MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Eigenheimzulage - Immer noch ein Auslaufmodell?

 

 

Der Beitrag &qout;Eigenheimzulage - Auslaufmodell?" im MieterEcho Nr. 290
hat das Interesse der wohnungspolitischen Sprecherin der PDS im Bundestag Christine Ostrowski gefunden. Wir geben ihre Entgegnung gerne an die Leser weiter, sehen uns aber außerstande, auf einige flankierende Bemerkungen von Julia Oppermann zu verzichten.

Leserbrief zum Artikel &qout;Eigenheimzulage - Auslaufmodell?" von Julia Oppermann im
MieterEcho Nr. 290

Sehr geehrte Frau Oppermann,
grundsätzlich teile ich Ihre Kritik an der unverhältnismäßig hohen Förderung von Wohneigentum. Diese darf tatsächlich kein Selbstzweck sein. Bei Ihrer recht polemischen und nicht immer sachlich fundierten Kritik vermisse ich jedoch kritisches Differenzierungsvermögen.
Im Folgenden möchte ich auf einige Ihrer Kritikpunkte eingehen.
Zunächst einmal: Für mich und meine Partei, die PDS, hat die Förderung von sozialem Wohnungsbau, Wohngeld und Wohnungsgenossenschaften eindeutige Priorität; so fordern wir z.B. eine Genossenschaftszulage auch für den Erwerb von Anteilen an bestehenden Genossenschaften (und nicht nur den eigentumsorientierten). Weiterhin sind wir für ein reines Vergleichsmietensystem, das die Umlage von Modernisierungskosten auf die Miete ausschließt, sowie Mieterhöhungen bei Neu- und Wiedervermietungen ohne Wohnwertverbesserung. Wir wollen weiterhin sämtliche Belegungs- und Mietpreisbindungen beibehalten.
Ganz zu Beginn monieren Sie "Grenzen der Förderung gibt es nur nach oben". Das wollen wir doch mal hoffen! Sind Sie nicht auch dafür, dass Förderungen nur Haushalten mit relativ niedrigem Einkommen zukommen? Warum Ihre heftige und einseitig ideologisch motivierte Kritik an der Äußerung von Frau Mertens über die Wirkung von Eigenheimförderung in der Bronx? Ganz offensichtlich kennen Sie die dortigen Verhältnisse nicht. Dort hat gegen Mitte der 80er Jahre fast niemand mehr gewohnt, die von Ihnen so gepriesenen Mietshäuser standen nämlich in Flammen, in Brand gesetzt von Mietern, die um jeden Preis versetzt werden wollten und von Eigentümern, die von der Versicherungssumme mehr Geld erwarten durften als von den Mieteinnahmen.
Ich glaube, beim Thema Stadtentwicklung sollte man zuallererst darauf schauen, was ein Stadtteil objektiv braucht, um seine Probleme lösen zu können, und welche Bedürfnisse die Menschen vor Ort real haben. Wenn es Eigentumsbildung ist, die zur Wiederbelebung des Quartiers, nicht zuletzt auch durch die Wiederansiedlung der Mittelschichten geführt hat, dann ist es eben so. Niemand wollte hier Mieterinnen und Mietern unterstellen, sie gingen nicht sorgsam mit Wohnungen und Wohnumfeld um. Aber die Bindung ist eindeutig eine andere, und es ging um die Wiederherstellung einer sozialen Mischung.

