MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Zwitterwesen Wohngeld - zwischen Wohnungsbausubvention und Sozialpolitik

 

Cornelia Köster

Dass sich das MieterEcho mit dem Thema Wohngeld beschäftigt, ist erfreulich. In den bisherigen Beiträgen (Fallbeispiele in Heft 288/2001, S. 10 f. und Interview von Dorothee Wendt mit Klaus Nolden und Ellen Ravens-Nolden in Heft 289/2002, S. 15 ff.) wurde jedoch nicht differenziert zwischen dem Mietzuschuss, der Personen mit geringem eigenen Einkommen zusteht (Tabellenwohngeld), und dem für Sozialhilfeempfänger (pauschaliertes Wohngeld). Beide Unterstützungsleistungen sind zwar in einem Gesetz, dem Wohngeldgesetz, zusammengefasst, verfolgen jedoch ein jeweils anderes Ziel. Worin die jeweiligen Unterschiede bestehen, soll im Folgenden näher erläutert werden.

Das pauschalierte Wohngeld für Sozialhilfeempfänger ist lediglich Teil der Sozialhilfe und muss deswegen auch nicht eigens beantragt werden. Wer auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen ist, darf eine bestimmte Wohnungsgröße und Miethöhe nicht überschreiten, muss seine Vermögensverhältnisse offen legen und es sich gefallen lassen, dass seine Verwandtschaft ersten Grades auf ihre Unterhaltspflicht hin überprüft und herangezogen wird. Dagegen heißt, was gemeinhin unter Wohngeld verstanden wird, heute "Tabellenwohngeld". Hier nämlich legt eine Tabelle fest, ob und wie viel ein Haushalt bei welchem Monatseinkommen und welcher anzurechnenden Mietobergrenze Aussicht auf Wohngeld hat. Es wird nur auf Antrag gewährt, wobei es - im Gegensatz zum pauschalierten Wohngeld der Sozialhilfe - keine Rolle spielt, ob die Wohnungsgröße der Bewohnerzahl "angemessen" ist oder auch ob Sparguthaben vorhanden sind. Rechtlich betrachtet, handelt es sich um eine Subvention und nicht um eine Sozialleistung.
Ursprünglich nämlich verfolgte das Wohngeld ein wohnungspolitisches Ziel. Zur Ankurbelung des Wohnungsbaus musste gewährleistet werden, dass rentable Mieten erzielt werden konnten, auch von finanzschwachen Haushalten. Als "ein auf den Einzelfall abstellendes Instrument zur sozialen Absicherung marktwirtschaftlicher Wohnungspolitik" stellte das Wohngeld insofern eine "Subjektförderung als Ergänzung zur Objektförderung" dar (Bundestag-Drucksache 10/3162, S. 113, zit. n. ZMR 1995, 97). Und noch in einem Bundesverwaltungsgerichtsurteil von 1997 heißt es, dass das Wohngeld "nach wie vor eines der wichtigsten Instrumente der staatlichen Wohnungsbauförderung" ist (Buchholz, BVerwG, 454.71, § 27 WoGG, Nr. 2, Dezember 1997).
War somit das Wohngeldgesetz (WoGG) "seit jeher abgestimmt auf das Gesamtsystem des geltenden Miet- und Wohnungsrechts und diesem konzeptionell zugeordnet" (a.a.O.), wurde in den 90er Jahren gleichwohl versucht, es in das Sozialgesetzbuch (SGB) einzugliedern. Damit sollte zweifellos der soziale Aspekt gestärkt und der wohnungspolitische Charakter zurückgenommen werden. Wenn es hierzu auch nicht gekommen ist, so wird doch immer häufiger vom Wohngeld als einer "Sozialleistung" gesprochen (z.B. auch in Verwaltungsgerichtsurteilen). Von seiner Genese her aber handelt es sich, wie gesagt, um eine Subvention, und so gilt auch weiterhin, dass das Tabellenwohngeld "keine Leistung der Sozialhilfe im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes" darstellt und hierbei auch keine sozialhilferechtlichen Grundsätze anzuwenden sind (vgl. z.B. BVerwGE 75, 168 (170), Urteil v. 27.11.1986).

