MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Berlinwasser steht das Wasser bis zum Hals

 

 

Hermann Werle

Im letzten MieterEcho berichteten wir über die Liberalisierung der Wassermärkte, die Folgen für private Haushalte und Umwelt sowie den Kampf zweier Konzerne um die Vormachtstellung auf dem Wassermarkt in Nordrhein-Westfalen. Dieses Kapitel des "Ruhrgebietsklüngel" ist zu Gunsten der Essener RWE abgeschlossen. Mit Wirkung zum 1. Mai 2002 hat die RWE Aqua GmbH mit 74,9% die Mehrheit an den Rheinisch-Westfälischen Wasserwerken (RWW) übernommen. Per Salamitaktik ist hiermit die Privatisierung eines der bedeutendsten Wasserversorgungsunternehmen Deutschlands vollzogen worden und ein weiteres Mal haben Kommunen ihre Möglichkeiten auf die Grundversorgung der Bevölkerung Einfluss zu nehmen verkauft.

"Privatisierungs-Meisterstück"

Auch in Berlin stehen die Zeichen auf "Wasser marsch" für die Gewinne der Konzerne. Nach der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe, könnte schon in naher Zukunft ein einzelner Großinvestor die Geschicke der Berliner Wasserversorgung bestimmen. Im Juni 1999 erhielt ein Konsortium aus RWE, Vivendi und Allianz vom Berliner Senat den Zuschlag für einen Teil der Berliner Wasserbetriebe und die Verhandlungspartner und Privatisierungslobbyisten wurden nicht müde, sich gegenseitig lobend auf die Schultern zu klopfen. Zu einer "Erfolgsstory" wollte der neue Vorstandschef der Berlinwasser Holding AG und das frühere RWE Vorstandsmitglied, Thomas Mecke, die Wasserwerke entwickeln. Die damalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing stilisierte die Holding zu einem Modell mit "bundesweitem Pilotcharakter" hoch während Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner eine "hervorragende Ausgangsposition" erkannte, um die "enormen Wachstumspotenziale" im Ausland zu nutzen. Der damalige Bürgermeister Eberhard Diepgen gratulierte den beiden Senatoren noch während der Senatssitzung zu diesem "Privatisierungs-Meisterstück". Die Freude war deshalb so groß, weil es der großen Koalition mit der Wasserprivatisierung ein weiteres Mal gelungen war, gegen den Widerstand von Umweltverbänden, der PDS, Bündnis 90/Die Grünen, des DGB und der linken SPD-Minderheit ihre 1990 begonnene wirtschaftsliberale Politik durchzusetzen. Mit dem Verkauf der Wasserwirtschaft an private Konzerne wird ein Gut zur Ware, welches gemeinhin als gesellschaftliches Eigentum begriffen wird. In diesem Sinne kommt der Verkauf von kommunalen Wasserversorgern einem Dammbruch gleich. Denn warum sollten Wohnungswirtschaft, Bildung und Gesundheit der staatlichen Verantwortung unterliegen, wenn schon die Versorgung eines Grundbedürfnisses wie Wasserversorgung privaten Konzernen überlassen wird?

Elmar Pieroth war 1990 als Finanzsenator angetreten, um genau diese staatlichen Einflüsse auf das wirtschaftliche Geschehen einzuschränken, d.h. zu deregulieren. "Es geht," äußerte er sich in der FAZ vom 25.11.1995, "um Ordnungspolitik und einen schlanken Staat." Seine Nachfolgerin, Annette Fugmann-Heesing, setzte diese Politik fort, argumentierte jedoch in erster Linie mit Sparzwängen auf Grund leerer Haushaltskassen. "Sie kam, sah und verkaufte", stellte die Berliner Morgenpost am 16.08.1997 fest: "Annette Fugmann-Heesing wird als Privatisierungssenatorin in die Geschichte Berlins eingehen. Seit die SPD-Politikerin im Januar 1996 das Finanzressort übernommen hat, ist das Tafelsilber nicht mehr sicher. Alte Tabus und Grundsätze der Sozialdemokraten werden mit dem Rechenschieber über den Haufen geworfen."

