MieterEcho
Nr. 282 - November/Dezember 2000

GSW Verkauf bleibt geheime Senatssache

 

Hermann Werle / MieterInneninitiative gegen Privatisierung

Macheath, genannt Mackie Messer:
"Wir kleinen bürgerlichen Handwerker, die wir mit dem biederen Brecheisen an den Nickelkassen der kleinen Ladenbesitzer arbeiten, werden von den Großunternehmen verschlungen, hinter denen die Banken stehen. Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?"
Bertold Brecht,
Dreigroschenoper

Wurden zu Mackie Messers Zeiten nur die kleinen Fische von den Großen geschluckt, so zeichnet sich der heutige freie Markt dadurch aus, dass sich die Großen gegenseitig verschlingen. Das kann durch eine freundschaftliche Fusion, aber auch durch eine feindliche Übernahme geschehen. Ziel ist in jedem Fall die Steigerung von Gewinnen - Konsequenz ist aber ebenso in jedem Fall der Ab- bau von Arbeitsplätzen, die Schwächung der Gewerkschaften und im Falle des Verkaufs von städtischen Wohnungsbaugesellschaften die unsichere Zukunft der Mieter und Mieterinnen.

Geheimnistuerei um GSW Verkauf

Trotz massiver Proteste von Gewerkschaften, Beschäftigten und Mietern beschloss das Abgeordnetenhaus am 13. September 2000 den Verkauf der GSW. Hatte Mackie Messer zumindest noch seinen Dietrich in der Hand, so stehen die MieterInnen und Beschäftigten der GSW mit leeren Händen im Dauerregen. Einzig Ergänzungen zum Mietvertrag verspricht der Beschluss des Abgeordnetenhauses. Vorgesehen sind danach dauerhafter Kündigungsschutz, Schutz vor unangemessenen Modernisierungsmaßnahmen, Vorkaufsrechte von MieterInnen und Vorrang genossenschaftlichen Erwerbs.
Wo und wann diese Ergänzungen zu erhalten sind, verrät der Beschluss leider nicht. Auf die Anfrage in der Hauptgeschäftsstelle der GSW in der Kochstraße war die Antwort: "Da haben wir keine Informationen" - sprich Fehlanzeige. Dieselbe Anfrage bei der Geschäftsstelle Kreuzberg: "Da wissen wir nichts von, versuchen Sie es unter der Telefonnummer .........". Telefonische Anfrage beim Geschäftsführer: "Die Vertragsergänzung wird Ihnen zugeschickt". - Aha - es scheint dieses Papier also tatsächlich zu geben. Aber auch nach zwei Wochen ist noch keine Post von der GSW eingetroffen und so wird der letzte Versuch unternommen. Diesmal mit Erfolg. Der Betriebsrat stellt das Papier gerne zur Verfügung. Der Inhalt ist jedoch recht ernüchternd, da er lediglich bestehendes Mietrecht bestätigt (siehe unten). Der eigentliche Skandal ist allerdings, dass wir, die MieterInnen, die Ergänzung nur auf Anfrage - und mit viel Glück - erhalten. Mit Mackie Messers Dietrich wäre ein persönlicher Besuch in der Kochstraße die angemessene Reaktion auf die Geheimniskrämerei der GSW. Die Kritik muß allerdings weniger der GSW-Geschäftsführung als vielmehr den verantwortlichen Politikern und hierbei z.B. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) gelten. Auf eine Anfrage bezüglich der Mietvertragsergänzungen vom 12. August, antwortet Strieder am 8. Oktober an eine Bezirksleitung des Berliner Mietervereins: "Insofern wird die GSW nach Absprache mit meinem Haus für die ca. 59.000 vom Verkauf der Geschäftsanteile der GSW betroffenen Wohnungen die Mietvertragsergänzungen nur auf ausdrücklichen Wunsch der Mieter abgeben. Ich vertrete die Auffassung, dass damit die Mieterinteressen vollständig gewahrt und die Mieterschutzrechte umfassend und bedarfsgerecht gewährleistet sind." Herzlichen Glückwunsch Herr Strieder für diesen heroischen Einsatz für die Interessen der Bevölkerung.