Verschiedene Messlatten
Sowohl beim pauschalierten als auch beim Tabellenwohngeld gibt es Mietobergrenzen, d.h. was über einen bestimmten Betrag hinausgeht, bleibt bei der Wohngeldberechnung unberücksichtigt. Beim pauschalierten Wohngeld werden die Mietobergrenzen regelmäßig alle zwei Jahre angepasst und liegen ungefähr auf der Höhe des Mietspiegels.
Nicht so beim Tabellenwohngeld: Hier blieben die Obergrenzen nicht nur zehn Jahre lang unverändert, auch nach der lange hinausgezögerten "Anpassung" liegen sie weiterhin unterhalb dessen, was Sozialhilfeempfängern an Miethöhen zugebilligt wird. Im Jahr 2001 galt für Berlin statt der bisherigen Mietenstufe II erstmals die etwas höhere Mietenstufe III und ab 2002 gilt nunmehr die Mietenstufe IV. Insgesamt gibt es sechs Mietstufen, die höchste Stufe VI gilt z.B. in München und Frankfurt/Main. Zwar sind seit 2001 die Tabellen neu festgelegt und auch die Mietobergrenzen etwas angehoben worden, doch auch heute noch halten letztere mit den realen Berliner Mieten nicht annähernd Schritt.
So galt im Tabellenwohngeld für einen Zwei-Personen-Haushalt im (West-)Berliner Altbau von 1990 bis 2000 die Obergrenze von 430,00 DM inkl. kalter Betriebskosten. 2001 betrug die Obergrenze 586,75 DM und seit 2002 beträgt diese 325 Euro bzw. 635,64 DM. (Zur besseren Vergleichbarkeit werden nachfolgend die Beträge in DM genannt, da sich die meisten Zahlen auf die Jahre vor der Umstellung auf Euro beziehen, die Red.). Nimmt man als Beispiel eine Drei-Zimmer-Altbauwohnung von 100 Quadratmetern, für die eine - gemäß Mietspiegel zulässige und auch geforderte - Miete von 8,70 DM/qm plus 2,00 DM/qm kalte Betriebskosten zu zahlen ist, so ergibt sich, dass von der Bruttokaltmiete von 1070,00 DM derzeit nur knapp 60 % berücksichtigt werden. Hält man dagegen ein zu berücksichtigendes Gesamt-Nettoeinkommen von 1700,00 DM monatlich, so ergab sich bis einschließlich 2000 gemäß Tabelle kein Wohngeld, 2001 betrug es immerhin 99,75 DM und seit 2002 sind es 129,08 DM, die dem Zwei-Personen-Haushalt als Mietzuschuss bewilligt werden. Bis 2000 verblieb so ein monatlicher Betrag pro Person von 315,00 DM, 2001 waren es 364,88 DM und 2002 sind es 379,54 DM. Von diesem "Selbstbehalt" gehen jedoch noch die Heiz- und Warmwasserkosten (und Strom) ab. Zum Vergleich: Der sozialhilferechtliche Regelsatz liegt derzeit bei ca. 560,00 DM.
Setzt man die sozialhilferechtlichen Mietobergrenzen dagegen, so ergibt sich zum einen, dass hier zwar nur 60 qm Wohnfläche für zwei Personen als "angemessen" gelten und damit auch nur angerechnet würden, zum anderen aber, dass hier derzeit die Mietobergrenze von 533,00 DM nettokalt plus 2,00 DM/qm kalte Betriebskosten gilt. Damit ergeben sich 653,00 DM als anzuerkennende Miete, d.h. die Tabellen-Mietobergrenze von 635,64 DM liegt auch derzeit noch mit 17,36 DM unter der des pauschalierten Wohngelds. In den 90er Jahren war das Verhältnis jedoch noch viel krasser: 1997 z.B. betrug die sozialhilferechtliche Mietobergrenze 601,00 DM inkl. Betriebskosten, beim Tabellenwohngeld waren es - wie gesagt - nur 430,00 DM, d.h. jene überstieg diese um fast 40 %. Bedenkt man nun, dass beim Tabellenwohngeld keine Beschränkungen bezüglich der Wohnungsgröße gelten, so müssten dessen Obergrenzen schon von daher über denen der Sozialhilfe liegen. Auf keinen Fall aber dürfen jene hinter diesen zurückbleiben.
Im Gegensatz zum Tabellenwohngeld berücksichtigen die Mietobergrenzen des pauschalierten Wohngelds, wie gesagt, annähernd die gemäß Mietspiegel zu zahlenden Durchschnittswerte. Damit ist erwiesen, dass marktübliche Mietpreise auch bezüglich des Tabellenwohngelds ermittelt werden können. Es trifft also nicht zu, dass "der Gesetzgeber z.B. bereits mangels verlässlicher Daten der Wohngeldstatistik nicht an jüngere Mietpreissteigerungen allgemeiner Art anknüpfen kann", wie es in einem Berliner Verwaltungsgerichtsurteil von 1996 heißt und das eine Klage wegen der irrealen Mietobergrenzen im Tabellenwohngeld abwies (siehe Kasten).