Das Holdingmodell

Die Senatorin ließ tatsächlich Szenarien durchrechnen, die die Privatisierung fast des gesamten Berliner Landesvermögens einkalkulierten. Bevorzugte Herangehensweise dieser Planungen stellt die Salamitaktik dar, d.h. das stückweise Veräußern kommunaler Unternehmen. Auf diese Weise ist es dem Senat bisher gelungen, Proteste und Widerstand unter Kontrolle zu halten. "Vergessen wir nicht", mahnten Sprecher der Grünen im Juni 1998, "dass die GASAG in zwei Schritten verkauft wurde: 48% 1993, 100% zu Jahresbeginn 1998. Und die BEWAG-Anteile Berlins wurden erst gar nicht (1994), dann zur Hälfte (1995), schließlich zur Gänze (1997) auf den Markt geworfen." Einen Bestandteil der schrittweisen Totalprivatisierung kommunaler Versorgungsunternehmen stellt das von Fugmann-Heesing favorisierte Holdingmodell dar. Im Fall der Berliner Wasserbetriebe wurden 49,9% der BWB-Anteile für 3,1 Mrd. DM an das RWE/Vivendi-Konsortium verkauft. Unter dem Dach der Berlinwasser Holding AG bleiben die BWB als Anstalt des öffentlichen Rechts und Wasserversorger bestehen. Daneben existiert das sogenannte Wettbewerbs- oder Risikogeschäft, zu dem diverse privatwirtschaftliche Beteiligungen und Tochtergesellschaften wie die BerliKomm oder das Recyclingunternehmen Schwarze Pumpe (SVZ) gehören. Dieses Modell entspricht dem der Berliner Bankgesellschaft und birgt das gleiche Risiko, nämlich dass unter dem Holdingdach die Anstalt öffentlichen Rechts die privatwirtschaftlichen Unternehmen subventioniert. Lieferten die Berliner Wasserbetriebe noch 1997 beträchtliche Einnahmen an den Berliner Haushalt, so musste 2000 mit ihren Einnahmen insbesondere die defizitäre SVZ unterstützt werden. Das Land Berlin ging leer aus, während die privaten Gesellschafter dank einer garantierten Kapitalverzinsung rund 139 Mio. Euro einstrichen.

Eine verheerende Bilanz

Alles andere als eine "Erfolgsstory" oder gar ein "Meisterstück" stellt die Berlinwasser Holding dar. Sie ist vielmehr eine Geschichte von Subventionen, Pleiten und Fehlplanungen. Die 2001 gegründete Tochtergesellschaft Avida GmbH, mit der die Holding ins Multi-Utility-Geschäft einsteigen wollte, war ein "Schlag ins Wasser", wie die Berliner Morgenpost im Dezember 2001 titelte. Bereits nach wenigen Wochen musste die Gesellschaft wegen mangelnder Nachfrage an Komplettangeboten von Strom und Telefon abgewickelt werden. Auch die BerliKomm konnte nicht annähernd die prognostizierten Erfolgsergebnisse erzielen. Laut Jochen Esser, dem finanzpolitischen Sprecher der Grünen, hat der Telekommunikationsanbieter bis heute über 100 Mio. Euro Verluste angehäuft und keine Aussichten aus eigener Kraft auf die Beine zu kommen. Das größte Sorgenkind ist jedoch der Müllverwerter SVZ Schwarze Pumpe. Im Juli 2000 meldete die Berlinwasser Gruppe den Verkauf der SVZ an den US-amerikanischen Konzern Global Energy, mit dem "erhebliche finanzielle Ressourcen für strategische Investitionen in die Kerngeschäftsfelder des Konzerns" freigesetzt werden sollten. Dummerweise blieb der US-Konzern den ausgehandelten Preis von 107 Mio. Euro schuldig, so dass der Deal platzte. Trotz dieser Panne wurde der Verkaufserlös im Geschäftsbericht für das Jahr 2000 als außerordentlicher Ertrag verbucht und anteilig ausgeschüttet sowie die SVZ-Kredite ausgebucht. Es verwundert also nicht, dass die Bilanz der Holding für 2001 entsprechend verheerend ausfällt - allein das SVZ schlägt mit 385 Mio. Euro negativ zu Buche. Um die drohende Insolvenz der Holding zu verhindern, haben sich RWE/Vivendi und der Berliner Senat darauf verständigt mit einer Bürgschaft in Höhe von 316 Mio. Euro frisches Geld in das Unternehmen zu pumpen. Eine Hälfte davon - 158 Mio. Euro - wird der Berliner Senat aufbringen. Ein "verlorener Zuschuss", wie Jochen Esser bemerkt, der dem Senat vorwirft, kein durchdachtes Konzept für die Wasserbetriebe zu haben. Eine durchdachte Konzeption haben offensichtlich nur die privaten Investoren. Den Ankauf der Wasserwerke ließen sich RWE/ Vivendi vom Land Berlin mit einer garantierten Kapitalverzinsung von annähernd 9% vergolden. So richtig schief gehen konnte aus der Sicht der Investoren also nichts. Der fehlende Anreiz, so die Morgenpost, sei das Manko der Berlinwasser Holding. Björn Hartmann von der Morgenpost sieht in der Notlage eine Chance, nämlich die, dass sich der Senat doch endlich von seinem Unternehmensbesitz trennen möge. Schließlich halte das Land seine Anteile "unter anderem wegen der Idee, die Kontrolle darüber zu behalten, wer die Bevölkerung versorgt - eine Vorstellung aus dem 19. Jahrhundert. Das Ergebnis: Der größte regionale Wasserversorger Europas dümpelt vor sich hin und droht jetzt, unterzugehen." Herr Hartmann möge entschuldigen, aber er hat nichts begriffen. Oder er weiß wovon er schreibt und möchte seine Leser und Leserinnen auf den Leim führen. Die Vorstellung aus dem 19. Jahrhundert, die sich heute noch in Gesetzen zur Selbstverwaltung der Gemeinden wiederfindet, hatte unter anderem zum Ziel, dass die Bevölkerung mit Wasser versorgt wird. Eine Verantwortung, die zu Recht dem Gemeinwesen übertragen wurde und nicht gewinnorientierten Privatkonzernen. Die Verantwortung der Berlinwasser-Misere

