlauer Berg beauftragt, die Folgen für die Mieter zu untersuchen. Diese Erhebung wurde im Herbst 2001 durchgeführt und anschließend im Sanierungsbeirat diskutiert. Die Untersuchung zeigt deutlich, dass die Umwandlung dazu führt, dass der Großteil der Bewohner seine angestammte Wohnung aufgibt.

Bereits seit Längerem hatten die sozialen Folgen der Umwandlung die Betroffenenvertretungen und die Mieterberatung in Prenzlauer Berg beschäftigt. Immer wieder wurden wir mit Umwandlungshäusern konfrontiert, in denen nach der Sanierung kaum noch ein Mieter wohnte, der auch schon vorher dort gelebt hatte. Dabei läuft die Mietervertreibung zumeist nach dem gleichen Schema ab: Die Häuser werden zunächst rechtlich in Einzeleigentum aufgeteilt. Die jeweiligen Wohnungen - einschließlich beabsichtigter Modernisierungsmaßnahmen - werden dann mit einer festgelegten Modernisierungsplanung verkauft, bevor mit den Mietern über die Modernisierung überhaupt geredet wird. Bei der Ankündigung der Modernisierung werden dann die Mieter damit konfrontiert, dass diese Planung nicht mehr verhandelbar sei, da ihre Wohnung mitsamt dieser Planung bereits verkauft sei. Manchmal existiert auf den Plänen diese Wohnung auch gar nicht mehr in ihrer dem Mieter vertrauten Gestalt, da sie z.B. mit der Nachbarwohnung zusammengelegt wurde. Dem Mieter wird folgerichtig vom Umwandler nahegelegt, doch besser auszuziehen.

Die Mieterberatung hat Ergebnisse der Modernisierung von insgesamt 73 Häusern aus den Sanierungsgebieten miteinander verglichen. Diese Häuser wurden umfangreich saniert und zwischen Anfang 1999 und Sommer 2001 fertiggestellt. Alle Häuser wurden freifinanziert modernisiert, also ohne die Inanspruchnahme des öffentlichen Förderungsprogramms "Soziale Stadterneuerung". Die Mieterberatung hat eine genaue Kenntnis von diesen Häusern, da sie im Rahmen eines Sozialplanverfahrens die Mieter beraten hat. Von diesen 73 Häusern mit insgesamt über 1500 Wohnungen wurden 34 im Zuge der Sanierung umgewandelt, 39 nicht. Diese beiden Gruppen wurden miteinander verglichen.

Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Leerstand zu Beginn der Mieterberatung betrug bei den in Eigentum umgewandelten Häusern 38%, bei den nicht umgewandelten lag er bei 27%. Nach der Sanierung wohnten in den umgewandelten Häusern nur noch 33% der Altmieter, in den nicht umgewandelten Häusern waren nach Sanierung immerhin noch 70% der zu Beginn der Beratung vorhandenen Mieter geblieben, also mehr als doppelt so viele. Wie gravierend der Leerzug in den umgewandelten Häusern war, zeigt sich auch darin, dass aus einem Viertel der umgewandelten Häuser alle Mieter oder alle bis auf einen fortgezogen waren.

Kostspielige Sanierungen lassen sich besser verkaufen

Wesentliche Gründe für die hohe Verdrängung von Mietern aus Umwandlungshäusern liegen in der Finanzierungskonstruktion dieser Bauvorhaben. Da der Verkauf der Wohnungen aus finanziellen Gründen möglichst frühzeitig geschehen muss, erfolgt der Vertrieb und Verkauf der meisten Wohnungen bereits, bevor die Modernisierungsmaßnahmen mit den Mietern abgestimmt werden. Daher ist der Spielraum für Änderungen der Grundrisse oder der Ausstattung nur noch minimal. Denn der Verkäufer hat sich durch den Kaufvertrag bereits festgelegt, genau diese Maßnahmen durchzuführen. Könnte er diese Zusagen nicht einhalten, weil der Mieter z.B. nicht bereit ist, seine Zwei-Zimmer-Wohnung durch Zusammenlegung in einer Fünf-Zimmer-Wohnung aufgehen zu lassen, müsste er den Kaufvertrag mit erheblichen finanziellen Verlusten rückabwickeln. Daher besteht ein enormer Druck, dass der Mieter auszieht.

