MieterEcho
Nr. 283 - Januar/Februar 2001

Infoveranstaltung zur 'Humanistischen Bewegung' in Friedrichshain

 

Zum 26.10.00 hatte die AG Kiezentwicklung in die Zille-Schule eingeladen. Thema: Psychosekte "Humanistische Bewegung" (Herausgeber der "Friedrichshainer Ansichten") in Friedrichshain.

Die Veranstaltung hatte nicht den gewünschten Erfolg. Einige geladene Gäste sagten ab. Die Sektenbeauftragten des Senats arbeiten derzeit an Scientology, die kath. Kirche zieht gerade um und konnte sich nur ungenügend vorbereiten, die ev. Kirche konnte den Termin auch nicht möglich machen, die Humanistische Union hatte keine freien Kapazitäten wegen einer großen Veranstaltung zur Abschiebehaft im Haus der Demokratie, die Mitarbeiterin vom Bezirksamt sagte einen Tag vorher ab (die unterstützenden Stadträte sind beide derzeit nicht im Amt) und die BürgerInnen aus Prenzlauer Berg hatten Angst in der Öffentlichkeit aufzutreten.

So traf sich eine Runde mit Experten, interessierten Bürgern und Gewerbetreibenden und einem freien Journalisten. Es folgte ein kurzer Abriss über die "HB" in Berlin vom Religionswissenschaftler Markus Wende, der sich für kurze Zeit anwerben ließ.

1974 ließ sich die Sekte in Moabit nieder, gründete ein "Nachbarschaftszentrum" in der Turmstraße und gab die Zeitung "Mach Mit" heraus. Nebenan saß der Sektenbeauftragte der kath. Kirche und der machte gegen die Sekte mobil. Sie verschwanden wieder.

1984 folgte die vorerst letzte Umfirmierung von "Gemeinschaft" in "Bewegung" und man gründete europaweit Parteien unter grünem Label.

1986 traten sie in Schöneberg und Neukölln auf und machten die "Schöneberger Rundschau" und die "Neuköllner Wandzeitung". Neue Mitglieder rekrutierten sie bevorzugt bei den Studenten.

Das Schema ist bei allen versteckten Sekten ähnlich. Sie locken mit Umfragen, die auf örtliche Themen zielen und die freiwillig gegebenen Rufnummern und Adressen nutzt die "HB" für ihre Terrormethoden. Unwissentlich geriet z. B. die "Christ of church" an die Nummer der Sektenbeauftragten des Senats. Sie wurde innerhalb von 2 Wochen 32 mal angerufen.

Erst wird ein Gefühl von Vertrauen und Freundschaft entwickelt, dann folgt eine Psychoanalyse über die Aufarbeitung von Gewalterlebnissen (Prügel in der Jugend, Mobbing am Arbeitsplatz etc.). Kader erzählen den Leuten, dass sie nichts wert sind - bis einige Heulkrämpfe bekommen - aber sie haben eine Chance, was dagegen zu tun, nämlich als Mitglied der Sekte und durch Teilnahme an teuren Seminaren. Es gibt verschiedene Formen der Beeinflussung. Eine z. B. ist, die neuen Mitglieder in einen abgedunkelten Raum mit meditativer Musik zu stecken und Geschichten zu erzählen wie z.B.: Du befindest dich in einem dunklen Tunnel mit Dreck und Spinnen - dann taucht eine Lichtkugel auf (Fixierung auf den inneren Führer / Silo), der du folgen musst, um zu einem Bergsee mit Sonne und Vögeln zu gelangen. Silo - der große Guru der "HB", gibt als Geburtsdatum den 06.01.38 an, den Tag der Geburt des Messias. Der Guru Moon (Moon-Sekte) z. B. änderte sein wahres Geburtsdatum auf eben diesen Tag um.

Nach eigenen Angaben ist die "HB" in 77 Ländern aktiv mit einer Mitgliederzahl zwischen vermutlich 22.000 bis 24.000 Menschen. Die Stadtteile, in denen die Sekte aktiv wird, werden in der argentinischen Zentrale ausgesucht und das Auftreten vorbereitet, bis zur Vorgabe des Layouts für Stadtteilzeitungen. (Entspr. Unterlagen liegen dem Religionswissenschaftler vor.) Außerdem ist ihr Kredo: Jegliche Regierung ist korrupt. Jeder, der gegen die Sekte arbeitet, ist Vertreter des Regimes. Ziel ist die politische weltweite Macht mit ihrem stark antidemokratischen, hierarchischen System. Die Sekte unterscheidet zwischen Mitgliedern und Mitläufern. Mitläufer sind z. B. in der Regel die freiwilligen Zeitungsmitarbeiter, die beäugt werden, ob potentielle neue Mitglieder unter ihnen sind. In dieser Stufe kann jeder noch einfach aussteigen. Die einzige Möglichkeit aufzusteigen, zu einem "brauchbaren Mitglied der Gemeinschaft" zu werden, ist das Anwerben neuer Mitglieder.

