MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Die Stadterneuerung auf Null - Den Abriss auf 27 Millionen €

 

 

Barbara Oesterheld

Das Paradepferd der Sozialdemokratie in den 70er Jahren hieß Kahlschlagsanierung. Sie wurde im Bezirk Wedding in weiten Teilen umgesetzt, stieß aber in Kreuzberg auf Widerstand. Die Strategien für Kreuzberg und die behutsame Stadterneuerung waren Ideen von unten. Mit ihnen ging eine starke Aktivierung der Bevölkerung einher. In Mitbestimmungsgremien wie Sanierungsbeiräten, Betroffenenvertretungen und Stadtteilausschüssen wurden die Belange vor Ort intensiv diskutiert. Die behutsame Stadterneuerung wurde zum Exportschlager für Berlin und machte Kreuzberg berühmt.

Dann kam der Metropolenwahn und alle, die das Engagement vor Ort aufrecht erhalten wollten, wurden als Kiezfürsten oder Dorfpolitiker diffamiert, die die großen Herausforderungen der neuen Hauptstadt noch nicht erkannt hätten.

Zurück in die Zukunft

Es scheint als ob nun die SPD an ihrem alten Konzept wieder anknüpfen will. Abriss statt behutsamer Erneuerung. Mit den überdimensionierten Entwicklungsgebieten und den städtischen Neubaugebieten wurde zum Teil auch noch auf der grünen Wiese massenweise Wohnungsneubau kreiert, der nicht nur teure soziale und andere Infrastruktur erforderte, sondern durch verantwortungslose Förderungen Löcher in den Haushalt und einen hohen Leerstand produzierte. Dieser Leerstand "zwingt" die Politik heute zum Abriss.

Aber nicht nur Wohnungen - gemeint sind in erster Linie Wohnungen in den östlichen Großsiedlungen - sollen abgerissen werden, sondern auch jede Menge soziale Infrastruktur. Kitas und Schulen für deren Neubau an anderer Stelle sehr viel Geld ausgegeben wurde.

So sind in den Haushalten 2002 und 2003 für den Abriss 27 Mio. € eingestellt, für die nachfolgende Aufwertung 20 Mio. €. So ist es nur logisch, dass die Förderung der Instandsetzung und Modernisierung von Plattenbauten auch in 2002 ganz und in 2003 erheblich zusammengestrichen ist. Was abgerissen werden soll, braucht nicht saniert werden.

Auch die Förderung von Instandsetzung und Modernisierung von Häusern im Altbaubereich wurde auf Null gesetzt. Schließlich eine Veränderung der Förderungsrichtlinien war längst überfällig, der totale Wegfall aber verhindert eine sinnvolle Steuerung in Sanierungsprozessen und überlässt besonders kaputte Häuser wieder dem Verfall, wie wir dies aus den 60er Jahren kennen.

Der Fehler von 1995 die Infrastruktur ganz aus der Förderung herauszunehmen wird jetzt wiederholt, indem nun die Hausförderung ganz abgeschafft wird. Aber erst ein ausgewogenes Verhältnis von beiden ermöglicht einen kontinuierlichen und erfolgreichen Sanierungsprozess.

Eigeninitiative ist nicht gefragt

Die Möglichkeit für Mieter bei eigenen Modernisierungen in ihren Wohnungen einen Zuschuss zu bekommen wurde ebenfalls abgeschafft. Obwohl gerade wenn die Hausförderung wegfällt, Hauseigentümer wieder bereit sein könnten solche Maßnahmen zuzulassen, die sie in Hinblick auf eine Hausmodernisierung bisher weitgehend abgelehnt haben. Immerhin verhindert die Modernisierung durch die Mieter die dauerhafte Umlage einer einmal getätigten Maßnahme durch den Eigentümer. Dieses Eigenengagement der Mieter erhöht die Bindung an die Wohnung und das Umfeld, was ja eigentlich sehr wünschenswert sein sollte.

Lange hat es gedauert bis die Genossenschaftsrichtlinien verabschiedet und Genossenschaften gefördert wurden. Und obwohl sich an vielen Orten der Stadt Gruppen entwickelt haben, die diese Idee und das Angebot annehmen wollten, hatte der Haushaltsentwurf zunächst keinen müden Euro dafür vorgesehen. Und auch jetzt sind die nachgebesserten Mittel so begrenzt, dass von einer Fortführung der Genossenschaftsunterstützung nicht mehr die Rede sein kann. Dies wundert besonders aufgrund der vollmundigen Aussagen im Koalitionsprogramm von SPD und PDS: "Die Gründung neuer Genossenschaften wird durch Fortführung der Genossenschaftsförderung auch in der nächsten Legislaturperiode unterstützt."

Nicht viel anders ergeht es den wohnungspolitischen Projekten. Das von allen Fraktionen immer wieder hochgelobte Programm mit Muskelhypothekanrechnung war im Haushaltsentwurf gar nicht vorhanden und wird jetzt auf zwei Häuser begrenzt.

Beide Programme setzen auf das Eigenengagement. Die Erfahrung mit diesen Programmen hat in der Vergangenheit gezeigt, dass nicht nur die Treue zum Kiez damit erhalten bleibt, sondern die neuen Genossenschaften und die Selbsthilfehäuser über ihre Häuser hinaus soziale Einrichtungen und Funktionen für das Umfeld geschaffen haben.

Katastrophe für den Mittelstand und Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen

Modernisierung und Instandsetzung von Häusern war ein besonderes Betätigungsfeld für kleine und mittlere Betriebe. Die Großprojekte teilen sich sowieso die Großunternehmen untereinander auf. Mit dem Verlust von 30 Mio. €, die der Bund zur Verfügung stellt und die nicht abgerufen werden schadet dieser Senat gleichzeitig den Berliner Baubetrieben, die es ohnehin in der Vergangenheit extrem gebeutelt hat. Aber auch die mögliche Kombination von Fördergeldern des Landes Berlin und solchen von Arbeitsamtsmaßnahmen fällt durch das Abschalten der Stadterneuerung ganz weg. Es ist erschreckend, wie unbedarft dieser Senat damit umgeht, aber offensichtlich ist es publikumswirksamer 100 Beschäftigte bei Spreequell zu retten als 100 Betriebe.

Jede Million Förderung hat das Fünfache an privaten Investitionen ausgelöst.

Bei 30 Mio. € Einsatz von Landesmitteln kämen 30 Mio. € vom Bund dazu. 60 Mio. € Förderung würden mindesten 300 Mio. € private Investitionen auslösen die Arbeitsamtsmittel mit ihren Folgewirkungen nicht dazu gerechnet. Das Versprechen von Senator Strieder die Kofinanzierung in voller Höhe in Anspruch zu nehmen, war offensichtlich nur ein besonderer Wahlkampfgeck.

Volkswirtschaftlich, haushaltspolitisch, arbeitsmarktpolitisch und wohnungspolitisch ist diese Schwerpunktsetzung des rot/roten Senats eine absolute Katastrophe. Abrissförderung statt Bestandsförderung ist kein besonders gutes Markenzeichen.

 

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