MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Die Plackerei machte sich ezahlt

 

Albert Eckert und Peter Weber
von der Mietergenossenschaft SelbstBau e.G.

"Das Genossenschaftsthema ist eigentlich bei uns schon durch", sagte ein Mitarbeiter der Berliner MieterGemeinschaft, als wir wegen dieses Artikels anriefen. "Und", fügte er hinzu, "wir stehen diesen neuen Mietergenossenschaften, die von manchen plötzlich als wohnungspolitisches Allheilmittel gepriesen werden, eher skeptisch gegenüber." Recht hat er. Zum wohnungspolitischen Rettungsanker taugen diese Selbsthelfer-Genossenschaften nicht. Doch wie Recht er hatte, wusste er damals sicherlich nicht. Kurz vor Ostern hat der rot-rote Senat beschlossen, im nächsten Haushalt keine öffentlichen Gelder mehr für die Wohnungssanierung im Altbau auszugeben. Damit ist auch das Selbsthilfeprogramm gestorben. In den 80er Jahren in West-Berlin unter einem CDU-Senator eingeführt, hat es die Wendewirren überstanden und kam in Ost-Berlin durch den riesigen Sanierungsbedarf, die vielen Eigentümerwechsel und durch die allgemeine Aufbruchstimmung zu neuer Blüte. Das soll nun vorbei sein. Der neue Senat will die knappen Mittel nur noch in das Wohnumfeld (u.a. Grünflächen, Schulen, Kitas) investieren. Doch wer kann dies in den Innenstadtbezirken später noch nutzen, wenn für Familien das Wohnen dort unbezahlbar geworden ist? Leider hört man von SPD und PDS zu diesem Thema nichts.

Junge Mietergenossenschaften
Mal sehen, was die Berliner MieterGemeinschaft sagen wird. Ihre Skepsis gegenüber den neuen kleinen Mietergenossenschaften, wozu auch die Selbsthilfegenossenschaften wie die SOG (Selbstverwaltete Ostberliner GenossInnenschaft e.G.), die Friedrichheim e.G., Habitat und unsere SelbstBau e.G. gehören, kann man getrost chronisch nennen. Sie verkennt, wie überwiegend zufrieden die Mieterinnen und Mieter dort sind und wie gut diese kleinen, überschaubaren Experimente funktionieren. Die Ergebnisse der Umfrage der MieterGemeinschaft zu Genossenschaften können das trotz einzelner Klagen durchaus belegen: Die MieterInnen fühlen sich in den kleinen Genossenschaften sicherer und besser vor Verdrängung aus dem Stadtteil geschützt als auf dem freien Wohnungsmarkt. Die Mitglieder einer genossenschaftlichen Hausgemeinschaft bestimmen nach den selbst auferlegten demokratischen Regeln der Genossenschaft, wie sie jetzt und in Zukunft miteinander wohnen möchten. Sie bauen in der Genossenschaft nach ihren Bedürfnissen und nicht nach Kapitalverwertungsinteressen. Häufig überlegen Mieter, deren Häuser zum Verkauf stehen, die Immobilien selber zu erwerben und zu sanieren. Doch viele solcher Pläne scheitern am Geld. Gerade hier gab das Selbsthilfe-Programm des Senats Unterstützung, wenn die Mieter sich selbst an der Sanierung beteiligten. Um Erwerb und Verwaltung zu organisieren, schlossen sich solche Hausgemeinschaften meist Gleichgesinnten an: so wuchsen die kleinen neuen Genossenschaften.

