MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Eigenheimzulage - Auslaufmodell?

 

Julia Oppermann

Staatlich gefördert wird Eigentum seit eh und je. Lange geschah dies durch Steuervergünstigung, also durch staatlichen Einnahmeverzicht. Das Prinzip dabei war einfach: Wer viel verdiente, bekam viel; wer noch mehr verdiente, bekam noch mehr und wer nichts verdiente, bekam auch nichts. Das klingt eigentlich gar nicht so ungerecht, jedenfalls solange man soziale Zielstellungen als zu überwindende Vorurteile betrachtet. Ansonsten verblüfft die Logik.

Seit dem 01.01.1996 wird der Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums nicht mehr steuerlich, sondern direkt gefördert. Grenzen der Förderung gibt es nur nach oben. Der Gesamtbetrag der Einkünfte darf bei Alleinstehenden 81.807 Euro und bei Ehepaaren nicht mehr als 163.614 Euro (pro Kind jeweils 30.678 Euro zusätzlich) nicht übersteigen. Nach unten ist bis zur Sozialhilfegrenze alles offen, vorausgesetzt eine Bank übernimmt die Finanzierung.

Unter diesen Umständen kann, wer ein Häuschen baut, 5 % der Anschaffungs- und Herstellungskosten, höchstens allerdings 2556 Euro (Grundförderung), dazu 767 Euro pro Kind und - falls besonders energiesparende Techniken eingesetzt wurden - weitere 256 Euro acht mal jährlich vom Bund kassieren.

Für den Kauf einer Eigentumswohnung gibt es nur 2,5 % vom Kaufpreis respektive höchstens 1278 Euro Grundförderung. Kinder und Ökomaßnahmen werden wie beim Neubau honoriert.

Bereits 1995 wurden - im Vorlauf gewissermaßen und noch vergleichsweise wenig - die ersten 16.156 Anträge gestellt. In den folgenden Jahren erhöhten sich ihre Anzahl und die aufgewendeten Mittel ganz erheblich (siehe Tabelle).
Bei den genannten Beträgen handelt es sich immer nur um die in den entsprechenden Jahren erstmals gewährten Zulagen. Sie werden jeweils acht Jahre lang gezahlt und summieren sich entsprechend. Zukünftig wird man also jährlich ca. 650.000 Anträge und über 1,5 Mrd. Euro an Ausgaben haben, so dass die Eigenheimzulage den Bundeshaushalt letztendlich mit über 13 Mrd. Euro belasten dürfte.

Wer mit Zahlen solcher Größenordnung seltener zu tun hat, braucht Vergleichsmaßstäbe: Das Tabellenwohngeld kostet den Bund jährlich ca. 1,7 Mrd. Euro, die Förderung des Mietwohnungsbau weniger als 0,15 Mrd. Euro. und die Förderung von Genossenschaftsanteilen 0,001 Mrd. Euro. Die Eigenheimzulage hat dem Steuerzahler demnächst genau so viel wert zu sein wie die Arbeitslosenhilfe (ebenfalls 13 Mrd.) aber - und das ist fast tröstlich - weniger als halb so viel wie die Verteidigung.