Seit 1985 hat die Sekte wahrscheinlich 3 bis 4 Mio. DM in Berlin investiert. Aus vielen Bezirken sind sie rausgeflogen (in Prenzlauer Berg und Friedrichshain noch nicht).

Die Mitglieder müssen sich nach außen verstellen (grün-alternatives Auftreten) und erleben nach innen das Gegenteil (nicht öffentliche hierarchische Führungsstrukturen). Normalerweise halten Menschen diesen Widerspruch nicht lange durch. Dies berichten auch immer wieder Aussteiger. Vermutlich ist deshalb auch kein wirkliches Wachstum der Sekte zu verzeichnen. Aber der Idealismus muss anders sein als die Ziele. Das Weltbild ist in sich geschlossen und hält die Leute bei der Stange. Wer bei Scientology eintritt, weiß worauf er sich einlässt, wer Mitglied bei der "HB" wird, weiß es meistens nicht. Dann kommt es darauf an, den Absprung rechtzeitig zu schaffen oder in die Psychomühlen der Sekte zu geraten.

Welche Fragen müssen wir uns und ihnen stellen?

Warum tarnen sie sich? (Sie schaden damit sehr den seriösen Vereinen). Wie passt der Mystiker (eigene Aussage) Silo zum Humanismus? Soll man die Sekte überhaupt ernst nehmen? Ist sie nicht zu klein und unwichtig? Wertet man sie auf, wenn man sich mit ihr inhaltlich beschäftigt? Wenn die Sekte so humanistisch und grün-alternativ ist, warum fand dann die spanische Polizei bei der Durchsuchung der Zentrale in Madrid Waffen, Hakenkreuze und Ähnliches? Wie vertragen sich hierarchische, faschistoide Strukturen nach innen mit demokratischem Auftreten nach außen? Wie finanzieren sie sich (Beiträge und Gewerbeanzeigen bringen nur einen kleinen Teil)? Ist die "Humanistische Partei" verfassungsfeindlich, weil sie aufruft die Regierung abzuschaffen?

Fazit:

Die Experten würdigten die ruhige, sachliche Herangehensweise der AG Kiezentwicklung und die aufklärerische Arbeit. Sie zogen Parallelen in andere Bezirke und stellten fest, dass die Gewerbetreibenden nicht anders reagieren als im Prenzlauer Berg. Ihnen ist egal, wo sie eine Anzeige schalten, Hauptsache preiswert. Ähnliches gilt für die Veröffentlichung von Vereinen. Auf der einen Seite distanziert man sich von der Sekte, auf der anderen nutzt man die Verbreitungsmöglichkeit. Wir sind uns darüber einig geworden, dass wir auch zukünftig sachlich über die Hintergründe der "Humanistischen Bewegung" aufklären, egal wie viele Lügen sie über uns verbreiten. Einige halten es für bedenklich, dass ein Anhänger der Sekte im Kiezcafé der Landesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen arbeitet, das überwiegend sozial benachteiligte Menschen nutzen. Die Experten haben zugesichert, uns zu unterstützen. Wir hoffen, dass sich das Bezirksamt mehr als bisher einbringt.

Werner Schulz vom Humanistischen Verband hat Materialien bereitgestellt. Wer Interesse hat, erhält im Mieterladen das Informationsblatt "Wie erkenne ich eine Sekte" der Senatsverwaltung und/oder das Buch "Siloismus" von Markus Wende für 3,80 DM Schutzpreis - so lange der Vorrat reicht. Ein Ansichtsexemplar heben wir natürlich auf.

Veröffentlicht in der Kiezzeitung "Bänsch-Echo", Ausgabe 82, 12/00-01/01.

Anm. der Redaktion:

Das o.g. Buch "Siloismus", Autoren Markus Wende und Felix Weiland, ist in der Reihe "Humanismus aktuell" von Werner Schulz im Auftrag des Humanistischen Verbandes Deutschlands herausgegeben worden; ISBN 3-928366-09-2.

 

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