dem Senat anzuhängen ist ebenfalls nicht schlüssig. Es sei denn, die Kritik bezieht sich auf die große Koalition, die die Risiken der Privatisierung fahrlässig auf den Schultern der Berliner Haushalte ablegte.

Entscheidung nach den Wahlen

Von Wasserpreiserhöhungen bis zu 30% bis 2004 ist dieser Tage in den Berliner Medien zu lesen gewesen. Der Vermögensausschuss des Berliner Senats hat am 14. Juni 2002 die geplante Änderung des Gesetzes zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe nicht vollzogen. Die preistreibenden Verhandlungsfragen sind auf den Herbst vertagt worden. Es sollten u.a. Abschreibungsmöglichkeiten der Berlinwasser Holding geändert und Konzessionsabgaben erhoben werden, beides Maßnahmen, die direkt auf die Verbraucherpreise hätten abgewälzt werden können.

Bis zum Herbst soll auch geklärt sein, wie die privaten Anteilseigner ihre vom Land Berlin zugesagten Gewinne erzielen können.

Nach Informationen der Berliner Zeitung wird sich der Allianz-Konzern aus der Holding zurückziehen und seine Anteile an RWE und Vivendi abgeben. Bleiben die beiden Großversorger, die sich einem Geheimpapier zufolge auf das Kerngeschäft der Wasserver- und -entsorgung konzentrieren wollen, wie die Zeitschrift Der Aktionär berichtet. Neben dem Müllverwerter SVZ sollen auch die BerliKomm und andere Tochterunternehmen abgestoßen werden, wodurch rund 1.300 Arbeitsplätze betroffen wären.

Da sich RWE und Vivendi im Auslandsgeschäft als Konkurrenten gegenüberstehen, blockieren sie sich innerhalb der Berlinwasser-Holding. Eine zukunftsträchtige Perspektive ergibt sich allein aus der Konstellation eines einzelnen privaten Konzerns mit 74,9% Beteiligung und einer Minderheitsbeteiligung des Landes Berlin von 25,1%. Von dieser wird es heißen, dass sie bei wichtigen Entscheidungen die Mitsprache des Landes garantieren werde. Die besten Aussichten auf den Zuschlag zur Komplettübernahme der Berliner Wasserversorgung hat der Essener RWE-Konzern, für den sich das Geschäft mit dem Wasser zum "Shooting Star" im Konzern entwickelt hat. Der französische Vivendi-Konzern steckt in einer substanziellen Krise und wird sich teilweise aus dem Wassergeschäft zurückziehen, um sich zum Telekommunikationsriesen umzustrukturieren. Diese Entscheidung fiel kurz nach den Parlamentswahlen in Frankreich, da Vivendi aufgrund seines Engagements im kommunalen Wassergeschäft ein sensibles Thema im Wahlkampf darstellte. Französische Politiker u.a. Präsident Jaques Chirac hatten kurz vor der Parlamentswahl lautstark gegen den Verkauf Französischer Wasser- und Müllentsorgungswerke protestiert.

Egal ob nach dem 22. September der Kanzler Stoiber oder Schröder heißen wird, es wird dem SPD/PDS-Senat wieder sehr viel leichter fallen, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Die künftigen Wasserrechnungen schreibt RWE und die Zeche zahlen wir.

 

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