Reste der Gehag werden verkauft

Ähnlich eifrig dürfte sich der Supersenator beim nun angekündigten Verkauf der restlichen Landesanteile der Gehag an die WCM ins Zeug gelegt haben. Zu Beginn des Jahres legte Strieder noch großen Wert auf die Einflussmöglichkeiten des Senats auf die Geschäftspraxis der Gehag, die durch die Landesanteile gewährleistet wären. Ein halbes Jahr später spielt dieser Aspekt offensichtlich keine Rolle mehr. "Geschwätz von gestern", wird er sich wohl denken. Die von Gewerkschaften, Betriebsräten, Mieterverein und einigen Mitgliedern der SPD-Fraktion mühsam abgerungene Zusage, dass 25% plus eine Aktie in der Hand des Landes Berlin verbleibt, wird schlichtweg ignoriert und der vollständigen Ausplünderung der Gehag steht damit nichts mehr im Wege. Also merke, egal was bezüglich des Verkaufs der GSW versprochen wird, eine Garantie kann es bei diesem Senat für nichts geben.
Dass die Reste der Gehag unter Ausschluss der - sicherlich interessierten - Öffentlichkeit vollzogen wurde ist eine Sache, aber dass die Gesellschaft ausgerechnet an die WCM veräußert wird, setzt der Sache die Krone auf. Im ME 279 und ME 281 wurde bereits über diese Gesellschaft, ihren Hauptanteilseigner Karl Ehlerding und ihre Verstrickungen in den CDU-Spendensumpf berichtet. Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen an die WCM wurde aus diesem Grunde zunächst auf Eis gelegt. Warum nun trotz aller Bedenken der Berliner Senat dieser Gesellschaft weiterhin das Tafelsilber serviert, sollten die Herren Senatoren bitte erklären.

"Legal oder illegal, ganz egal"

So lautet nach Wolfgang Schaupensteiner, Oberstaatsanwalt aus Frankfurt a.M., das Prinzip der Umsatzsteigerung. "In der Baubranche, aber nicht nur dort, werden Schmiergelder planmäßig und gezielt zur Gewinnmaximierung eingesetzt, sie sind häufig bereits Bestandteil der Angebotskalkulation" (Aus: Der gläserne Bürokrat, 2. Nachfragekonferenz zur Korruption in Deutschland. Friedrich Ebert Stiftung 2000). Die Zeitschrift "Business Crime" veröffentlicht regelmäßig "Monika Weißlers Liste", in der Fälle von Wirtschaftskriminalität und Korruption in Deutschland aufgelistet werden. Diese Auflistungen beurteilt der Professor für Politikwissenschaft und Kriminologie Hans See als "erschütternden Befund über den Zustand unserer sogenannten Eliten in Wirtschaft und Politik, auch in Parteien und Verbänden". (vgl.: isw Report Nr. 42, S.16).
Wie kurz der Weg von der Politik in die Privatwirtschaft ist, belegt der Werdegang des Jürgen Kleemann - vom Bausenator zum Vorstandsmitglied der privatisierten Gehag (vgl.: ME 279, S.13) Aber auch der Multifunktionär und ehemalige Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt hat mittlerweile den Weg in die Chefetage der Immobilienbranche gefunden. Neben Karl Ehlerding sitzt er seit einem Jahr als Vorsitzender im Aufsichtsrat der Deutschen Real Estate Aktiengesellschaft (DREAG). Zu 29,92% gehört diese der WCM und sieht ihr Geschäftsfeld im Bereich deutscher Immobilien. So wächst zusammen, was zusammen gehört und Meckie Messer fragt sich noch immer: "Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie?"

PS: Mehr Informationen verspricht der GSW-Mieterverein bei Glühwein und Waffeln am 3. Dezember beim Weihnachtsbasar in der Kochstr. 22. Vielleicht gibt es bis dahin auch weitere Überraschungen von Weihnachtsmann Strieder - ein Besuch wird sich so oder so lohnen.

Die GSW vereinbart folgende Ergänzung zum Mietvertrag im Fall der Veräußerung des Mietobjektes:

"Eine Kündigung des Mietverhältnisses unter Berufung auf berechtgies Inertessen an der Beendigung des Mietver-hätltnisses im Sinne des § 564 Absattz 2 Nr. 2 BGB (Eigenbedarf) und des § 564 Absatz 2 Nr. 3 BGB (wirtschaftliche Verwertung) ist gegenüber den diese Vertragsergänzung auf der Mieterseite unterzeichneten Mietvertragsparteien ausgeschlossen.

 

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