MieterEcho
Nr. 275 - August/September 1999

Bezirkskorrespondenz: Boxhagener Platz In Friedrichshain im Visier

 

Nachdem sich 1998 die ersten ansässigen Initiativen zusammenschlossen, um die Programme der Sozialen Stadterneuerung zu studieren, entdeckte parallel dazu Senator Peter Strieder (SPD) das Quartiersmanagement. So neu waren die Überlegungen auf einer Veranstaltung des Stadtforums von Unten noch im November 1998, daß selbst sein Mitarbeiter Herr Fricke die brennenden Fragen der Anwesenden zum Sinn und Zweck eines Quartiersmanagers nur mangelhaft bis gar nicht beantworten konnte.
Vor Ort in Friedrichshain haben die Initiativen Stadtteilversammlungen organisiert, als klar war, Strieder will auch den Boxi-Kiez (Volksmund für Boxhagener Platz) entwickeln, weil er umzukippen droht. Das sehen Anwohner und Gewerbetreibende, als auch Besucher etwas anders!
Anfang des Jahres gab sich das lockere Bündnis von Initiativen, Gewerbetreibenden und Einzelpersonen den Namen Arbeitsgruppe Kiezentwicklung. Die 3. Stadtteilversammlung im Mai 1999 in der Zille Schule nutzte auf massives Drängen erstmalig ein Vertreter des Quartiersmanagements, um gemeinsam über das Konzept zu reden. Das klappte leider nicht ganz, da es immer noch kein Konzept für einen Quartiersmanager gab, Fragen blieben wieder unbeantwortet.

Brauchen wir einen Quartiersmanager?
Auch innerhalb der AG gehen die Meinungen zum Quartiersmanagement weit auseinander. Das ist auch gut so, denn das hält die AG lebendig. Die meisten jedoch vertreten die Meinung, daß dieses Gebiet keinen Quartiersmanager benötigt. Dieser übernimmt nämlich in erster Linie Aufgaben des Bezirkes – ohne demokratische Legitimation. Andererseits – wen wundert das – war es schon immer usus in einer Demokratie, daß Strukturen von unten unterdrückt werden (an Verwaltungstüren scheitern), da sie nicht gewollt sind. Einerseits weil sie nicht kontrollierbar sind, andererseits weil Eigenverantwortlichkeit in dieser Gesellschaft nicht angesagt ist. Der Konsument soll sich einreihen und sein Maul halten. Dies ist sicher etwas übertrieben, trifft letztendlich aber die politische Motivation In diesem Land.
Unabhängig von den Meinungsverschiedenheiten: Die erste große gemeinsame Aktion der AG bezogen auf das Gebiet des Quartiesmanagements war eine Kundgebung gegen die Steuerverschwendung am 14. Juli 1999 am Boxi-Platz. 23 Initiativen hatten sich beteiligt, Unterstützt worden waren sie von Gewerbetreibenden und Musikern aus dem Kiez. Ein Puppenspieler und ein Feuerspucker schlossen sich an.
Auch wenn am Anfang kleine Pannen auftauchten, war es ein gelungener Abend am letzten Schultag. Ca. 1000 Menschen kamen vorbei, genossen das Bühnenprogramm und holten sich Informationen von den Initiativen, die sich und ihre Arbeit vorstellten. Auch die mittlerweile beschäftigten Quartiersmanager waren anwesend, hatten allerdings am Nachmittag die Teilnahme abgesagt. Sie meinten, die Initiativen würden sie vorführen. Darum ging es jedoch nicht, da waren sich alle einig, Das ist nicht die Intension der AG. Doch das wollten die Quartiersmanager nicht hören.
Die AG wollen mit dem Fest aufzeigen, daß hier niemand, teuer mit Steuergeldern bezahlt, Initiativen anschieben braucht, denn die gibt es bereits und reichlich im Gebiet. Beispielsweise: Sozialberatung durch die Hängematten, Fragen des Wohnens und Mieterberatung durch den Mieterladen und die Berliner MieterGemeinschaft, psychosoziale Betreuung durch das Komm Rum, AG Verkehrskonzept für das östliche Friedrichshain, Kinderbetreuung durch den Kinderladen, Vernetzungen nach Afrika durch Intercambio Inofladen und Soned, den Kulturverein Shrine, und verschiedene Initiativen Im Stadtteilladen Zielona Gora wie Politik + Rausch und Fels und viele viele mehr.
Auch ist es nicht gut, wenn der Quartiersmanager private Sponsoren für öffentliche Belange aquiriert. Dies bedeutet eine indirekte Privatisierung des öffentlichen Raumes. So ist für die Betreibung der Brunnen und die Pflege der Pflanzen unserer Meinung der Senat zuständig und nicht irgendwer.
Weiterhin soll der Quartiersmanager auch noch Beschäftigungsmöglichkeiten suchen. Wenn es die aber gibt, so bewegen sie sich auf dem zweiten Arbeitsmarkt, was also keine wirkliche Eingliederung sozial Schwacher bedeutet, sondern lediglich die Arbeitslosenzahlen schönt und den Markt weiter dereguliert. Man kann auch sagen, die Inititiative des Quartiermanager führt dazu, daß Arbeitsplätze des ersten Arbeitsmarktes abgebaut werden, die durch neue Stellen auf dem zweiten Markt ohne Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung und letztendlich viel billiger ersetzt werden. Dieses Mißverhältnis finanziert der Steuerzahler und wurde von den AG am 14. Juli auf dem Fest deutlich und öffentlich gemacht. Die Kundgebung war gelungen. Das meinten sowohl Veranstalter und Besucher. Auch wenn das den Veranstaltern gern vorgeworfen und in den Medien teilweise auch so dargestellt wurde, die Mitglieder der AG haben immer wieder ausdrücklich betont: Wir sind nicht gegen die Quartiersmanager! Das ist falsch! Uns geht es um die Politik, die dahinter steckt, denn die ist völlig verkehrt. Auch mit der Einfangaktion durch Geld – Initiativen und Personen können für gute Ideen aus dem Aktionfonds des Quartiesmanagers ca. 1.000 DM beantragen – sehen einige Schwierigkeiten.
Denn genau die Entscheidung war und ist bislang über den Tisch des Haushaltsausschusses des Bezirkes gegangen. Also ist das Quartiersmanagement nur eine weitere Hürde zwischen Bürgerinitiativen und den demokratischen Vertretern des Bezirkes, das sinnlos Steuergelder verschlingt. Hätte der Bezirk den Pott, der für den Quartiersmanagers ausgegeben wird, erhalten, könnte er jährlich ca. 300.000 DM auf diese Weise zweckgebunden vergeben. Jetzt vergibt der Quariersmanager 30.000 DM, der Rest, der von den 300.000 DM übrig bleibt, verschlingt die Logistik für das Management selbst.