Erhalt von bezahlbarem Wohnraum
Natürlich ist die Bildung von Wohneigentum nicht generell dem Mieten vorzuziehen. Bezahlbarer und attraktiver Mietwohnraum muss unbedingt erhalten bleiben. Sie müssen aber hier nach regionalen Bedürfnissen differenzieren. Sie scheinen mir bei Ihrer Argumentation den gentrifizierten Kollwitzplatz vor Augen zu haben und sorgen sich um die Verdrängung rechtschaffener Mieterinnen und Mieter durch bourgeoise Wohnungskäufer. Das sind aber nicht die Probleme, die die ostdeutschen Städte und auch ländlichen Gemeinden haben. Hier sind Wegzug, Leerstand und Verfall die Realität. Es geht um den Erhalt bzw. die Wiederbelebung eben dieser Quartiere, und da macht meine Forderung Sinn, den Bestandserwerb gegenüber dem Neubau stärker zu fördern, eben auch und gerade um der Zersiedelung entgegen zu wirken. Mit der stärkeren Förderung von Bestandserwerb in Innenstädten verhindert man den Wegzug und damit auch den innerstädtischen Zerfall sowie die ökologischen Belastungen durch Zersiedelung und erhöhtes Verkehrsaufkommen durch Pendler.
"Wohneigentum ist Kommodifizierung", meinen Sie. Sehr richtig, denn im Kapitalismus ist Wohnen tatsächlich eine marktvermittelte Ware. Das gilt aber ebenso für Mietwohnungen. Der Unterschied, ob man den Mietzins den Banken oder dem Hauseigentümer, schlimmer noch, einer anonymen Kapitalgesellschaft, die aus Verwertungsinteressen ihr Geld in Immobilien anlegt, überlässt, ist da nicht besonders groß. Wollen Sie ‚Miete zahlen' ernsthaft als emanzipatorischen Akt verkaufen?
Ihr Zitat meiner Äußerung ist aus dem Zusammenhang gerissen. Meine Darstellung, die Sie einer Pressemitteilung vom Dez. 2001 entnommen haben, bezieht sich lediglich auf Tatsachen und Gründe, die die Expertenkommission zum Wohnungsleerstand in Ostdeutschland festgestellt hat. Es tut mir leid, wenn das nicht in Ihr Weltbild passt, aber viele Menschen träumen tatsächlich den Traum vom Eigenheim im Grünen aus den genannten Gründen. Und dann finde ich es in der Tat sozial gerecht, Menschen aus allen sozialen Schichten die Erfüllung dieses Wunsches zu ermöglichen. Natürlich muss die Konsequenz auch sein, das Leben in den Innenstädten wieder attraktiver, gesünder und sicherer zu machen. Ich will nicht, wie Sie behaupten, die großzügige Eigenheimförderung noch um ein paar Milliarden aufstocken, sondern eine Umkehrung vom Neubau auf die Bestände. Mit dem Umweltbewusstsein meinte ich das Bewusstsein, dass das Leben in Großstädten nicht immer gesundheitsförderlich ist und es einen menschlichen Bedarf an Naturnähe gibt. Das mögen Sie putzig finden, können es aber doch nicht leugnen.

Differenzierung der Eigenheimzulage
Soziale Gerechtigkeit hat auch etwas mit Lebensqualität zu tun, und was hierfür notwendig ist, muss flexibel und regionalspezifisch entschieden werden. Wir wollen die Eigenheimzulage nicht prinzipiell erhöhen, sondern differenzieren! Es geht mir um eine stärkere Förderung des Erhalts der historischen Innenstädte, die im Übrigen auch mehr Arbeitsplätze schafft als der Neubau. Übrigens beugen z.B. Reihenhäuser in Ballungszentren der Stadtflucht vor. Ihr Flächenverbrauch ist dabei nicht größer als der des Geschosswohnungsbaus.
Konkret wollen wir Folgendes: Die Eigenheimzulage regional und sozial stärker differenzieren, nach der Logik "Bau/Erwerb im Innenbereich und/oder niedriges Einkommen gleich höherer Grundförderbetrag, Neubau im Außenbereich und/oder höheres Einkommen gleich niedrigerer Förderbetrag". Besonders Haushalte mit Kindern sollen dadurch unterstützt werden. Wir wollen die Bundes- und Landesmittel für die soziale Wohnraumförderung dem Bedarf entsprechend bündeln, aufstocken und flexibler einsetzen. In wirtschaftlichen Ballungszentren ist der Neubau preiswerter Mietwohnungen und Eigenheime zu fördern; in Regionen mit rückläufiger Bevölkerungsentwicklung sind dagegen die Förderung des Erwerbs und/oder der Sanierung von Altbauten, ggf. auch Rückbau, bzw. Belegungsrechte an vorhandenen Wohnungen sinnvoll.

Mit freundlichen Grüßen


Kommentar zum Brief von Christine Ostrowski von Julia Oppermann
"Bausparen klingt vielleicht etwas konservativ. Ist Miete zahlen etwa fortschrittlich?" fragte vor einigen Jahren eine junge Sympathieträgerin - reine Verkörperung des Zeitgeistes - auf einer Werbung der Landesbausparkasse (LBS) die verdutzten Betrachter. Versteht man "fortschrittlich" ganz traditionell, nicht postmodern beliebig, so ruft der Begriff u.a. die Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit hervor. In diesem Sinne konnte man dem guten Kind antworten: "Muss nicht, Mädchen: keine Miete zahlen kann durchaus fortschrittlicher sein." Der Beweis wurde von der Hausbesetzerbewegung in den 80er Jahren geliefert. Ihr war es nicht nur gelungen, den Leerstand und damit verbundene Mietsteigerungen zum Risiko für Spekulanten werden zu lassen, sondern auch durch ihre von öffentlicher Sympathie getragenen Aktionen die seinerzeit noch geltende Mietpreisbindung zu festigen.
"Fortschrittlich" kann aber auch "weniger Miete zahlen" sein, nämlich immer dann, wenn Eigentümer ihre Instandhaltungspflicht vernachlässigen und durch Mietminderung kostenpflichtig daran erinnert werden. Was aber soll man, mit dieser Argumentation belastet, der Frau Ostrowski auf die strenge Frage: "Wollen Sie Miete zahlen ernsthaft als emanzipatorischen Akt verkaufen?" antworten?

