MieterEcho
Nr. 283 - Januar/Februar 2001

'Wohlfühlmiete' die neue Wohnwertmiete der '1892'

 

von Alfred Gerhard

Immerhin 15 Jahre älter als die 1907 gegründete Charlottenburger Baugenossenschaft ist die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 e.G. Liegt es an diesem Altersunterschied, dass sie ein wenig betulicher agiert, oder hat das stärker in der Tradition genossenschaftlicher Ideale verwurzelte Bewusstsein zu einer Schamfrist gezwungen? Wie dem auch sei, erst Jahre später, der Zeit in der die "Charlotte" schon mitten in den Auseinandersetzungen um die Wohnwertmiete steckt, hat die "1892" dieses Konzept ihren Genossen angedroht. Bereits der Lagebericht von 2000 verhieß nichts Gutes. Unter der Rubrik "Mieten- und Leerstandsentwicklung" war zu lesen: "Der Angebotsüberhang in Verbindung mit dem daraus resultierenden Wettbewerbsdruck macht die Vermietung von Wohnungen ständig schwieriger und erfordert erhebliche Anstrengungen des gesamten Unternehmens. Bisher konnten wir es vermeiden, Vermietungserfolge aufgrund von Mietreduzierungen zu erzielen."

Im MieterEcho wird immer wieder darauf hingewiesen - und der Mietspiegel ist dazu eine Illustration - Mieten kennen nur eine Tendenz: die nach oben. Mietsenkungen finden nicht statt, auch wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt. Selbst eine Genossenschaft kann sich nicht darauf verständigen Leerstände mit Mietsenkungen zu beantworten, sondern ist stolz darauf, keine "Vermietungserfolge" durch "Mietreduzierung" erzielt zu haben. Wer angesichts dessen noch von einem Wohnungsmarkt als funktionierendem Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage spricht, kann nur ein übler Demagoge sein.

Der Ausweg aus der prekären Situation der "1892" wird im Lagebericht als zukünftige "Vermietungspolitik" beschrieben: "Aufgrund der Marktsituation können zum Teil rechtlich mögliche Mieterhöhungen nicht durchgesetzt werden. Da unsere Genossenschaft aber auf eine weitere Verbesserung der Ertragssituation angewiesen ist, haben wir nach zweijähriger Vorbereitungszeit einen genossenschaftsinternen ,Mietspiegel' erarbeitet, der, unter Berücksichtigung der Mietengesetzgebung und der Mietenrechtsprechung, die Verzerrung des Mietspiegels bezüglich der Lage, des Alters und der Größe der Wohnungen abmildert. Die Mietpreise sind anhand unseres Wohnungsbestandes erarbeitet worden, die Erhöhungen unserer Nutzungsgebühren sollen im Normalfall 5% p.a. bis zum Erreichen der individuellen Wohnwertmiete betragen." In der letzten Ausgabe ihres Genossenschaftsmagazins lässt die "1892" die Katze nun gänzlich aus dem Sack: "Eine handliche Broschüre kommt allen Genossenschaftsmitgliedern ins Haus". Die "Mitglieder der Genossenschaft", nicht etwa die Genossen, werden dann nicht nur "die Gründe, die zur Erarbeitung dieses speziell auf die Bedürfnisse der ‚Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892' zugeschnittenen Mietberechnungssystems führten" erfahren, sondern auch Aufklärung erhalten über "der(n) lange(n) und aufwendige(n) Weg, der in diesem Diskussionsprozess zurückzulegen war."

Sie werden also genauso "informiert" werden, wie die Genossen der Charlotte. Sie werden aber genauso wenig wirklich mitzubestimmen haben - und sie werden demnächst genauso viel Miete zu bezahlen haben.

 

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