Mietobergrenzen jenseits des Mietspiegels
Seit Einführung des "Weißen Kreises" 1988 gibt es den Berliner Mietspiegel, der alle zwei Jahre neu herausgegeben wird und dessen siebte und bisher letzte Ausgabe im Jahr 2000 erschienen ist. Legt man dessen geringst anzunehmende Mittelwerte zugrunde (einfache und mittlere Wohnlage bis 60 qm) und vergleicht diese mit der jeweils parallel geltenden Mietobergrenze des Tabellenwohngelds von 430,00 DM, so ergibt sich, dass dem genannten Zwei-Personen-Haushalt von anfänglichen 56,93 qm im Jahr 1990 schließlich nur noch 44,98 qm im Jahr 2000 zugebilligt wurden. Die Quadratmeterzahl nahm damit nicht nur kontinuierlich ab, sie lag auch von Anfang an unter den sozialhilferechtlichen Bestimmungen von immerhin 60 qm.
Die völlig irrealen Mietobergrenzen des Tabellenwohngelds waren es denn auch, die die Beantragung von Wohngeld in den 90er Jahren so gut wie aussichtslos machten. Denn regelmäßig führte die Gegenüberstellung von real berechnetem Einkommen zu den willkürlich niedrig bemessenen Mietobergrenzen dazu, dass laut Wohngeld-Tabelle kein oder nur ein minimales Wohngeld bewilligt wurde.
Doch auch heute noch gilt, dass wer Tabellenwohngeld beantragt, in Bezug auf die angerechnete Miete fast immer schlechter gestellt wird als ein Sozialhilfeempfänger. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass 2/3 der staatlichen Wohngeldzahlungen auf das pauschalierte Wohngeld entfallen. Fast möchte man sagen: Wer derart unüblich niedrige Mieten zu zahlen hat, wie sie die Obergrenzen des Tabellenwohngelds festlegen, kann sich glücklich schätzen und wohl getrost auf einen Mietzuschuss verzichten.
Damit ist der paradoxe Fall eingetreten, dass eine einstmals wohnungspolitisch gemeinte und der Sozialhilfe vorgelagerte Unterstützungsleistung praktisch in eine nachgelagerte verwandelt wurde. Zu fordern ist darum, dass die Mietobergrenzen beim Tabellenwohngeld in Zukunft annähernd mit den leicht zu eruierenden Mieten am Wohnungsmarkt Schritt halten, zumindest aber die sozialhilferechtlichen Werte einhalten. Ansonsten nämlich kann der eigentliche Zweck des Wohngeldgesetzes - die wirtschaftliche Sicherung angemessenen Wohnens - nicht mehr erreicht werden. Wenn nämlich die Mietobergrenzen in keiner Weise mehr den tatsächlich zu zahlenden Mieten entsprechen, können auch keine rentablen Mieten mehr auf dem Wohnungsmarkt unterstützt werden.
U.a. wegen dieses offensichtlichen Widerspruchs zwischen den sozialhilferechtlich anerkannten Miethöhen und den darunter liegenden Mietobergrenzen des eigentlich vorrangigen Tabellenwohngelds (selbst noch bei Einhalt der sozialhilferechtlich geringen Wohnungsgröße) ist zur Zeit eine Klage von mir vor dem Berliner Verwaltungsgericht anhängig. Im Erörterungstermin gab der Richter zwar freimütig zu, dass die irrealen Mietobergrenzen "politisch durchaus beabsichtigt" gewesen seien und "lange nichts am Wohngeld gemacht" wurde, weil es "niemanden interessiert" habe, wofür die "schwarz-gelbe Regierung" der Grund sei, da erst "im Zuge des Wahlkampfs" dann "leichte Verbesserungen in Angriff genommen" wurden, doch bedeutet dies Eingeständnis des Richters keineswegs, dass der Klage Erfolg beschieden sein wird. Denn weder von Kläger noch von Gerichtsseite her ist es wahrscheinlich, dass offensichtliche Mängel im Wohngeldrecht gerichtlich überprüft und beseitigt werden. Das liegt zum einen an der notorischen Überlastung der Verwaltungsgerichte, die wegen ihres Aktenstaus keinen gesteigerten Eifer an den Tag legen, so marginale Felder wie das Wohngeldgesetz gründlicher zu beackern. Zudem sind Wohngeld-Klagen ausgesprochen selten. Warum auch sollte man, wenn man ja eigentlich nur einen Zuschuss zu seiner hohen Miete haben will, ein kompliziertes und langandauerndes Verwaltungsgerichtsverfahren auf sich nehmen? Noch dazu mit der Aussicht, dass man womöglich am Ende noch die Gerichtskosten zahlen muss? Die meisten Klagen nämlich werden als unbegründet abgewiesen. Diesen Eindruck zumindest gewinnt, wer in einschlägigen juristischen Fachzeitschriften nach Wohngeld-Fällen der letzten Jahre sucht. Auffällig dabei ist, dass vergleichsweise häufig Juristen oder Jurastudenten als Kläger auftreten.
Es ist also kaum anzunehmen, dass jemand, der wegen seines geringen Einkommens einen Wohngeldantrag stellt und abschlägig beschieden wird, bereit und in der Lage ist, offensichtliche Mängel des Wohngeldgesetzes auf gerichtlichem Wege zu verfolgen und auszufechten. Und daraus folgt, dass von der Klientel der Wohngeld-Antragsteller die aufgezeigten Widersprüche kaum je angegriffen werden. So kann ohne ernstlich drohende Widerwehr eine rechtlich bedenkliche Praxis fortgesetzt werden, die dem ursprünglichen Zweck des Wohngeldgesetzes zuwiderläuft.