Träume des Kleinbürgers
Historisch war das Wohnen auf der Etage, d.h. das Wohnen zur Miete, ein "emanzipatorischer Akt" des Bürgertums. Es war die Emanzipation des Citoyen vom dumpfen Druck des Parzelleneigentums, von dem sich der Bourgeois faktisch und der Kleinbürger in seinen Sehnsüchten nie zu lösen vermochten. Doch das soll hier nicht diskutiert werden.
Offenbar aber ist der PDS, die sich gern als Partei der sozialen Gerechtigkeit bezeichnet, das Bewusstsein von dem engen Zusammenhang zwischen wohnungspolitischer und sozialstaatlicher Regulierung geschwunden. Das 20. Jahrhundert war nicht nur das Jahrhundert des Sozialstaates, nicht nur das Jahrhundert der Moderne mit ihren hervorragenden sozial ausgerichteten Architekturen, sondern es war auch von den frühesten zaghaften mietrechtlichen Regelungen während des ersten Weltkrieges über das Reichsmietengesetz (1922), das Wohnraummangelgesetz (1923) und das Mieterschutzgesetz (1923) bis zur Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung Eigentum im Sinne von Art. 14 des Grundgesetzes ist (1993), auch das kurze Jahrhundert der Mieter. Der Dreiklang von Sozialstaat, Moderne und Mieterrechten lieferte dem der Arbeiterbewegung geschuldeten historischen "emanzipatorischen Akt" die Melodie.

Soziale Stabilisierung
Es berührt seltsam, Frau Ostrowski stattdessen das Hohelied des Eigentums trällern zu hören. Doch scheint's, das läge in der Luft, denn es mutet geradezu wie das Ei des Kolumbus an, die Quartiere mit besonderem Entwicklungsbedarf durch Wohneigentum sozial zu stabilisieren. Wer auch immer der Erfinder der sozialen Durchmischung gewesen sein mag - Herr Strieder zählte als Kreuzberger Bezirksbürgermeister zu ihren Anhängern und erfolglosen Praktikern. Die Realität ist von der immer wieder beschworenen spitzwegschen Idylle weit entfernt und das von den Dächern zu pfeifen, sind die Spatzen bereits müde, aber irgendwo angekommen ist es deswegen noch lange nicht.

Umwandlung in Eigentum
In Berlin löst die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in den Quartieren meistens Verdrängung der Mieter aus. Sie läuft folgendermaßen ab: Nach einem Eigentümerwechsel werden Modernisierungs- und Sanierungsabsichten verkündet, gleichzeitig Einzeleigentum gebildet und die Wohnungen in dem geplanten Endzustand zum Verkauf angeboten. Zu diesem Zeitpunkt haben weder die Mieter zugestimmt noch die Modernisierungsarbeiten begonnen. Im weiteren Fortgang - häufig ohne Modernisierungsankündigung - leert sich das Haus. Ist schließlich die Fassade neu getüncht, sind die meisten alten Mieter verschwunden und an deren Stelle, wenn die Kalkulation der Umwandler aufgeht, viele neue Eigentümer getreten. Von Durchmischung keine Spur, dagegen jede Menge Verdrängung.
Häufig genug geht diese Rechnung nicht auf, die Quartiere bleiben wie sie auch vor der Sanierung waren: schäbig. Wer dort Eigentum erworben hat, ist vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gelackmeiert. Und das sind nicht wenige, vor allem finanziell schwächer gestellte Erwerber, häufig auch türkische Familien. Zwar findet dann kaum Verdrängung statt, andererseits aber auch keine Durchmischung.

Zwangsräumung in New York
Zugegeben, verglichen mit New York ist das ein harmloses und sanftes Geschehen. Dort hat, was man als Gentrifizierung bezeichnet, ungleich heftigere und brutalere Formen. In den gentrifizierten Gebieten der Bronx oder der East Side wurde die verarmte ursprüngliche Bevölkerung zwangsgeräumt, d.h. mit Knüppeln und Hunden von der Polizei vertrieben. Dabei kam es teilweise zu bürgerkriegsähnlichen Situationen, bevor die neue soziale Klasse, die Yuppies, einziehen und schnuckeliges Eigentum an Lofts und dergleichen erwerben konnte.
Wenn es für Frau Ostrowski tatsächlich das sein sollte, "was ein Stadtteil objektiv braucht, um seine Probleme lösen zu können" bleibt dennoch die Frage an sie: Wer durchmischt sich da mit wem und wie sozial? Allenfalls die neuen Eigentümer mit den Hispano-Zugehfrauen. Bloß die wohnen inzwischen woanders.
Frau Ostrowski ist wie die meisten ihrer eigentumsverehrenden KollegInnen nicht konsequent. Hätte das Wohneigentum tatsächlich die von ihr gepriesenen wundersamen sozialen Eigenschaften, sollte sie auch die Wiedereinführung des preußischen Dreiklassenwahlrechtes fordern. Der PDS wäre dann zweifellos der Einzug in den Bundestag für alle Zeiten gesichert. N

 

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