MieterEcho
Nr. 261 - März/April 97

Bezirk Charlottenburg unterstützt Wohnungsgenossenschaft Klausenerplatz

Der Gründung der Wohnungsgenossenschaft Klausenerplatz eG geht eine lange Geschichte voraus: Vor 30 Jahren war der Kiez am Klausener Platz ein finsteres Quartier: Wohnungen mit Außenklos und Ofenheizung waren in der Überzahl, die Bevölkerung zog weg. Es folgten 25 Jahre einer wechselvollen Geschichte des Sanierungsgebietes Klausener Platz. Beispielhaft für Berlin wurde hier Abschied genommen von der Kahlschlagsanierung hin zu einer behutsamen Stadterneuerung unter Beteiligung der Mieterinnen und Mieter. Heute ist der Kiez am Klausenerplatz ein beliebter Stadtteil Charlottenburgs mit begrünten Hinterhöfen, Spielflächen und einem bunten Gemisch aus ArbeiterInnenmilieu, ImmigrantInnen und alternativer Szene. Möglich wurde dieser Wandel durch die streitbaren BewohnerInnen dieses Kiezes, die durch einfallsreichen Protest und Ausdauer PolitikerInnen, StadtplanerInnen und ArchitektInnen immer wieder zum Umdenken zwangen.

Entlassung des Sanierungsgebietes

So ließen sich die AnwohnerInnen die Entlassung des Sanierungsgebietes 1995 auch nicht stillschweigend gefallen. Auf öffentlichen Versammlungen stellten sie bohrende Fragen nach der Zukunft des Kiezes und zeigten sich unzufrieden über die hinhaltenden Antworten von Senat und Bezirksamt. In der Tat war und ist seit der Sanierungsentlassung ein ganzes Paket von Problemen zu bewältigen:

Die letzten im Sanierungsprogramm befindlichen Häuser müssen noch instandgesetzt werden, die Beratung der Mieterinnen und Mieter des Kiezes muß langfristig gesichert werden, der Schutz der Bevölkerung vor Spekulation und Vertreibung mußte gewährleistet werden, der Beschluß des Senats nach Veräußerung eines Teils des Wohnungsbestandes des Sanierungsträgers, der WIR Wohnungsbaugesellschaft von Berlin mbH, mußte umgesetzt werden.

Milieuschutz- und Erhaltungssatzung

Während es sonst durchaus Konflikte zwischen SPD und Bündnis 90/ Die Grünen in der BVV Charlottenburg in der Bau- und Stadtplanungspolitik des Bezirks gab, zogen beide Parteien hier im Interesse der AnwohnerInnen an einem Strang. Eine Milieuschutz- und Erhaltungssatzung für das ehemalige Sanierungsgebiet und die angrenzenden Wohngebiete wurde im Juni 1996 von beiden Fraktionen verabschiedet. Die CDU wollte dagegen dieses sensible Gebiet dem freien Markt überlassen.

Bereits unter dem ehemaligen Baustadtrat Dyckhoff (SPD) wurde darüber hinaus geprüft, wie die zu veräußernden Häuser sozialverträglich an die MieterInnen verkauft werden könnten. Die Prüfung ergab, daß nur ein Genossenschaftsmodell den Schutz der MieterInnen sichern würde. Diese Lösung bietet langfristig die Möglichkeit, die Kostensteigerung für die betroffenen AnwohnerInnen und Kleingewerbetreibenden zu begrenzen und durch Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung ein selbstbestimmtes Wohnen zu erhalten. Im Auftrag des Bezirksamtes bereitete die diges Gesellschaft für Wohnungswirtschaft und Stadtforschung mbh zusammen mit AnwohnerInnen eines Pilothauses die Gründung der Wohnungsgenossenchaft Klausenerplatz eG vor, die zum Jahreswechsel 1995/96 vollzogen wurde.

Genossenschaft als Privatisierungsform

Nach der BVV-Wahl 1995 übernahm Beate Profé (Bündnis 90/ Grüne) das Bauressort. Ihre Aufgabe war nun, den Prozeß des Erwerbs der von der WIR zum Verkauf benannten Häuser durch die Genossenschaft zu begleiten. Dies ist keine leichte Aufgabe, denn die WIR hat 11 Häuser zum Verkauf ausgewählt, die nur teilweise oder gar nicht saniert sind. Die sehr niedrigen Mieten decken nicht mal die Bewirtschaftungskosten, der Verlust wurde der WIR bisher vom Land Berlin erstattet.

Der Instandsetzungsbedarf ist teilweise sehr hoch, es handelt sich größtenteils um Substandardwohnungen mit Ofenheizungen. In bescheidenem Maße wurden die Wohnungen von MieterInnen selbst modernisiert. Die MieterInnen sind zum Teil einkommensschwach und nicht aus eigener Kraft in der Lage, Genossenschaftsteile zu zeichnen. Über etwaige Fördermittel des Senats für die Instandsetzung der Häuser machte die Senatsverwaltung bisher nur widersprüchliche Aussagen.