Unzivilisierte Mieter und Mieterinnen
Derartige Ausgaben verlangen nach Begründung. Davon gibt es reichlich. Die meisten und häufig auch die witzigsten stammen aus dem Bereich der sozialen Stadtentwicklung. So wusste z.B. die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Frau Angelika Mertens, MdB, auf dem diesjährigen "wohnbund"-Kongress launig von ihren Erfahrungen aus New York zu berichten, wo in der Bronx die soziale Stabilisierung durch den liebevollen Umgang der Eigentümer mit ihren Wohnungen nicht unwesentliche Impulse erfahren habe. Die Verallgemeinerung ihres Erlebnisses liest sich so: "Ein hoher Anteil von Eigentümerhaushalten gewährleistet erfahrungsgemäß einen verantwortungsvollen Umgang der Bewohner mit den Wohnungen einschließlich des Wohnumfeldes und ergänzt insofern Maßnahmen zur Stabilisierung von Wohngebieten." Das hat die Dame sehr diplomatisch ausgedrückt, denn was sie eigentlich meint, ist, dass die Mieter sowohl Wohnungen als auch Wohnumfeld zu verwüsten pflegen, dadurch (und weil von etwas tierhafterem Zuschnitt) die Stadtteile zum Kippen bringen, und deshalb - der Mensch beginnt erst beim Wohneigentum - des kultivierenden Einflusses der Eigentümer bedürfen.
Der permanent beschworene Zusammenhang zwischen Alterssicherung und Wohneigentum ist von ähnlicher Qualität. Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, dass sich die hohen Kosten für den Erwerb des Eigentums erst nach ca. dreißig Jahren reduzieren (und auch dann nicht zu einen paradiesischen Zustand jenseits aller finanziellen Belastung führen), dass daher als Käufer bzw. Erbauer sinnvollerweise nur in Frage kommt, wer das dreißigste Lebensjahr bereits, das vierzigste aber noch nicht überschritten hat und dass gerade diese Schicht im Rentenalter mit dreißig Jahre altem und ebenfalls in die Rente kommendem Wohneigentum und seinem entsprechend gesteigertem Bedarf an Aufwendungen für die inzwischen morschen Gemäuer belastet ist und man wird den Verdacht nicht los, dass Wohneigentum im Alter weniger vor Wohnkosten als vor Langeweile schützt.
Aber die Eigentumsquote! Sie liegt doch in der Bundesrepublik Deutschland so niedrig, wird allseits beklagt. In der Tat! Beklagenswert für alle, die vom Wohneigentum ökonomisch profitieren. Aber sonst eine der besten Eigenschaften dieses Landes und ganz besonders seiner Hauptstadt Berlin. Ihre Geschichte als Mieterstadt ist die Geschichte ihrer Emanzipation von mittelalterlicher Rückständigkeit. Zwischen 1654 und 1712 hatte sich die Bevölkerung verzehnfacht, während die Zahl der Feuerstellen nur um das Dreifache zunahm. Die Entwicklung der Gewohnheit des "Zurmietewohnens" beginnt in Berlin zur Zeit des großen Kurfürsten, vor allem im Zuge der Verlagerung der Unterkunft von Offizieren, Beamten und auch des kurfürstlichen Hofes. In Berlin waren die Citoyen immer Mieter, während die kleinbourgoisen Kreise Eigentum bevorzugten. Dies hat sich bis heute nicht geändert, wie die militant antisoziale und eigentumsbornierte AG Bürgerstadt (Hoffmann-Axthelm, Häußermann und Co.) so beklemmend provinziell und geschäftemacherisch beweist.

Wohneigentum als Sozialversicherung?
Von ihrer menschenfreundlichsten Seite zeigt sich die Politik in ihrem Drang den irgendwie ermittelten und seither permanent kolportierten Wunsch von über 80 % der Bevölkerung nach dem Wohneigentum zu erfüllen. Das Engagement ist einseitig, denn der Wunsch nach einem Lottogewinn erhielte mit Sicherheit weit höhere Zustimmung und der nach einem intakten und sozial ausgewogenen Gesundheitssystem auch.
Ulrich Pfeiffer, Geschäftsführer von empirica, Sprecher des "Managerkreises" der Friedrich-Ebert-Stiftung, "Dauerberater der Deutschen Bank", "Produzent von Leichtsinnsfehlern" "jemand, der als Provokateur zu Diensten ist, wenn einflussreiche Leute irgendwo eine Bresche schlagen wollen, sich selbst aber im Hintergrund halten möchten" (Simone Hain, ME Nr. 280) jemand, dem die neoliberalen sozialdemokratischen Genossen die Redaktion des Positionspapiers der Weltkonferenz Urban 21 (siehe auch Beitrag zu John Friedmann, S. 27, die Red.) anvertraut hatten, wird von der Wohnungswirtschaft, den Banken und politisch wirtschaftlichen Zweckverbänden u.a. mit Aufträgen für Gutachten im Sinne der Verbreiterung des Wohneigentums geradezu überhäuft. Anders als die laubenpieperisch veranlagte AG Bürgerstadt erspart sich dieser Kosmopolit (Bonn, Berlin, London, Provence) regelmäßig die Begründung für das Wohneigentum. Damit zeigt er Format. Wohneigentum genügt sich selbst. Wohneigentum ist ohne positive gesellschaftliche Effekte. Wohneigentum ist das Ergebnis eines wirtschaftlichen Liberalisierungsprozesse zu dessen Zielen nicht nur der radikale Abbau markteinschränkender Regulierungen sondern auch gleichzeitig die kompromisslose Ausdehnung der Märkte gehört. Wohneigentum ist Kernstück von Kommodifizierung, des Bestrebens sämtliche sozialen Bereiche in die Warenwirtschaft zu überführen.

Die sozialen Träger dieses Prozesses sind die sogenannten Schwellenhaushalte. Sie, die auserkorene Avantgarde auf dem Wege in die Privatisierung, nicht nur des Wohnens, sondern auch der Alterssicherung und der Gesundheitsvorsorge, stellen die soziale Drehscheibe für den Richtungswechsel vom fordistischen Sicherheits- zum liberalen Wettbewerbsstaat dar. Diese Schicht ist der Adressat der Eigenheimzulage, weil sie als liberaler Rammbock nicht nur mit den Nachteilen des Wohneigentums, sondern auch mit dessen Risiken belastet ist (siehe ME 287).

