MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Monopoly in Prenzlauer Berg

 

 

Peter Nowak

"Kommen Sie in unseren Erlebnishof. Bauschutt besteigen, Gerüste klettern, Ratten streicheln möglich". Diese Ankündigung zeigte beim Straßenfest in der Choriner Straße Ende Juni ungeahnte Reaktionen. Nach wenigen Minuten erkundigte sich ein Herr vom Veterinäramt, ob die Ratten auch artgerecht gehalten werden. Doch das Mißverständnis konnte schnell aufgeklärt werden. Der Erlebnishof war kein Streichelzoo. Die Bewohner der Choriner Straße 33 wollten nur den Gästen des Straßenfestes demonstrieren, unter welchen Bedingungen sie seit mehreren Monaten leben müssen.

Nachdem in der Oderberger Straße und der Kastanienallee fast kein Haus mehr ohne Restaurant oder Trend-Mode-Laden zu finden ist, gerät auch die unmittelbare Umgebung zunehmend in den Aufwertungssog. Der letzte noch bestehende billige Wohnraum soll in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Stören nur noch die Mieter, die auf ihre ihnen vertraglich zustehenden Rechte pochen, wie die Bewohner der Choriner Straße 33. Bisher war die Straße von einer Brachial-Sanierung verschont geblieben. Hier kann man noch Kinderläden und Einzelhandelsgeschäfte finden. Doch wie lange noch? Es gibt untrügliche Zeichen, dass auch in der Choriner Straße kein Platz mehr für Menschen mit geringeren Einkommen sein wird. Zu diesen mieterfeindlichen Auswirkungen trägt natürlich auch die veränderte Umgebung bei. Das Gelände der Kulturbrauerei mit seinen Restaurants und Multiplex-Kinos lockt immer mehr erlebnishungrige Menschen an, die in der näheren Umgebung die Restaurants füllen. Die für die nächsten Jahre anvisierte Restaurierung des alten Stadtbades in der Oderberger Straße wird ebenfalls - wenn auch gegen den Willen der Initiatoren - dazu beitragen. Anders als in den 90er Jahren sind dort jetzt nicht mehr Duschen für die Anwohner geplant. Ein nobles Kulturbad ist es jetzt, das dem Trendbezirk ein weiteres Highlight hinzufügt.

Das ist das Terrain für Immobilienfirmen wie der Belle Epoque des Herrn Nehls und der Verfasserin von Prospekten wie der Profi-Partner AG. Auf deren Homepage wird schnell deutlich, dass nicht die Mieter die Ansprechpartner sind, sondern zukünftige Eigentümer oder Kleininvestoren: "Sie suchen eine neue Kapitalanlage? Sie suchen einen neuen Wirkungskreis in der professionellen Finanzberatung? Gern stehen wir Ihnen für Fragen zur Verfügung". Das Verwertungsinteresse wird mit flachen philosophischen Weisheiten kombiniert. "Es kommt nicht alle Tage vor, dass eine Stadt zur neuen Kapitale eines Landes gewählt wird. Berlin erhält als alte Metropole die geschichtlich einmalige Chance, wieder die ursprüngliche Bedeutung zu erlangen. Auf engstem Raum wird Altes mit Neuem zu einer nie dagewesenen Symbiose vereint. Die berühmtesten Architekten der Welt errichten Regierungsgebäude und Firmenzentralen inmitten von Wohnensembles, die aus der Gründerzeit des vorigen Jahrhunderts stammen. In diesem Spannungsfeld werden die Karten neu gemischt und Stadtteile, die über Jahrzehnte ein Schattendasein führten, erwachen zu neuem Leben."

Für die Mieter der Choriner Straße 33, eines der von Profi Partner AG für Nehls und Co. via Internet angebotenen Objekte, bedeutet dieses Erwachen zunächst einmal Verzicht auf das Tageslicht. Seit Monaten sorgt ein Baugerüst für Düsternis auf dem Grundstück. "Bis vor Ostern war es noch schlimmer. Da verharrten wir hinter einer Plane. Die wurde erst auf unseren Druck hin geöffnet", berichten die Mieter. Doch die Bauarbeiten haben noch überhaupt nicht begonnen. Lediglich zwei Wochen lang klopften einige Arbeiter den Putz ab. Dann wurde es wieder still auf dem Grundstück. Die Mieter sehen daher auch das Gerüst als Teil einer Vertreibungsstrategie. Sie haben den Eindruck, dass es darum gehe, ihnen das Leben in dem Haus so schwer wie möglich zu machen. Nicht ohne Grund: Schließlich hat sich einiges in dem Haus zugetragen, was auch abgebrühte Zeitgenossen nicht kalt lassen kann. Höhepunkt war ein Buttersäureanschlag auf sämtliche neun noch bewohnten Wohnungen. Zuvor erschreckten glatzköpfige Jungmänner mit Bomberjacken die Mieter. Sie gingen von Tür zur Tür und fragten, wann denn die Bewohner endlich ausziehen. In welcher Funktion sie dort aufgetreten sind, ist bis heute unklar. Seitdem geht die Angst um in dem Haus. Zumal ein Unbekannter im benachbarten Restaurant Drohungen gegen die "Unruhestifter aus der Choriner Straße 33" ausgestoßen hat. Gerade dort haben sich die Mieter in der letzten Zeit häufiger getroffen, um ihr gemeinsames Vorgehen zu beraten.

Offenbart sich hier die andere Seite der so philosophisch von der Profi Partner AG repräsentierten Belle Epoque? Beweisen können die Mieter nichts, doch an Zufälle glaubt hier niemand mehr. So nimmt auch dem Belle-Epoque-Geschäftsführer Thomas Nehls niemand ab, dass ein Schrotthändler nur rein zufällig fast alle Fahrräder der Hausbewohner abtransportierte. Nur in letzter Minute konnten die Mieter ihr Eigentum retten.

Dabei haben die auf ihre Rechte pochenden Hausbewohner den Eindruck, dass sie nicht nur von dem Hausbesitzern als lästige Störer wahrgenommen wurden. Auch die Mieterberatung Prenzlauer Berg, die eigentlich darauf achten müsste, dass die Interessen der Mieter nicht unter die Räder kommen, reagiert nach dem Eindruck der Hausbewohner eher genervt auf ihr ständiges Insistieren auf ihre Rechte. Die Sanierungsberatung habe ihnen deutlich zu verstehen gegeben, dass auch ohne die Einwilligung der Mieter den Eigentümer die Genehmigung zur Sanierung erteilt werden könne.

Währenddessen stehen schon die ersten Neu-Eigentümer auf der Matte. Sie sind erstaunt, dass das Haus noch bewohnt ist. Schließlich wurde ihnen doch beim Wohnungskauf zugesichert, in wenigen Monaten hier einziehen zu können. Kein Wunder, schließlich wird das Haus im Internet so angeboten, wie es sich die Eigentümer vorstellen. "Es ist ein merkwürdiges Gefühl, sich dem Ort, an dem man lebt und an dem man sich wohl fühlt, mit verändertem Grundriss als Verkaufsangebot gegenüberzufinden," klagen sie. Doch ans Aufgeben denken sie nicht. Denn es geht ihnen nicht nur um individuelle Interessen. "Wir wollen mit dafür sorgen, dass auch in Prenzlauer Berg noch Menschen mit geringen Einkommen leben können."

 

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