Aus diesen Voraussetzungen ist aber gleichzeitig abzulesen, wie notwendig das Gelingen des Genossenschaftsmodells an dieser Stelle ist, um die betroffenen BewohnerInnen vor eklatanten Mietsteigerungen zu bewahren, die dann entstünden, wenn ein privater Investor hier zusätzlich zu den erheblichen Instandsetzungskosten einen Gewinn erwirtschaften wollte.

Reprivatisierungsbeirat

Nach einer Informationsveranstaltung des Bezirksamtes im Juni 1996 wurde ein Reprivatisierungsbeirat gegründet, dem VertreterInnen der betroffenen Häuser, des Bezirksamtes, der Senatsverwaltung, der WIR und der diges angehören. Hier werden die einzelnen Schritte der Privatisierung beraten. Vier der elf Häuser mit sehr unterschiedlichen Kosten- und MieterInnenstrukturen werden als Pilotprojekte vorgezogen. Für das erste Haus, der Danckelmannstraße 15, liegt bereits das Verkehrswertgutachten vor, die BewohnerInnen müssen sich bis April zum Kauf entscheiden. Anschließend soll Haus für Haus das zunehmend erprobte Privatisierungsverfahren angewandt werden.

Die ersten Schwierigkeiten ergeben sich schon bei der Erstellung der Gutachten für den Verkehrswert. Für die ersten vier Häuser hat noch der Bezirk die Kosten für Gutachten und MieterInnenberatung übernommen. Für die weiteren Häuser hat sich die WIR dazu bereit erklärt, die Kosten dafür sollen vom Senat erstattet werden. Die Senatsverwaltung hat allerdings inzwischen angekündigt, daß sie Kosten bei Gutachten und MieterInnenberatung sparen will. Dies trifft auf den erklärten Widerstand der MieterInnen, die eine umfassende Information und Klarheit über die zu erwartenden Kosten für unabdingbar für ihre Entscheidung halten.

Eigentumsorientierte Genossenschaftssatzung

Um wenigstens geringe steuerliche Vorteile wahrnehmen zu können, entschloß sich die Genossenschaft zu einer eigentumsorientierten Satzung, d.h. den Genossenschaftsmitgliedern ist ein unwiderrufliches, vererbliches Recht zum Kauf der von ihnen bewohnten Genossenschaftswohnung eingeräumt, für den Fall, daß mehr als die Hälfte der MieterInnen eines Hauses ihre Wohnung erwerben will.

Aber auch die damit verbundenen Steuervorteile nützen denjenigen BewohnerInnen wenig, die nicht in der Lage sind, eine einmalige Summe in Höhe von beispielsweise 10.000 DM beizubringen. Deswegen prüft z.Zt. das Bezirksamt auf Antrag der BVV, inwieweit bei SozialhilfeempfängerInnen das Sozialamt die Kosten für die Genossenschaftsanteile übernehmen kann. Die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen hält diesen Schritt für unbedingt notwendig, soll nicht diese Gruppe der MieterInnen von dem Erwerb ausgeschlossen werden.

Steuerliche Benachteiligung von Genossenschaften

Der Genossenschaftsgedanke, der zuletzt während der BesetzerInnenzeit Anfang der achtziger Jahre neue Belebung fand, bietet hoffentlich nicht nur für den Kiez am Klausener Platz, sondern auch in anderen Bezirken eine Chance, der Privatisierung durch Spekulanten zu entgehen. Eine gute Voraussetzung hierfür wäre allerdings nicht zuletzt eine steuerrechtliche Gleichstellung der Genossenschaften mit anderen Wohneigentumsformen durch die Bundesregierung. Eine sehr geringe Eigenheimzulage für Genossenschaften gibt es bisher nur, wenn ihre Satzung eigentumsorientiert ist (s.o.). Vorstöße der Berliner bündnisgrünen Bundestagsabgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig für weitergehende Steuervorteile für Genossenschaften fanden bei Bundesbauminister Töpfer nur wenig Gehör. Der setzt nach wie vor auf die kostenaufwendige Subventionierung des Eigenheimbaus.

Die Wohnungsbaugenossenschaft Klausenerplatz sucht finanzstarke AnlegerInnen, die diese Idee mit Geschäftsanteilen nach dem Eigenheimzulagegesetz fördern wollen. Außerdem bietet die Genossenschaft die Möglichkeit, zu 4% verzinste Wohnsparbriefe mit einer Laufzeit von 3 Jahren zu erwerben.

Kontakt:
Wohnungsbaugenossenschaft Klausenerplatz eG, Danckelmannstr. 21, 14059 Berlin, T. 322 60 26

Thomas Birk, Mitglied der BVV-Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen Charlottenburg

 
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