Was also will Strieder mit dem Quartiesmanagement?
Wir wissen es immer noch nicht, denn er hält sich bedeckt. Wir wissen, daß sich in vielen Gebieten Widerstand regt und das kann ja nicht von ungefähr kommen, allerorts und in der Tagespresse kann das verfolgt werden. Beispiel: die Probleme der Gewerbetreibenden in Kreuzberg.
Viele Initiativen erledigen seit langer Zeit, oft ehrenamtlich und nicht gefördert, Aufgaben, denen der Senat nicht mehr oder nur noch unzureichend nachkommt. Ohne persönliches Engagement wäre dies nicht machbar. Hier ist schon mit ein wenig Geld viel mehr möglich. Manche Initiativen, die aus politischen Gründen nicht mit dem Quartiersmanager zusammenarbeiten wollen, ihn aber kritisch begleiten und Gespräche führen, überlegen nun, ob sie Gelder aus dem Fonds beantragen sollten. Dies bedeutet aber auch eine Kontrolle der Initiative von oben und eine gewisse Verpflichtung nach oben. Hilfe ist nicht zu erwarten, das haben die vergangenen Jahre zur Genüge gezeigt. Es könnte im schlimmsten Fall ein Ende der Initiative bedeuten. Viele gute und sinnvolle Initiativen haben sich nach der Wende mit ABM Stellen über Wasser gehalten und oft aus der Luft gesogene Projekte erstellt, um finanziell weiterarbeiten zu können. Viele dieser Initiativen gibt es nun nicht mehr, weil sie sich abhängig gemacht haben. Unabhängige Initiativen haben da mehr Ausdauer gezeigt. Sie sind jedoch der Politik (und gerade in der Hauptstadt) ein Dorn im Auge. Vermutet doch die Politik hinter jedem engagierten Menschen einen potentiellen Bombenleger. Lange Rede, kurzer Sinn – die Kundgebung auf dem Boxi-Platz war ein Riesenerfolg und hat allen Spaß gemacht. Und deshalb soll es auch bald wieder eine Kundgebung dort geben, am 19. September zum Thema Mieten und Mietobergrenzen. Und In der Zwischenzeit überlegt sich die AG, die aufgrund der Aktionen eine große Resonanz in Presse, Funk und Fernsehen hatte, wie sie zukünftig arbeiten will und welche Schwerpunkte bearbeitet werden. Wir werden jedoch darauf achten, daß wir uns vom Senat, dem Bezirk und dem Quartiersmanager nicht zu sehr beschäftigen lassen und darüber die eigentliche, ehrenamtliche und für viele Bürger nicht mehr wegzudenkende Arbeit vernachlässigen.

Die AG trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat um 18 Uhr
im Ambulatorium auf dem ehemaligen RAW Gelände in der Revaler Straße (erstes Tor von der Warschauer Straße).
Nächste Kundgebung auf dem Boxi-Platz, 19. September zum Thema Mieten und Mietobergrenzen.

Wer mitmachen will, ist gern gesehen. Auch genutzt werden kann das
Schwarze Brett am Stadtteilladen
Zielona Gora, Grünberger Straße 73, lnfos hängen auch im Schaukasten vom Mieterladen aus.
Wir rufen alle, die etwas zur Mietenpolitik sagen wollen auf, an der Vorbereitung teilzunehmen. Das am weitesten wegwohnende Mitglied der AG kommt übrigens aus Charlottenburg.

Der Beitrag wurde zusammengestellt für die AG die Unabhängige Bürgerinitative Mieterladen e.V. und die Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner MieterGemeinschaft e.V.

Mitgliederversammlung in Friedrichshain am 6. Oktober 1999,
18 Uhr, in der Zille-Schule,
Boxhagener Straße/Ecke Holteistraße, Speisesaal
Themen der Veranstaltung sind

  • Mietobergrenzen in Sanierungsgebieten und dem Gebiet des Milieuschutzes
  • Quartiersmanager in Friedrichshain
  • Aktuelles (z.B. M.A.R.L.A.N.D. - Hauser)

 

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