MieterEcho
Nr. 275 - August/September 1999

Was sagt uns der Mietspiegel wirklich?

 

Ein Kommentar von Karin Baumert
Nun halten wir wieder einen neuen Mietspiegel in der Hand und haben das Gefühl, hier handelt es sich um ein amtliches Papier, ein quasi staatlich verordnetes Mietbegrenzungsdekret. Gleich vorab, das ist natürlich wirklich so. Mit Hilfe des Mietspiegels sind die in laufenden Mietverhältnissen möglichen Mietsteigerungen nach oben hin begrenzt. Es wird noch zu zeigen sein, unter welchen Umständen sich dieser Satz in Zynismus verwandelt.
Unwichtig ist der Mietspiegel bei Neuabschluß von Mietverträgen sofern beide Parteien, der Mieter und der Vermieter sich einig werden. Dies geschieht immer dann, wenn der Mieter eine ganz bestimmte, für ihn außerordentlich reizvolle Wohnung beziehen möchte, um die er mit vielen anderen Interessenten buhlt und die ihm scheinbar für sein Wohlbefinden, sich in einer ihm entsprechende Umgebung zu inszenieren, die seiner genialen Erscheinung das entsprechende Geschenkpapier liefert, so dringend erforderlich scheint. Die Miete kann unter diesen Umständen natürlich frei vereinbart werden. Wo kein Kläger auch keine Klage. Unerheblich ist der Mietspiegel auch bei den Mietsteigerungen, die erhoben werden, wenn der Vermieter saniert. Neue Heizung, Badeinbau, neue Fenster usw. usf. Das Mieterecho berichtete schon mehrfach, wie Vermieter diese Möglichkeit nutzen, um Mieten zu steigern bzw. die Altmieter herauskaufen, herausgraulen u.ä., um dann nach erfolgte Sanierung eine der Lage und dem Standard entsprechende Miete nehmen zu können. In welcher Lage sich eine Wohnung befindet, darüber gibt der Mietspiegel, der alle zwei Jahre fortgeschrieben wird, Auskunft, schließlich ist er im wesentlichen das Abbild der realen Marktbewegungen auf dem Wohnungsmarkt. Am deutlichsten wird das in den ehemaligen "Beitrittsgebieten", da hier die größten Bewegungen stattfinden.
Wir erinnern uns an das "Gesetz zur Überleitung preisgebundenen Wohnraums im Beitrittsgebiet in das allgemeine Miethöherecht", das Mietenüberleitungsgesetz. Damals war die Miete zu gering, um Instandsetzung zu bezahlen, gestiegene Einkommen rechtfertigten Mieterhöhungen, um den Eigentümer in seiner Instandhaltungspflicht ein Mindestmaß an finanzieller Unterstützung durch den Mieter zukommen zu lassen - so der sinngemäße O-Ton der Begründung des Gesetzes. Ganz nebenbei hätte man natürlich mindestens einen geringen Bestand an Wohnungen mietpreisgebunden belassen sollen statt zinsgünstige Sanierungskredite, Steuersonderabschreibungsmöglichkeiten und Instandsetzungskredite an bedürftige Hauseigentümer zu vergeben. Beim Schreiben dieser langen Wörter kommt mir der Verdacht, daß mit diesen Wortschöpfungen der Eindruck vermittelt werden soll, Häuser kaufen, sanieren, vermieten, spekulieren mit Markterwartungsmieten kann nicht jeder. Der Mietspiegel erweckt zwar den Eindruck, ein objektiver Maßstab von Mietentwicklung zu sein, im Grunde ist er jedoch nur die konsequente Fortschreibung des Themas "die Wohnung als Ware".

Es muß doch niemand in einer teuren Wohnung wohnen
O.K., sagen die Kritiker - nennen wir sie Max -: "Jeder Mensch kann doch frei entscheiden, in welche Wohnung er ziehen möchte. Er nimmt sich den Stadtplan, fährt die Stadt ab und entscheidet, ob er im sanierten Altbau, Dachgeschoßausbau, im Eigenheim oder im mehrgeschossigen Neubau - "also das nun doch nicht!" - einziehen möchte. Der Blick ins Portemonnaie erübrigt sich natürlich, denn wer nicht fleißig war, kann nicht auswählen. Der Einigungsprozeß war schwer, keiner hätte geahnt, daß er so schwer wird, aber mit Hilfe einer kritischen Fachöffentlichkeit ist es bald gemeinsam geschafft, die Regierung zieht her, die Stadt wird saniert, weitergebaut".
"Und," lautet die Antwort, "gereinigt von all denen, die sich bestimmte Mieten nicht mehr leisten können, die ausziehen an den Stadtrand oder ganz aus ihrer Wohnung herausfliegen, weil sie die staatlich verordnete Mieterhöhung nicht zahlen können." "Was macht das schon," wehren sich die Kritiker, "schließlich ist aus einem preisgebundenen, heruntergekommenen, kommunalen Wohnungsbestand eine blühende Stadt geworden."
"... die über die Durchschnittseinkommen den Eindruck vermittelt, es geht doch allen besser," müßte ergänzt werden. Aber wo wohnen die Menschen, die die Miete nicht mehr zahlen können, warum sind es besonders häufig ältere alleinstehende Menschen, Leute ohne Job, Jugendliche ohne Zukunft?
Doch den Kritikern dieser Entwicklung ist langsam der Blick vernebelt, so daß sie in das Lager der gutverpackten, selbstgefälligen Protagonisten unserer Weltordnung hinüberschwimmen konnten. Zu hart ist das Beißsystem, als daß man zu den vermeintlichen Verlierern zählen möchte.
Auch wenn die Einführung des Vergleichsmietensystems scheinbar eine objektive Grundlage für Mietsteigerungen darstellen soll, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, daß Mietpreisbindung, kommunales Eigentum, Mietobergrenzen die eigentlichen Ziele sind, um der zunehmenden sozialen Ungleichheit in Form von städtischer Armut und Wohnungsnot an preiswertem Wohnraum zu begegnen.

 

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