MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Private Risikodienste in der Sicherheitsgesellschaft: Erkundungen nach Ulrich Beck

 

 

Volker Eick

Auch wem die Soziologie als Wissenschaft nicht so recht etwas sagen will, der kennt den Begriff der Risikogesellschaft, den Ulrich Beck in einem mittlerweile legendären Band 1986 als einen "Weg in eine andere Moderne" geprägt hat. Der Professor Beck ist den LeserInnen der Süddeutschen Zeitung als beständiger Gast auf den Seiten des Feuilleton bekannt. Lutz Gollan hat am Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht den Versuch unternommen, mit Becks Theorie der Risikogesellschaft zu klären, wie das beständige Anwachsen des kommerziellen Sicherheitsgewerbes in den vergangenen einhundert Jahren zu erklären ist.

Dreh- und Angelpunkt ist ihm dabei das private Sacheigentum, das durch private Sicherheitsdienste geschützt werden soll. Das Buch zeichnet zu diesem Zweck die historische Entwicklung des Gewerbes von den Nachtwächtern über die Hüttenpolizisten und Zechenwehren nach und grenzt in der Darstellung der neuzeitlichen Sicherheitsdienste das Gewerbe von Detekteien, Auskunfteien, Werkschutz und Haushütern ab. Im nachfolgenden Kapitel wird nach einem Definitionsvorschlag für die Branche die zahlenmäßige Entwicklung des privaten Wachgewerbes in der Bundesrepublik nachvollzogen - nicht, ohne auch auf die internationale Entwicklung einzugehen.

Nachdem Aufgaben und Zweck des Gewerbes dargestellt worden sind (Kap. 3), widmet sich die Arbeit den verschiedenen Erklärungsansätzen für das Wachstum des Gewerbes - der Junior-Partner- und die Ökonomische Theorie. Beiden wird im bundesdeutschen Raum keine hinreichende Erklärungskraft zugestanden, weil der Einsatz der Dienste im Auftrag der öffentlichen Verwaltung "weder mit der Junior-Partner-Theorie noch mit der ökonomischen Theorie erklärt werden" (S. 102) könne. Basierend auf der ökonomischen Theorie schlägt Gollan daher vor, den qualitativen und quantitativen Bedeutungszuwachs des Sacheigentums für die Ausweitung des privaten Sicherheitsgewerbes seit dem 19. Jahrhundert verantwortlich zu machen. Das private Sacheigentum sei, so der Jurist Gollan, im Sinne Becks zu einem Risiko geworden, und die damit verbundenen "Anforderungen und Erwartungen an die Sozialkontrolle im Bereich des Eigentumsschutzes" könnten von privaten Sicherheitsdiensten besser bedient werden. Betont wird der Bedeutungswandel von Eigentum hin zu einer "Quelle von Freiheit und Macht", zu einem "Macht- und Freiheitssymbol" (154), der die mit Eigentum verbundenen Risiken für die Eigentumsbesitzer akzeptabel mache.

Nicht zu überzeugen vermag hingegen die theoretische Fundierung, auch wenn es heißt, es sei der Risikogesellschaftsansatz "trotz vereinzelter Kritik [...] in seiner Gesamtheit nicht widerlegt worden." So ist es Beck in seiner Theorie nicht gelungen, plausibel zu begründen, warum wir uns nicht mehr in einer Klassen-, sondern in einer Risikogesellschaft befinden sollen, in der alle gleichermaßen von Risiken betroffen seien. Zwar mag es nahe liegen angesichts der Vielzahl von Aufgabenbereichen des privaten Sicherheitsgewerbes solches anzunehmen, doch sind Eigentum und damit soziale Ungleichheiten weiterhin ungleich verteilt; entsprechende risikobehaftete Konflikte sind nicht grundsätzlich von den zentralen Konflikten einer Klassengesellschaft verschieden. Entsprechend hätte in den Blick genommen werden müssen, dass soziale Ungleichheit mit Konflikten verbunden ist. Die genannten Defizite gelten im Übrigen auch für die zweite Grundannahme der Beck'schen Risikoge-

sellschaftstheorie - die Individualisierungsthese -, die davon ausgeht, die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft hebe tendenziell das Hierarchiemodell sozialer Ungleichheit auf - die These überzeugt weder theoretisch, noch ist sie in irgendeiner Form empirisch haltbar.

Das soll aber die Leistungen der Arbeit Gollans nicht schmälern, dem es gelungen ist, eine sprachlich klare und empirisch fundierte Arbeit abzuliefern. Gleichwohl hätte eine kritischere Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundannahmen der Arbeit gut getan.

Gollan, Lutz 1999: Private Sicherheitsdienste

in der Risikogesellschaft, edition juscrim (Kriminologische Forschungsberichte des

Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Band 87),

Freiburg/Brsg., 267 S., 19 Euro.

 

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