MieterEcho
Nr. 282 - November/Dezember 2000

Mieterinnen und Mieter aus der Oderberger Straße

 

w ehren sich gegen korrupte Spekulanten und Luxussanierung

Von Peter Nowak und Janosch Schrödter

Bezirkskorrespondenz Prenzlauer Berg

Wir bleiben alle hier!
Wer sich wehrt,
macht nichts verkehrt!

"Oderberger Straße - Juppiemeile oder Wohnraum für Alle?", so kündigten Plakate von der MieterInneninitiative "Wir bleiben alle hier" ein Hoffest am 30. September, in der Oderberger Straße an. In einem Flugblatt, welches zum Fest "gegen soziale Vertreibung und Luxusmodernisierung" aufruft, begründet die Initiative ihr Engagement wie folgt:

"Seit einigen Jahren entwickelt sich auch die Oderberger Straße zu einer Amüsiermeile, während kein Laden mehr Grundnahrungsmittel anbietet. Mehr und mehr Häuser werden luxusmodernisiert und anschließend teuer weitervermietet. Wir wollen weiterhin in der Oderberger Straße leben und haben ein Interesse an bezahlbarem Wohnraum für alle, wehren uns gegen die Vertreibung von Menschen mit geringem Einkommen und wollen verhindern, daß unsere Straße ein Erlebnispark für Alt- und Neureiche wird. Wir wollen mit anderen Menschen ins Gespräch kommen, diskutieren, informieren und vielleicht die Basis für weitere Arbeit gegen soziale Vertreibung und Luxusmodernisierung legen" soweit die OrganisatorInnen des Festes.
Am 30. September kamen dann Anwohner der Häuser Oderberger Straße 21, 22 und 27, von denen auch die Initiative WBAH ausgeht, sowie interessierte AnwohnerInnen nicht nur aus der Oderberger Straße. Hier gab es selbst gemachtes Essen, Straßenmusik, Diskussion, Kinderspiele und -malen, Informationsstände von der Mietergemeinschaft und der Gewerkschaft Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU), Musik von DJs und nachdem es Dunkel war, auch ein gutbesuchtes Kurzfilmkino vom Lichtblick Kino.

Doch fangen wir von vorne an...

Im Winter 1999/2000 wurden auf dem Hof der Oderberger Straße 27 Baumaterialien und ein Chemie-Klo mit der Aufschrift "Mietertoilette Oderberger Straße 27" abgestellt, auf dem zweiten Hinterhof wurde ein Baum, dessen Zweige bis an das Haus heranreichen, massiv beschnitten. Deutliche Signale für die MieterInnen, dass eine Modernisierung droht und auch die Vorgehensweise des Eigentümers betreffende Befürchtungen waren bereits damals zu hören. Im Frühjahr bekamen die MieterInnen eine Benachrichtigung, wonach sie ab sofort ihre Miete auf das Konto der Oderberger Straße 27 GBR überweisen sollen, da der Eigentümer gewechselt hatte. Kurze Zeit später begannen die Eigentümer Michael Gröbler und Peter Rupp, meistens in Person des M. Gröbler, die MieterInnen einzeln aufzusuchen. Bei diesen Gesprächen wollte M. Gröbler sich die Wohnungen ansehen (könnte u.U. als Einwilligung zu den Bauvorhaben gewertet werden) und drängte auf individuelle Vereinbarungen. Dabei wendete er in den Gesprächen verschiedene Taktiken an, um die MieterInnen im Haus zu verunsichern und zu spalten. Unter anderem äußerte er: er wolle "Kameras im Hof anbringen", "die Miete wird nach der Modernisierung dreimal höher sein", er habe Angst vor "anarchistischen Chaoten mit Verbindungen zur RAF" im Haus. Zwei von M. Gröbler konkret benannte Personen aus dem Quergebäude würden den Stress der Baumaßnahmen nicht standhalten können oder er verprügele Menschen, die versuchen ihn zu bestehlen. Dieses Auftreten der Eigentümerseite und die Belästigungen durch die teilweise auch im Haus untergebrachten Arbeiter, die vom Verdrecken von Mietertoiletten bis zum versuchten Wohnungseinbruch reichten, veranlassten einige MieterInnen aktiv zu werden. Bis hierher waren die Geschehnisse in der Oderberger Straße 27 zwar nervig, jedoch kleine Probleme gegen das, was noch kommen sollte.
Da die Aufzählung und genaue Darstellung der Vorfälle den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, können im folgenden nur einige kurz erwähnt werden:
Im Juni brennt es im 2. Stock des Seitenflügels in einer von drei übereinander liegenden Leerstandswohnungen. Dabei brennt eine Wohnung aus, eine hat einen schwerwiegenden Wasserschaden, eine weitere (allerdings bewohnte) Wohnung hat einen geringen Wasserschaden, mehrere Fenster wurden zerschlagen und der Hof stand tagelang unter Wasser.
Mehrere Keller wurden aufgebrochen, die Hof- und Dachbodennutzung untersagt, auch der Hausflur ist nur noch sehr eingeschränkt nutzbar. Das Radio-, TV-Kabel wurde durchschnitten. Dieser Schaden wurde von den Eigentümern wochenlang nicht behoben. Auf Fragen bekamen MieterInnen die Antwort: "Das mache ich aber nur einmal in Ordnung, beim nächsten Mal bleibt das Kabel durchtrennt".
Mehrmals war der durch Bauschutt und Kies extrem zugestellte und verschmutzte Hof nach Regen überflutet, so das die MieterInnen über Gerüste, Baumaterialien und Müllcontainer klettern mussten um zu ihren Wohnungen zu gelangen bzw. diese zu verlassen.
Mindestens zweimal wurde im Haus Buttersäure ausgekippt. An der Tür einer Mieterin aus dem Quergebäude wurde durch ein kleines Loch vermutlich mit einer Spritze Buttersäure in die Wohnung gespritzt. Bei einer anderen Mieterin roch es eines Tages sogar im Zimmer nach Buttersäure. Die Nachbarwohnung ist unbewohnt...
Bei dem Baugerüst gibt es gleich eine ganze Latte an Mängeln, wie z.B. zu niedrige Höhe im Erdgeschossbereich, fehlende Querverstrebungen, keine Kennzeichnung der Gerüstklasse, fehlender Fallschutz an Gerüststirnseiten, fehlende Sicherung nach Einstellung der Bautätigkeiten gegen unbefugtes Betreten, fehlender oder unsachgemäßer Fallschutz für herabfallende Werkzeuge/ Bauteile.
Zu Beginn der kalten Jahreszeit demontierten die Eigentümer Schornsteine im Quergebäude. Die Eigentümer legten dann Metallrohre als Abzüge für die Öfen der betroffenen Wohnungen. Dabei schlugen Arbeiter, auf der Suche nach dem Schornstein, auch ein Loch von der Außentoilette (für drei Wohnungen) in die Küche eines Mieters.
Im Zuge der Arbeiten am Dachgeschoss Oderberger Straße 27 Quergebäude sind nach einem Regen vier Wohnungen, durch eindringendes Wasser stark beschädigt worden. Das Dachgeschoss soll übrigens das neue 160 qm große Büro von Gröbler und Rupp werden. Und so weiter und so fort...