In der Genossenschaft gilt es, Kostendeckung und Kreditrückzahlung zu erreichen, um langfristig stabile Mieten zu garantieren - und um soziale Verantwortung zu zeigen. Nicht zufällig sind sehr viele gemeinnützige Projekte in Selbsthilfehäusern beheimatet, da sie dort Engagement und bezahlbare Räume finden. Dieser Nutzen für die Stabilisierung und Verbesserung des Wohnumfeldes wird nicht durch rot-rote Förderprogramme zu erreichen sein. Die Idee der genossenschaftlich ausgeübten, solidarischen Selbstbestimmung ist sicherlich bei der baulichen Selbsthilfe am greifbarsten. Die SelbsthelferInnen müssen arbeitsteilig einen Planungs- und Bauablauf organisieren, der sie fordert und für einige Jahre ihr Leben bestimmt. Ein Selbsthilfeprojekt bedeutet deshalb nicht immer - und vor allem nicht sofort - billiges Wohnen. Zunächst ist viel Arbeit zu leisten, oft zwischen zehn und 20 Stunden pro Woche über mindestens zwei Jahre. Deshalb sind Selbsthilfe-Projekte nur für Menschen mit einem langem Atem geeignet, die mit ihrer Familie eine Wohnperspektive in der Stadt suchen. Diese Gruppe stellt in unserer Genossenschaft die Mehrheit der Mitglieder und wir unterstützen sie dadurch, dass alle Hausbewohner anteilig für die von den Kindern genutzten Flächen mitarbeiten. Wirklich billig sind die Mieten in Selbsthilfe-Häusern oft nicht. Nach der Sanierung liegt die zur Hausbewirtschaftung erforderliche Miete nur wenig unter den Mietobergrenzen in den Sanierungsgebieten. Diese Mieten haben die Nachbarn im eigenen Haus anfänglich auch, wenn sie nach der Sanierung zurückkehren, allerdings ohne den Baustress. Die Diskussion, ob die bisherigen Instrumente in der sozialen Stadterneuerung dazu taugten, Aktivität und nicht Passivität zu fördern, hat sich nun leider durch die Senatsentscheidung erübrigt. Dennoch ist die genossenschaftliche Altbausanierung in Mieterselbsthilfe meist auch individuell lohnend gewesen. Nirgends kann man wohl sonst die Wohnung und das Haus nach den eigenen Bedürfnissen gestalten und ausbauen, ohne erhebliches Eigenkapital besitzen zu müssen. Keineswegs behaupten wir, dass die Zusammenarbeit in den Hausgruppen und in der Genossenschaft konfliktfrei sei. Wenn viele verschiedene Menschen zusammenkommen, die sich oft nicht weiter kennen, über mehrere Jahre ihr Leben umstellen und eine hohe Verantwortung übernehmen müssen, sind Konflikte unvermeidlich. Auch diejenigen, die in den Gremien der Genossenschaft mitarbeiten, mussten erst in diese Aufgabe hineinwachsen. Wir haben in den letzten zehn Jahren sehr viel gelernt und dabei Lehrgeld gezahlt. Was tun, wenn ein Selbsthelfer die zur Hausfinanzierung dringend erforderliche Miete nicht zahlt und dies unter anderem mit dem Baulärm auf der Selbsthilfebaustelle begründet? Was tun, wenn eifrige Anwälte nach der Hälfte der Bauzeit plötzlich für einen Selbsthelfer eine Umsetzwohnung fordern, der Bezirk Genossenschaftsmitgliedern jedoch keine zur Verfügung stellt? Es gäbe noch viele Konfliktbeispiele. Fehlt der gute Wille, dann sind solche Probleme nur durch Verträge, Absicherungen, Gerichtsverfahren lösbar, und nebenbei soll dann auch noch das Haus fertig werden.

Gut und erschwinglich Wohnen
In der Genossenschaft kann das Zusammenleben nur gelingen, wenn demokratische Grundregeln beachtet werden und Minderheiten die Entscheidung der Mehrheit akzeptieren. Bei den kleinen Genossenschaften ist in der Regel das Interesse der Mitglieder an der Geschäftspolitik recht groß, wie die Teilnahme an Mitgliederversammlungen zeigt. Die Mitglieder wollen das Erreichte nicht gefährdet sehen und beobachten die Entwicklung auch nach Bauabschluss sehr genau. Gerade die kleinere der Berliner Mieterorganisationen, die MieterGemeinschaft, sollte erkennen, dass die besten Lösungen nicht immer jene sind, die für alle gelten können. Nur mit einer Vielfalt wohnungspolitischer Instrumente kann man den unterschiedlichen Bedürfnissen und der unterschiedlichen Bereitschaft, selbst aktiv zu werden, gerecht werden. Und da sind die neuen Mietergenossenschaften ein innovativer Weg, den so manche aus der MieterGemeinschaft selbst gegangen sind. Kein Wunder: ist nicht auch die MieterGemeinschaft eine Organisation wohnungspolitischer Selbsthilfe von Mieterinnen und Mietern? Dass Politiker solche Genossenschaften nun teilweise schick finden, macht sie deshalb nicht schlechter - sie müssen sich nur gegen platte Instrumentalisierung durch die privatisierungswütige Politik wehren und tun das meist auch. Die Berliner MieterGemeinschaft sollte dabei nicht skeptisch mäkelnd an der Seite stehen, sondern sich - durchaus mit kritischen Tönen - im wohnungspolitischen Bündnis mit den engagierten, neuen kleinen Mietergenossenschaften zeigen. Mit einer pauschalen Sortierung in gute Mieter und böse Vermieter täte sich die MieterGemeinschaft keinen Gefallen. Die SelbstBau e.G. als Vermieterin will weiterhin MieterInnen unterstützen, die aus diesem Schema ausbrechen wollen und selbst Verantwortung für ihre Wohnung beziehungsweise ihr gemeinschaftlich bewohntes Haus übernehmen. Und wir wollen es den Regierenden Berlins nicht leicht machen, sich aus der wohnungspolitischen Verantwortung davonzustehlen. Die Berliner MieterGemeinschaft wünschen wir uns dabei nicht als Nörglerin sondern als kritische Verbündete.