MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Startschuss für Mieterhöhungen?

 

 

Johannes Touché

Mit den Mietobergrenzen ist der letzte Schutz vor Verdrängung in Gefahr

Man musste sie nicht lieben, die "Soziale Stadterneuerung im Altbau", die in den letzten zehn Jahren so gründlich das Gesicht der Berliner Sanierungsgebiete verändert hat. Die unter diesem Namen gebündelten Programme kamen meist Großinvestoren zugute, die mit ihrer Hilfe an günstige Kredite kamen und damit billigen Wohnraum verteuern konnten, ohne großen Ärger mit widerspenstigen Mietern zu riskieren. Aber so kritisch man diese Politik auch sehen mochte, ein Vorteil war unbestreitbar: Mit den staatlichen Hilfen wurden die Investoren auch an die Regeln gebunden, die der Staat ihnen auferlegte. Die Förderung war ein Druckmittel, dass eine gewisse "Sozialverträglichkeit" der Sanierung garantierte.

Mit der Berliner Haushaltskrise ist es damit wohl vorbei. Für die "Soziale Stadterneuerung" fließt kaum noch Geld, und wenn der Senat überhaupt noch in den Sanierungsgebieten investiert, dann nur bei der öffentlichen Infrastruktur.
Insbesondere die zentral gelegenen Sanierungsgebiete stehen aber unter erheblichen Aufwertungsdruck. Wenn hier der Wohnungsmarkt einfach sich selbst Überlassen wird, haben alleinerziehende Mütter, Arbeitslose und Teilzeit-Jobber keine Chance mehr. Ihre letzte Hoffnung sind die Mietobergrenzen, mit denen der Bezirk die Mietsteigerung in modernisierten Häusern bremsen kann. Mietobergrenzen sind für den Wohnungsmarkt das, was Tarifverträge für den Arbeitsmarkt sind. Sie sind seit jeher heftig umstritten. (Siehe auch "Kippt der Senat die Mietobergrenzen?" von Matthias Bernt, MieterEcho Nr. 283, die Red.) Oft versuchten die Vermieter, sie zu umgehen; Dutzende legten gerichtlich Widerspruch ein. Nun ist einer durchgekommen: Am 18. Juli urteilte das Verwaltungsgericht Berlin, dass Mietobergrenzen unzulässig sind. Die Klägerin hatte ein Haus in der Samariterstraße freifinanziert modernisiert. Nun bestand sie darauf, ihre Miete so zu erhöhen, wie sie wollte.
Zunahme des Verdrängungsdrucks
War dies nun der Startschuss? Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wiegelte umgehend ab: Zunächst einmal ging es bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ausschließlich um die Sanierungsgebiete, wo bei Modernisierungen weiterhin ein Sozialplan verlangt werden kann. Also Mieterberatung, Umzugshilfen, Umsetzwohnungen - all die kleinen Hilfen, die die Sanierungsbetroffenen ihr Schicksal leichter ertragen lassen. Dazu kommen die Einschränkungen des BGBs: Die Vermieter müssen Mieterhöhungen aufgrund von Modernisierungen "rechtlich begründen" und dürfen nicht mehr als 11 % der Modernisierungskosten auf die Mieter umwälzen. In den ersten drei Jahren danach darf die Miete um maximal 20 % steigen, und wenn ein Vermieter sie später weiter anheben will, gilt immer noch der Mietspiegel. Aber das sind alles stumpfe Waffen. In Konfliktfällen - und die sind bei Modernisierungen die Regel - müssen sich die Mieter mit zivilrechtlichen Mitteln ihr Recht erkämpfen, und das auch noch allein: Den Mieterberatungen, die ihnen dabei helfen könnten, hat der Senat gerade die Förderung gestrichen. Seitdem die "Soziale Stadterneuerung" ausgetrocknet wird, kommen sie ohnehin immer seltener zum Zug, und bei Neuvermietungen spielen sie ohnehin keine Rolle. Neuvermieten kann ein Vermieter aber nur, wenn die alten Bewohner verschwunden sind. So wächst der Druck auf die Mieter, bereits vor der Sanierung auszuziehen.
Dorothee Dubrau, die Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung in Mitte, nennt die Entwicklung "eine ziemliche Katastrophe" und warnt: "Der Verdrängungsdruck wird enorm zunehmen." Das einzige, was die Bezirke jetzt noch tun können: Eine Minimierung des Modernisierungsstandards, die man im Einzelfall per Genehmigungsvorbehalt durchsetzen könnte. Man wird sehen, wie die Vermieter darauf reagieren. Von Mietobergrenzen werden sie sich jedenfalls kaum noch beeindrucken lassen. Sollte das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig werden, droht eine Prozesslawine, der die Bezirke nicht gewachsen sind. Schon im Präzedenzfall der Samariterstraße dürfte es den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg einige Anstrengungen kosten, aus seinem geschrumpften Haushalt die Gelder für eine Berufung aufzubringen.
Ob der Senat ihm diese Aufgabe abnimmt und den Fall vor eine höhere Instanz bringen wird, ist zweifelhaft: Auch wenn der Koalitionsvertrag zum Schutz vor "unvertretbaren Verdrängungsprozessen" ausdrücklich Mietobergrenzen vorsieht, ist vom Stadtentwicklungssenator kaum Unterstützung zu erwarten. Seit Jahren hat es Strieder versäumt, mit einer klaren Gesetzgebung die Mietobergrenzen auf eine solide juristische Basis zu stellen - obwohl ihn das keinen Pfennig gekostet hätte. Er wollte die Mietobergrenzen nie. Er wird auch keine Standardminimierung wollen. Er will einfach keine staatliche Einmischung in den Wohnungsmarkt. So was kommt für ihn nur an einer einzigen Stelle in Frage: Beim "Stadtumbau Ost", der Abrisse zur "Wohnungsmarktbereinigung" subventioniert. Aber das ist eine andere Geschichte. n

Zu "Stadtumbau Ost" siehe auch nachfolgenden Beitrag "Abrissbirne über Berlin"

 

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