Positive Vibrations

Bereits frühzeitig organisierten einige MieterInnen eine Informationsveranstaltung gemeinsam mit einem Anwalt und einer Aktivistin der Mietergemeinschaft in der KVU in der Kremmener Straße. Zu dieser Veranstaltung wurden die MieterInnen der Häuser Oderberger 21, 22 und 27 eingeladen und kamen zahlreich. Kurze Zeit später gab es in der Oderberger Straße 27 ein kleines Hoffest. In diesem Zeitraum wurde der Hausflur im Quergebäude bemalt und mit Plakaten verziert.
Mittlerweile war bekannt, dass Gröbler und Rupp neben der bereits sanierten Oderberger Straße 28, wo sich derzeit noch das Büro befindet, auch die Oderberger Straße 27 und 22 sowie die Buchholzer Straße 3 gehören. In der Buchholzer Straße 3 hat es vor der geplanten Modernisierung durch Gröbler und Rupp auch gebrannt, wonach die MieterInnen ausziehen mußten und einer Luxussanierung nichts mehr im Weg stand. Die Oderberger Straße 21 hat vor kurzem ebenfalls den Eigentümer gewechselt und die MieterInnen haben bereits eine Modernisierungsankündigung im Briefkasten gehabt. Einige Menschen aus den drei Häusern trafen sich, spätestens seit der KVU-Veranstaltung, immer dann, wenn es neue Informationen auszutauschen gab oder um Protokolle zusammenzustellen und an diverse Institutionen in der Stadt zu verschicken. Da einige Menschen aus den Häusern Mitglieder in der Mietergemeinschaft sind, wurde die Initiative WBAH auch rechtlich gut beraten sowie anderweitig unterstützt.
Durch die Initiative WBAH und den extremen Begleiterscheinungen der Modernisierung ist die MieterInnengemeinschaft der Häuser näher zusammengerückt. Öfters als früher reden die MieterInnen miteinander, passen aufeinander auf, neue Informationen werden weitergegeben. Neben den intensiveren sozialen Kontakten untereinander, dem Hoffest und der KVU-Veranstaltung gibt es aber noch anderes Erfreuliches zu berichten. Die Bauaufsicht hat wegen der Durchführung nicht genehmigter Baumaßnahmen einen Baustopp mit Auflagen verhängt, M. Gröbler hat gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt.
"Solange die Einigung mit den MieterInnen über die geplanten Maßnahmen nicht erfolgt, wird die Sanierungsverwaltungsstelle die sanierungsrechtliche Genehmigung nicht erteilen." informiert die Mieterberatung in einem Brief vom 9. Oktober 00 die MieterInnen der Oderberger Straße 27. Durch gute Zusammenarbeit mit der Presse, Plakate und Flugblätter konnte die MieterInneninitiative eine große Öffentlichkeit erreichen. So meldeten sich auch weitere Interessierte und von Luxusmodernisierung Betroffene und bekundeten ihr Interesse an einer Zusammenarbeit. Am 30. Oktober 00, trafen sich verschiedene Gruppen und Einzelpersonen u.a. WBAH unter dem Motto "Gegen soziale Vertreibung und Luxusmodernisierung" im Platzhaus Helmholtzplatz.
Gegen Gröbler und Rupp ermittelt mittlerweile auch die Polizei u.a. aufgrund mehrerer Anzeigen durch MieterInnen, auch die Brandstiftungsabteilung im Landeskriminalamt beschäftigt sich mit Gröbler und Rupp.
Jeder Monat Verzögerung macht uns stärker und spart die höhere Miete nach der Modernisierung!
Na dann, rauft euch zusammen für Wohnraum für alle!
Die MieterInneninitiative "Wir bleiben alle hier" hat einen Briefkasten in der Oderberger Straße 21, Hinterhaus.

 

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