Anstatt an Bedarf und an der Zahlungsfähigkeit der Bewohner wird die Planung zumeist an den Vorlieben der Käufer orientiert, deren Kaufmotiv zumeist die mögliche Steuerersparnis ist. Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei den Käufern nicht um Selbstnutzer, sondern um gutverdienende Kapitalanleger, die nicht beabsichtigen, selber in die Wohnungen zu ziehen. Trotzdem werden ihre Vorstellungen vom Wohnen - oder das was die Vertreiber von Eigentumswohnungen dafür halten - und die steuerlichen Interessen an hohen abschreibungsfähigen Kosten zur Richtschnur der Planung. So entstehen dann Balkone an Hinterhäusern, die nie einen Sonnenstrahl abbekommen, was aber natürlich auf den Verkaufsprospekten nicht zu sehen ist. Manchmal werden gut geschnittene und preiswerte Zwei-Zimmer-Wohnungen zusammengelegt, weil die Käufer lieber eine große als zwei kleine Wohnung erwerben. Aber auch das umgekehrte Vorgehen ist bekannt. Da werden aus gut geschnittenen familiengerechten Vier-Zimmer-Wohnungen drei kleinere Wohnungen geplant, weil der Vertrieb gerade zu viele große Wohnungen im Angebot hat. So die wörtliche Begründung für solch eine Maßnahme. "Hochwertiger Teppichboden" wird auf Holzdielen gelegt, weil dies im Verkaufsprospekt besser aussieht. Neue Einbauküchen gelten manchem Umwandler als angemessenem Standard, egal ob der Mieter der Wohnung bereits selber eine hat. Nach Möglichkeit Aufzüge werden eingebaut, damit die Wohnungen als hochwertig gelten. Für Preise um 2000 Euro/qm erwarten die Anleger natürlich auch eine hochwertige Ausstattung, unabhängig davon, ob die Einkommensverhältnisse der Bewohner später eine entsprechende Miete zulassen.

Belegungsbindungen des Bezirksamts für Wohnungen werden bei den Anlegern dagegen meist nicht so geschätzt. Daher lehnen die meisten Umwandler das Angebot des Bezirksamts ab, die Mieter mit Umsetzwohnungen für die Bauzeit oder auch auf Dauer zu versorgen, wenn der Eigentümer im Gegenzug Belegungsrechte einräumt. Ohne die Chance, für die Bauzeit eine akzeptable Ausweichwohnung zu erhalten, geben viele Mieter ihre Wohnung auf, obwohl sie rechtlich die Modernisierungsmaßnahmen gar nicht im geplanten Umfang dulden müssten. Mit Druck und Geldangeboten wird dies oft unterstützt.

Sonderfall Erhaltungsgebiete

Da die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen auch in anderen Großstädten wie München, Frankfurt oder Hamburg bereits seit langem ein Problem darstellt, wurde 1998 auf Initiative von Hamburg erstmals eine gesetzliche Grundlage ins Baugesetzbuch aufgenommen, die Umwandlung einzuschränken. Für Erhaltungsgebiete besteht seitdem die Möglichkeit, einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung einzuführen. Dann darf nur umgewandelt werden, wenn das Stadtplanungsamt einer solchen Umwandlung zustimmt. Allerdings sieht das Gesetz auch Ausnahmen vor, wenn sich ein Eigentümer z.B. verpflichtet, nur an seine Mieter die Wohnungen zu verkaufen. In Berlin können die Bezirke allerdings solch einen Genehmigungsvorbehalt nicht selber einführen, sondern dies kann nur durch eine Verordnung des Senats geschehen. Die Senatskoalition aus SPD und PDS hat in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, die rechtlichen Möglichkeiten des Baugesetzbuches zu nutzen. Der Genehmigungsvorbehalt des §172 Baugesetzbuch soll demnach durch den Erlass einer Senatsverordnung eingeführt werden.

Allerdings hat die zuständige Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Frau Ingeborg Junge-Reyer entgegen der Koalitionsvereinbarung vor kurzem in der Pankower Stadterneuerungszeitschrift "Vor Ort" erklärt, dass solch eine Rechtsverordnung kein geeignetes Instrument darstelle, Wohnungs- und Teileigentum sozialorientiert zu steuern und dass der Erwerb von Wohneigentum im Bestand auch zur langfristigen Bindung von bisherigen Mietern in den Gebieten sinnvoll sei. Bleibt nur zu fragen, ob Frau Junge-Reyer die Umwandlungspraxis in den Sanierungs- und Erhaltungsgebieten in Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain vielleicht überhaupt nicht kennt.

Ulli Lautenschläger, 46 Jahre, war 1981 bis 1989 Mieterberater für den Verein SO 36. Danach stellv. Koordinator des Sanierungsträgers S.T.E.R.N. GmbH in Tiergarten. Seit 1993 ist er Geschäftsführer der Mieterberatung Prenzlauer Berg gGmbH.