Tabelle 1
Angemessene Unterkunft in der Sozialhilfe als anzuerkennender Bedarf der Wohnungsgröße/-fläche
Personen Wohnungsgröße Wohnfläche
1 1 bis 2 Zimmer bis 50 qm
2 2 Zimmer bis 60 qm
3 3 Zimmer bis 75 qm
4 4 Zimmer bis 85 qm
5 5 Zimmer bis 97 qm
für jede weitere Personplus 12 qm

Tabelle 2
Sozialhilferechtliche Mietobergrenzen im nicht-sozialen Wohnungsbau (westliche Bezirke) für bis 1949 erbaute Wohnungen (Altbau), ohne Heizung und Warmwasser
Personen Richtwert 1997
einschließlich
Betriebskosten
Richtwert 1999
ohne kalte
Betriebskosten
Richtwert 2001
ohne kalte
Betriebskosten
1 499,00 DM 440,00 DM 425,00 DM
2 601,00 DM 539,50 DM 533,00 DM
3 739,00 DM 608,00 DM 648,00 DM
4 856,00 DM 722,00 DM 769,50 DM
5 991,00 DM 825,00 DM 880,00 DM
für jede weitere Person 135,00 DM 112,50 DM 120,00 DM

Tabelle 3
Mietobergrenzen im Tabellenwohngeld in Berlin-West (Altbau) einschließlich kalter Betriebskosten, ohne Heizung und Warmwasser
Haushaltsgröße 1990-2000 2001 2002
1 Person 335 DM 440,06 DM 479,18 DM
2 Personen 430 DM 586,75 DM 635,64 DM
3 Personen 515 DM 704,10 DM 762,77 DM
4 Personen 595 DM 821,45 DM 889,90 DM
5 Personen 680 DM 938,80 DM 1.007,25 DM
für jede weitere Person 85 DM 117,35 DM 127,13 DM

