MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Zwei Butterdosen im Kühlschrank - Wie das Wohngeldgesetz mit Wohngemeinschaften verfährt

 

 

Cornelia Köster

Zu zweit zahlt man gemeinhin anteilsmäßig etwas weniger als wenn man eine Wohnung allein zu bezahlen hat. Das liegt zum einen am Quadratmetermietpreis, der abnimmt je größer eine Wohnung ist. Andererseits fällt normalerweise nur eine Grundgebühr für Strom-, Gas- und Telefonanschluss an und ev. noch ein etwas geringerer Gas- oder Stromverbrauch beim Essenkochen - vorausgesetzt man isst auch zusammen. Dass es nur eine Waschmaschine und einen Kühlschrank braucht, macht sich angesichts der Langlebedauer dieser Geräte so gut wie nicht bemerkbar. Wie groß also mag der Einspareffekt sein? Laut Wohngeldgesetz ist er immens. Ersichtlich wird das aus Wohngeldbescheiden, die die Behörde ohne Skrupel erteilt.

Das Problem beim Tabellenwohngeld liegt bekanntlich in der Tatsache, dass die Mietobergrenzen die realen Marktmieten ignorieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wohngeld-Mietobergrenzen in vielen Fällen sogar die sozialhilferechtlichen Richtlinien unterschreiten (vgl. ME 290, S.12-14). Ein Kapitel für sich bilden dabei die 2-Personen-Haushalte. Denn wenn man sich Entscheide zum Thema Haushaltszugehörigkeit, 2-Personen-Haushalte, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, nichteheliche bzw. eheähnliche Lebensgemeinschaft, Kopfteilregelung etc. ansieht, kann einem schwindelig werden. Sämtlichen Urteilen lässt sich bei allen Widersprüchen jedoch eins entnehmen: sie sind darauf erpicht, den jeweiligen Anspruch als so gering wie möglich zu halten.

1999 wurde bei einem 2-Personen-Haushalt mit einem Gesamteinkommen von 1.641 DM und einer berücksichtigten Miete von 430 DM kein Wohngeld bewilligt (die tatsächliche Bruttokaltmiete betrug 1.322,88 DM, was aber aus den bekannten Gründen keine Rolle spielt). Ohne Zusammenveranlagung hätte bei 335 DM anzuerkennender 1-Personen-Miete die eine Person 169 DM bekommen (bei Einkommen von 638 DM), die andere immerhin noch 58 DM (bei 1.003 DM Einkommen). Im Jahr 2000 konnte zwar die überhöhte Miete (100 qm Altbau bis 1918, einfache Wohnlage) wegen Verstoßes gegen § 5 Wirtschaftsstrafgesetz mittels Gerichtsprozesses auf zulässige 1.066,06 DM bruttokalt reduziert werden, dies spielte für die Wohngeldberechnung jedoch keine Rolle, da als Höchstwert weiterhin nur 430 DM für zwei Personen angerechnet wurde. Im Jahr 2001 wurde dann - nach der Wohngeldnovelle und der Höherstufung von Berlin in Mietenstufe III - bei einem Gesamteinkommen von 1.700 DM ein Mietzuschuss von 99,75 DM bewilligt, der Einzelanspruch bei anzuerkennender 1-Personen-Haushalt-Miete von 440,06 DM hätte jetzt 230,79 DM (762 DM Einkommen) bzw. 174,07 DM (938 DM Einkommen) betragen.

Seit 2002 gilt für Berlin die Mietenstufe IV, so dass bei einem Gesamteinkommen von nunmehr 1.683 DM und 635,64 DM anerkannter Miete 129,08 DM (66 €) für zwei Personen bewilligt wurden, einzeln wären es bei je 479,18 DM anzuerkennender Miete einmal 258,17 DM (bei 762 DM Einkommen) und einmal 199,49 DM (bei 921 DM Einkommen) pro Person gewesen.

Der Unterschied ist also beträchtlich. Dass nach Abzug der wirklichen Miete (und Anrechnung des 2-Personen-Wohngelds ab 2001) pro Person durchweg erheblich weniger als der sozialhilferechtliche Regelsatz verbleiben, spielt nur insofern eine Rolle, als ein Antragsteller sich für diese "Unglaubwürdigkeit" im Zweifelsfall auch noch zu rechtfertigen hat. Legt man nämlich solch einen Wohngeld-Bescheid vor, um eine Befreiung von den GEZ-Gebühren zu erhalten, kann es einem passieren, dass aufgrund des nicht erreichten Regelsatzes (z.Zt. ca. 580 Euro) die Befreiung verweigert wird, da ja vermutet werden muss, dass ein Mensch von so wenig Geld gar nicht leben kann, man folglich bezüglich seines Einkommens geschummelt haben muss. Dass aufgrund eines Behördenbescheids eine andere Behörde Betrugsverdacht hegt, muss zu denken geben - und zeigt, dass die jeweiligen Bestimmungen nicht aufeinander abgestimmt sind und hier mindestens mit zweierlei Maß gemessen wird.

