MieterEcho
Nr. 283 - Januar/Februar 2001

Berlin_Stadt ohne Form - Strategien einer anderen Architektur

 

von Volker Eick

"Der Staat zieht sich aus klassischen Politikfeldern zurück. Dazu gehört auch die Stadtplanung, in der Public Private Partnership eine immer größere Rolle spielt", so der Architekt und Publizist Philipp Oswalt, der mit seinem Band "Berlin_Stadt ohne Form" Strategien für eine andere Architektur vorgelegt hat und sich mehrfach kritisch mit dem Vorzeigeprojekt des Berliner Senats, dem "Planwerk Innenstadt", auseinandergesetzt hat. In zwölf kurzen Einzelkapiteln stellt Oswalt die Geschichte und Materialisierung derselben in Berlin und seinem Umland dar, die Stoffflüsse - etwa den Abbau und Transport von Bau(schutt)material, Müll und (Ab)wasser und dessen topographische Folgen -, um in prägnanten Beispielen das Ungeplante und Unplanbare städtischen Bauens in den Vordergrund seiner Essays zu stellen. Exemplarisch kann er das für die Stadtmauern seit dem 12. Jahrhundert bis hin zur Berliner Mauer von 1961 zeigen oder auch an den nach dem Zweiten Weltkrieg abgetragenen Kopfbahnhöfen, von denen viele zu städtischen Parks geworden sind. Diese ungeplant-unplanbaren Prozesse sind für Oswalt Beleg eines von ihm als "automatischer Urbanismus" bezeichneten Phänomens.

Während ihn die Daimler City auf dem Potsdamer Platz und die Friedrichstraße auf Grund ihres immer gleichen Raumprogramms und gleicher Grundrisslösungen - die Überbauung ganzer Blöcke wird durch eine Vielzahl kleinteiliger Fassaden kaschiert - richtig an Baufachmessen erinnern, weist er auch darauf hin, dass auf ideologischer Ebene ein weiterer Kampf gekämpft wird: Weil sich aus der widersprüchlichen Stadt kein eindeutiges Selbstbild habe ableiten lassen, griffen nach 1989 die städtischen Eliten auf die Leitbilder der "berlinisch-preußischen Architektur" und der "europäischen Stadt" zurück und wickelten zugleich städtebauliche Gebäude und Ensembles Ostberlins ab. In diesem Prozess schlägt sich, so Oswalt, "der Wunsch nach einer Normalisierung der deutschen Geschichte nieder".

Von den ersten Siedlungen im märkischen Sand über den Prozess urbanen Revanchismus', der die ersten Jahre der 90er Jahre charakterisierte, bis hin zur aggressiven Durchsetzung der vermeintlichen boom town Berlin durch internationale developer und den Berliner Senat - ein lesenswerter und zudem reich bebildeter Band, der sich mit zahlreichen neuen Bauten der Stadt auseinandersetzt.

Philipp Oswalt:

Berlin_Stadt ohne Form. Strategien einer anderen Architektur, Prestel Verlag, München 2000, 307 Seiten, zahlr. Abbildungen, DM 58,-

 

Startseite | MieterEcho Archiv