Gegen die durch Gesetz erfolgte Festsetzung der maßgeblichen Höchstbeträge für Miete und Belastung gemäß § 8 WoGG (...) ist von Verfassungs wegen nichts zu erinnern (...) mag dies auch nach Auffassung des Klägers "unrealistisch" in dem Sinne sein, dass nicht auf das aktuelle allgemeine Mietenniveau abgehoben wird. Mit diesem Einwand kann der Kläger schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Gesetzgeber z.B. bereits mangels verlässlicher Daten der Wohngeldstatistik nicht an jüngere Mietpreissteigerungen allgemeiner Art anknüpfen kann und er im übrigen auch zur Vermeidung eines weiteren Preisschubs auf die Wechselwirkung zwischen Wohngelderhöhungen und dem Wohnungsmarkt Rücksicht zu nehmen hat. Damit werden zugleich "künstliche Preisauftriebstendenzen durch eine mit der Wohngeldgewährung entstehende kaufkräftige Nachfrage" (Buchsbaum, Kommentar zum Wohngeldrecht, § 8 Rdn. 1 mit Hinweis auf VG Berlin, Urteil vom 19.5.1983 -VG 6 A 254.82-) verhindert."
Aus dem Urteil des VG Berlin vom 29.2.1996 - VG 21 A 34.94 -, eingesandt von Richter am VG Baring, Berlin, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (ZMR) 1997, 53, 54.

Zum Beitrag
"Wohngeld - Wer ist dazu berechtigt und wie bekommt man es?"
in der letzten Ausgabe des MieterEchos erreichte uns folgender Brief, den wir in die Diskussion einfügen möchten.

Liebe KollegInnen,
Ihr Beitrag zum Wohngeld enthält leider schwerwiegende Fehler. So ist unzutreffend, dass die Einkommensgrenzen für die Wohngeldberechtigung sich an den Sozialhilferegelsätzen (etwa am Alter der Kinder) orientieren würden. Und die Quadratmeterzahl spielt überhaupt keine Rolle. Offenbar verwechseln die Autoren hier einiges aus dem Wohngeld- und dem Sozialhilferecht. Auch ist eine persönliche Vorsprache zur Wohngeldantragstellung nicht nötig, dafür gibt es keinerlei Rechtsgrundlage, der Antrag kann - mit allen Unterlagen - auch per Post ans Amt geschickt werden. Eheähnliche Gemeinschaften dürfen nicht besser gestellt werden als Verheiratete, hierzu ist eine Vergleichberechung gemeinsamer Antrag versus Einzelanträge der Partner durchzuführen, was allerdings nicht ohne weiteres zum Wegfalls des Wohngeldanspruchs führt. Selbstverständlich haben auch Untermieter einen individuellen Wohngeldanspruch, vorausgesetzt sie führen einen eigenen Haushalt und sind nicht lediglich nur vorübergehend vom Haushalt ihrer Familie abwesend. Dasselbe gilt für Mieter in Wohngemeinschaften, sofern sie nicht gemeinsam wirtschaften. Ggf. muss die Vermutung des Amtes widerlegt werden, dass gemeinsam gewirtschaftet werde. Bewilligungszeiträume unter zwölf Monaten liegen keineswegs im Belieben des Amtes, sondern nur zulässig wenn Änderungen der persönlichen Wohn- oder Einkommensverhältnisse konkret absehbar sind. Gegen überlange Bearbeitungszeiten helfen ein Vorschussantrag nach § 42 SGB I und ggf. ein Eil- und PKH-Antrag beim Verwaltungsgericht. Das MieterEcho sollte Antragsteller dazu ermuntern, ihre Rechte wahrzunehmen und sich durch die Ämter nicht einschüchtern zu lassen. Der Artikel scheint lediglich die restriktive und ggf. rechtswidrige Praxis einiger Berliner Ämter zu beschreiben, ohne sich auch nur ansatzweise mit der Rechtslage auseinander zu setzen und ohne die Möglichkeiten aufzuzeigen, sich gegen derartige Machenschaften zu wehren. Eine derartige Beschreibung nach dem Motto "die Ämter sind furchtbar und dagegen kann man gar nichts machen" wird dem Anspruch eines MieterEchos nicht gerecht. Engagierte Sozialarbeiter müssen Gesetze, Kommentare und VwV zum WoGG und zum SGB lesen und benutzen können, wenn sie eine qualifiziere Beratung anbieten wollen. Der ganze Artikel sollte noch einmal geschrieben werden. Von jemandem, der die Rechtslage kennt und sich auch für Mieterrechte einsetzt.
Georg Classen