Doch gerade die Risiken werden durch die Eigenheimzulage für diejenigen, die darauf angewiesen sind, ins kaum Kalkulierbare gesteigert. Seit 1994 hat sich die Zahl der Zwangsversteigerungstermine und der Umsätze verdreifacht. Doch bereits jetzt wird eine neue Versteigerungswelle erwartet.

"Es ist nicht auszuschließen, dass in den nächsten Jahren die Zahl der Zwangsversteigerungstermine selbstgenutzter Wohnimmobilien ansteigen könnte, wenn die Eigenheimzulage für den 1. Förderjahrgang im Jahr 2003 ausläuft und der dann eintretende Belastungssprung die Leistungsfähigkeit mancher Eigentümer übersteigt", befürchtet selbst das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.

Zersiedlungsprämien und Zwangsversteigerungen
In letzter Zeit ist die Eigenheimzulage ins Gerede gekommen. Dazu hat nicht nur ihre unverantwortliche Dimension, sondern vor allem ihre negative Auswirkung auf die Entwicklung der Kernstädte Anlass gegeben. Die Prämie für den Neubau, auch als Dorfprämie bezeichnet, treibt die Steuerbürger geradezu aus den Städten. Landschaftszersiedlung und die ökologisch belastenden Maßnahmen für Verkehrsanbindungen der neuen Siedlungen sind die Folge. Doch kaum hatte der rheinland-pfälzische Finanzminister Gernot Mittler eine entsprechende Bundesratsinitiative angekündigt, regte sich lautstarke Empörung. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Sprecher der Abgeordneten der neuen Bundesländer, Günter Nooke, sieht noch Nachholbedarf an Eigenheimen auf der grünen Wiese in Ostdeutschland. Ihm scheinen weder die enormen Leerstände genug zu sein, noch der Anstieg der Zwangsversteigerungen (im ersten Halbjahr 2001 in den alten Bundesländern 33,2 % in den neuen 49,6 %) auszureichen.
Seiner Kollegin Christine Ostrowski, der wohnungspolitischen Sprecherin der PDS im Bundestag, genügt noch nicht einmal der Status quo. Sie empfindet die derzeitige Eigenheimzulage mit der unterschiedlichen Grundförderung als Diskriminierung für die Käufer von umgewandelten Mietwohnungen. Statt die insgesamt überzogene Förderung zu reduzieren, möchte sie gerne und mit voller Großzügigkeit noch ein paar Milliarden für die Bestandserwerber drauflegen. Ihre Argumentation stützt sich auf die Vorteile des Häuslebauens gegenüber dem Erwerb einer Eigentumswohnung aus dem Bestand und liest sich richtig putzig: "Beim Neubau hat der Bauherr den Vorteil, dass er in größerem Umfang eigene Vorstellungen einbringen und sich gestalterisch betätigen kann als beim Bestandserwerb. (...) Der im Zuge des gesteigerten Umweltbewusstseins geweckte Wunsch möglichst nahe an der Natur zu wohnen, wird auch noch im Reihenhaus eher befriedigt als in der innerstädtischen Gebietskulisse. (...) Letztendlich schwingt in der Entscheidung zwischen Bestandserwerb und Neubau auch eine gewisse Unsicherheit mit über verdeckte bzw. unerkannte Mängel, ansatzweise vergleichbar mit dem Gefühl bei der Entscheidung zwischen Neuwagen und generalüberholtem Gebrauchten. Dementsprechend sind stärkere Anreize als die derzeitigen für den Bestandserwerb nötig."
Es überrascht, dass Landschaftszersiedlung nebst Wohnflächenkonsum mit gesteigertem Umweltbewusstsein in Verbindung gebracht werden kann. Aber vielleicht glaubt Frau Ostrowski auch nur, zeigen zu müssen, dass sie mit Diskursen, die sie für herrschend hält, vertraut ist. Deshalb sollte man ihr sagen, herrschenden Diskursen muss man sich ebenso wenig anpassen wie herrschenden Verhältnissen. Und falls sie meint, Eigentum für alle sei die zeitgemäße Fortschreibung einer verstaatlichten Wohnungswirtschaft, dann irrt sie. Ihre Politik lässt sich beim besten Willen nicht mit dem Anspruch ihrer Partei auf soziale Gerechtigkeit in Verbindung bringen, viel eher mit den markt- und warenwirtschaftlichen Vorstellungen der Freien Demokraten. Dort mögen Eigenheimzulage und Mietsteigerungen als Wirtschaftsstimulatoren ihren Platz haben. Aber nur dort. Aus der Realität gehören beide verbannt.

Jahr Anzahl der Fälle mit
erstmaliger Förderung
Erstmals gewährte
Zulagen in Mio. DM
1995 16.156 58,7
1996 329.983 1.430,7
1997 579.496 2.795,2
1998 677.936 3.271,1
1999 693.448 3.444,2