Dass das ungleich höhere Wohngeld eines

1-Personen-Haushalts (das wenigstens annähernd den Regelsatz ermöglicht) je einer 2er WG bewilligt wird, ist so gut wie ausgeschlossen. Denn wer zu zweit wohnt, der unterhält nicht nur eine Wohn-, sondern auch eine "Wirtschaftsgemeinschaft"? So zumindest vermutet es das Gesetz. Und weil "ein Antragsberechtigter, der mit Personen, die keine Familienmitglieder (...) sind, eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft führt", nicht besser gestellt werden darf als ein Familienhaushalt entsprechender Größe

(§ 18 Abs. 4 WoGG), wird eine 2er WG vom Wohngeldgesetz wie ein Ehepaar behandelt.

Der entscheidende Begriff dabei ist die "Wirtschaftsgemeinschaft". Dass eine solche besteht, "wird vermutet, wenn der Antragsberechtigte und die Personen Wohnraum gemeinsam bewohnen" (a.a.O.). Diese Vermutung zu erschüttern, reicht jedoch nicht aus. Nein, vom Antragsteller wird "der volle Gegenbeweis" verlangt. Wie aber widerlegt man eine von Gesetz wegen aufgestellte Vermutung? Man kann vortragen, was man will, das tut nichts zur Sache, ist ja alles nur Behauptung - so spricht die Behörde und so sagt es auch das Verwaltungsgericht. Nein, man muss sich mindestens schon gefallen lassen, dass jemand plötzlich vor der Tür steht, behauptet, er sei vom Amt, und gleich und sofort die Wohnräume zu inspizieren begehrt. Wer sich solchem Ansinnen widersetzt, hat schlechte Karten. Sich auf Art. 13 Grundgesetz zu berufen (Unverletzlichkeit der Wohnung; Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter oder bei Gefahr im Verzuge, Eingriffe und Beschränkungen nur zur Abwehr einer Lebensgefahr vorgenommen werden), schert niemanden. Verweigert man den Zutritt, darf die Behörde frohgemut und unwiderleglich von ihrer wohngeldreduzierenden Unterstellung ausgehen.

Ein anderer Beweis als die unangemeldete Inspektion durchs Amt ist faktisch nicht durchführbar. Das Vorliegen einer reinen Wohngemeinschaft durch Zeugenvortrag zu belegen, wird vom Verwaltungsgericht verhindert, das Klagen von WG-Bewohnern gem. § 93 Satz 1 VwGO zusammenlegen kann und damit die Zeugenaussage des jeweiligen Mitbewohners zum Parteienvortrag degradiert, dem keine Beweiskraft zukommt. Da man aber die Beweislast habe, muss man sich vom Richter sagen lassen, dass einem die Zutrittsverweigerung negativ ausgelegt werde. Ein angemeldeter Besuch hätte keine hinreichende Aussagekraft, da dann die Möglichkeit der Präparierung bestünde. Mit dem überraschenden Amtsbesuch verhält es sich so wie mit einer Steuerprüfung: man müsse es sich auch gefallen lassen, dass das Finanzamt unangemeldet vor der Tür steht. Aha. Habe ich mich also verdächtig gemacht, gegen geltendes Recht verstoßen zu haben, wenn ich eine staatliche Leistung real in Anspruch nehmen will, und muss ich mich darob in meinen Grundrechten beschneiden lassen? Wie gesagt, es handelt sich um Wohngeld - das gem. § 1 WoGG den Zweck verfolgt, die "wirtschaftliche Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens" zu ermöglichen. Dass dieser Zweck aufgrund irrealer Mietobergrenzen zumal bei 2-Personen-Haushalten nicht erreicht wird, schert das Gericht wiederum nicht.

Drum kann sich glücklich schätzen, wer die Hürde des "Nachweises", keine Wirtschaftsgemeinschaft zu bilden, genommen und auch bestanden hat. Ich weiß von zwei Fällen, wo nur der eine Teil einer 2er WG Wohngeld beantragt hat und dann - zur Überprüfung der Wohnverhältnisse - ein Wohnungsamtsmitarbeiter unangemeldet vor der Tür stand und stantepede die Räume inspizieren wollte. Gewarnt vor diesem Verstoß gegen Art. 13 GG, waren von den Betreffenden entsprechende Vorkehrmaßnahmen getroffen worden (getrennte Schlafzimmer, zwei Butterdosen im Kühlschrank, zwei offenliegende Haushaltsgeld-Schachteln und dergleichen Kuriosa mehr). Doch es hat geklappt. Hat man den Inspizienten "überzeugt", ist man in der privilegierten Lage, eine annähernde Anerkennung seiner tatsächlich zu bezahlenden Miete erreicht zu haben - und ein Wohngeld zu bekommen, das den nervigen Aufwand halbwegs lohnt.

Wie unterschiedlich Gerichte mit Wohngemeinschaften oder Lebensgemeinschaften ohne Trauschein umgehen, kann in dem Internet-Flugblatt der Beratungsstelle ALSO, Oldenburg, vom Juli 1999, das zum Thema Wohngeld "der ersten Orientierung dienen und die AntragstellerInnen vor möglichen schwerwiegenden Fehlern bewahren" soll nachgelesen werden. (Website nicht mehr online)

 

Startseite | MieterEcho Archiv