Antwort auf den Leserbrief von Georg Classen von Klaus Nolden

Lieber Herr Classen,
ein uns und der Redaktion des MieterEchos vorliegender Bescheid des Wohnungsamtes Steglitz-Zehlendorf vom 18.03.2002 zeigt deutlich, dass Einkommensgrenzen aus dem Sozialhilferecht, wie von uns behauptet, bei der Wohngeldberechtigung eine ausschlaggebende Rolle spielen.
In dem Bescheid wird der Antragstellerin nämlich u.a. mitgeteilt:
"Bei der Bearbeitung Ihres Antrages auf Wohngeld vom 15.01.2002 wurde festgestellt, dass das von Ihnen nachgewiesene monatliche Einkommen so gering ist, dass es nicht für die Bestreitung des Grundbedarfs im Sinne des Regelsatzes nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für einen Haushalt mit zwei Personen ausreicht. Auch unter Hinzurechnung eines möglicherweise zu erwartenden Wohngeldes wird der sozialhilferechtliche Mindestbedarf nicht erreicht."
Als Praktiker in der Hilfe für Berliner Mitschuldner erleben wir täglich, dass Ansprüche auf dringend benötigte Wohngeldzahlung einfach deswegen nicht realisiert werden, weil es den Berechtigten schlicht an klarer Orientierung über die Einkommensgrenzen für die Wohngeldberechtigung fehlt. Unsere einfache Faustformel: Einkommen bis zu 20 % über der Sozialhilfe, hilft dem Arbeitslosen oder dem Erwerbsunfähigkeitsrentner deshalb mehr als die Kenntnis über kompliziertes Wohngeldrecht. Und was die Quadratmeterzahl betrifft, die spielt sehr wohl eine Rolle. Große Wohnungen sind in der Regel teurer als kleine, das Wohngeldrecht erkennt aber nicht jede Miete an, sonder nur die zu berücksichtigende Miete. Als Praktiker empfehlen wir immer die persönliche Vorsprache zur Wohngeldantragstellung, den Kontakt zur Sachbearbeitung im Amt halten wir nicht für einen Nachteil.
In unserem Praxisfall ging es nicht um die Besserstellung von eheähnlichen Gemeinschaften, sondern um deren Schlechterstellung gegenüber Verheirateten.
Der Anspruch des MieterEchos sollte es zulassen, die Lage für Mieter in der Stadt ungeschminkt abbilden zu können. Die über 200.000 Wohngeldempfängerhaushalte Berlins dürften zum Beispiel ein Interesse daran haben, genau zu erfahren, wie kundenfreundlich oder kundenfeindlich das eigene Wohngeldamt arbeitet. Darum geht's Klaus Nolden

(Zum Problem der Beantragung von Wohngeld bei einem Einkommen unterhalb des Sozialhilfesatzes, siehe auch "Ärmer als das Wohngeldamt erlaubt", MieterEcho 289, S. 16, die Red.)

Informationsabende mit Sozialberatung
Informationsabende mit Beratung zu den Themen Wohngeld, Mietschulden,
Umgang mit Ämtern und Behörden etc.
finden ab sofort
jeden ersten Donnerstag
im Monat um 19 Uhr
in der Geschäftsstelle
der Berliner MieterGemeinschaft e. V.,
Möckernstraße 92, 10963 Berlin statt.
Die Informationsabende sind auch für
Nicht-Mitglieder offen.