MieterEcho
Nr. 262 - Mai/Juni

Genossenschaften handeln wie Spekulanten
Ein Appell zur Berücksichtigung der Mieterinteressen

        

Während die Wohnungsbaugenossenschaften der Altbundesländer und des ehemaligen Westberlin aus ihren Mieteinnahmen nur den laufenden Erhalt und die zeitgemäße Verbesserung ihres Wohnungsbestandes bestreiten müssen, entfallen auf die Genossenschaften des Beitrittsgebietes dramatisch höhere Belastungen. Als beinahe übliche Standardsituation gilt für Ost-Genossenschaften, daß sie seit Mitte 1995 auch nach Inanspruchnahme des Altschuldenhilfegesetzes noch immer auf einem Schuldenberg von 159 Mark pro qm Wohnfläche festsitzen. Dieser Wert auf die jeweilige Gesamtfläche des Wohnungsbestandes umgerechnet bedeutet für viele Genossenschaften Schulden in zweistelliger Millionenhöhe. Ihre Mieteinnahmen müssen daher gleichzeitig für einen drückenden Schuldendienst und für den Erhalt sowie für die notwendige Sanierung des Wohnungsbestandes bei hohem Nachholbedarf herhalten. Finanzierungsprobleme und damit die Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen dürften die unmittelbare Folge sein. Eine lukrative Einnahmequelle der privaten Vermieter erkannten auch die Ostdeutschen Wohnungsbaugenossenschaften. Wohnungsmodernisierung und Fassadensanierung mit Wärmedämmung lassen die Kassen klingeln. Allerdings mit fatalen Folgen für die betroffenen Genossenschaftler.(...)

Mit der Modernisierungsumlage übergab die Koalition den Vermietern ein hervorragendes Instrument zur Miettreiberei bei den Einzelmietern und zur flächendeckenden Aufwärtsmanipulation der sogenannten Vergleichsmieten. Leider machen auch Ostdeutsche Wohnungsbaugenossenschaften von dieser unsozialen Verfahrensweise Gebrauch. Dabei unterlaufen sie sehr geschickt die Einwirkungsmöglichkeiten der genossenschaftlichen Mietervertretungen, denn es handelt sich ja um legale, marktübliche Methoden. Die Ostdeutschen Genossenschaften sollten ihre Finanzprobleme aber im Konsens mit ihren Genossenschaftlern und nicht gegen sie lösen. Hierzu sind Offenlegung der Verhältnisse und die Lösungssuche mit den Genossenschaftlern bzw. ihren gewählten Vertretern notwendig. Für die betroffenen Genossenschaftler besteht kein Anlaß, die durch überzogene Modernisierungen verursachten Mietentreibereien schicksalsergeben hinzunehmen. Notfalls sollten sie über ihre Mietervertretungen von den Genossenschaftsvorständen Rechenschaft zu Notwendigkeit und Kostenhöhe der angesagten Modernisierungen einfordern.

Günther Dusin


MieterEcho-Archiv | Inhaltsverzeichnis Nr. 262

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