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Konferenz der Berliner MieterGemeinschaft e.V. am 11.02.2006

Privatisierung in Berlin

Bericht zur Konferenz

Am Samstag, den 11.02.2006, führte die Berliner MieterGemeinschaft eine Konferenz „Privatisierung in Berlin – Folgen und Gegenstrategien“ durch. Etwa 200 Interessierte verfolgten im DGB-Gewerkschaftshaus die Diskussionen zu den Bereichen Wohnungsversorgung, Wasser und Gesundheit.

Im Vordergrund standen neben einer wissenschaftlichen Analyse der Privatisierungsfolgen verschiedene Berichte von Mieterorganisationen, Betriebsräten und Gewerkschaften, die bereits auf Erfahrungen im Kampf gegen die Privatisierung zurückblicken können.

Christian Zeller, Wirtschaftsgeograf an der Universität Bern, setzte mit einem theoretischen Input den Rahmen für die weiteren Diskussionen und ordnete Privatisierungspolitiken in den Kontext einer globalen Enteignungsökonomie. Die globale Ökonomie, so Zeller, habe sich in den vergangen 20 Jahren immer stärker von industriellen Investitionen entkoppelt und sei von globalen Finanzakteuren dominiert, die auf der Suche nach immer neuen Anlagesphären auch vor Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht halt machen.

Als ein konkretes Feld dieser neuen Anlagestrategien beschrieben Sebastian Müller (Universität Dortmund) und Andrej Holm (Berliner MieterGemeinschaft, Humboldt-Universität zu Berlin) die Verwertungslogiken von Privat Equity Fonds auf den Wohnungsmärkten. Diese meist international aufgestellten Anleger haben in den vergangenen Jahren bundesweit mehr als 600.000 Wohnungen aus kommunalen und anderen öffentlichen Beständen erworben. Die Gewinnorientierung der neuen Eigentümer richtet sich direkt gegen die Mieterschaft, denn Umwandlung, Mieterhöhung und Kostenreduzierungen stehen auf dem Programm der Fonds. Die Berliner MieterGemeinschaft bezeichnete diese Eigentümerstrategien als den Übergang von der Verwaltung zur Verwertung. Uwe Borck, der für das Wohnungswesen zuständige Fachbereichsleiter der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, verwies auf einen dadurch zu erwartenden Druck auf die Beschäftigten. Im Vergleich zu den städtischen Wohnungsbaugesellschaften wollen die Fonds die Verwaltungskosten je Wohnung fast halbieren – neben effektiverer Arbeitsorganisation werde auch Stellenabbau befürchtet. Auch stadtentwicklungspolitisch sei die Privatisierung eine Katastrophe, da städtische Wohnungsbaugesellschaften bisher immer auch verlässliche Partner bei der Wohnumfeldgestaltung und Nachbarschaftsentwicklung gewesen seien. Private Eigentümer hingegen – so Borck – werden sich auf das Kerngeschäft beschränken.

Einblicke in den Krankenhausmarkt vermittelte der Journalist Hermann Werle. Derzeit finde eine „Marktbereinigung“ statt, der in den kommenden Jahren mehrere hundert kommunale Krankenhäuser zum Opfer fallen würden. Herzstück der Umstrukturierung des Krankenhauswesens sei das Fallpauschalensystem, mit dem die marktwirtschaftliche Ausrichtung für jedes Krankenhaus gesetzlich verankert wird. Private Krankenhauskonzerne wie Asklepios, Fresenius, Rhön oder Sana profitierten davon und bauten ihre Marktmacht kontinuierlich aus. Volker Gernhardt, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender von Vivantes und Carsten Becker (ver.di) von der Charité berichteten von den Auswirkungen für die Beschäftigten und Patient/innen. Gernhardt kritisierte u.a. den Abbau von Ausbildungsplätzen, den der rot-rote Senat zu verantworten habe. Zudem seien 35 Millionen Euro bei den Personalkosten eingespart worden, wovon 15 Millionen an Beraterfirmen gegangen seien. Für die Situation im Klinikum Neukölln stellte er fest, dass es eine Arbeitsverdichtung gegeben habe, wie sie sich niemand hätte vorstellen können. Kürzlich hätten bis zu 31 Patient/innen auf den Stationsfluren untergebracht werden müssen. Gernhardt betonte, dass die Gewerkschaften wieder zum Instrument der Beschäftigten werden müssten und eine politische Kraft gebraucht würde, die sich vom Neoliberalismus trennt.

Gerlinde Schermer und Hans-Georg Lorenz vom Donnerstagskreis der SPD berichteten von ihren parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen, die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe zu verhindern. 1999 wurden 49,9% der Wasserbetriebe an den französischen Konzern Veolia und den deutschen Konzern RWE verkauft. Die Geschäftsführung haben seitdem die Privaten inne. Das bedeutet, die Trink- und Abwasserversorgung der 3,3 Millionen Berliner/innen unterliegt den Renditeinteressen der Konzerne. Die Verbraucherpreise für Trink- und Abwasser sind nach der Privatisierung gestiegen: 2004 um 15%, 2005 um 5,4% und 2006 um 2,5%. Im geheimen Konsortialvertrag wurde den Konzernen eine jährliche Rendite von ca. 8% auf das „betriebsnotwendige Kapital“ garantiert. Dies ist keine feststehende Größe, vielmehr wächst es und damit auch die Bemessungsgrundlage der garantierten Rendite. 2004 betrug das betriebsnotwendige Kapital 3,3 Milliarden Euro. Mit zu erwartenden Steigerungsstufen um 200 Millionen Euro jährlich wird es 2009 4,1 Milliarden Euro betragen. Damit erhöht sich der an die Privaten abzuführende Gewinn, was die wahre Ursache der Preissteigerungen ist. Genau das aber wird verheimlicht. Da die bereits erfolgten Preissteigerungen und die „Kostensenkungen“ durch Abbau von Personal und Halbierung der Instandhaltungskosten nicht ausreichten, den Konzernen den garantierten Gewinn zu „erwirtschaften“, verzichtet das Land Berlin zu großen Teilen auf seine Einnahmen aus dem Besitz von 50,1% – im Jahr 2004 auf 41,2 Millionen Euro. Dieser skandalöse Knebel-Vertrag geht über 28 Jahre. Wie nach Ablauf dieser Zeit das Rohrleitungsnetz beschaffen sein wird, weiß heute niemand. Ein Rückkauf der Wasserbetriebe für etwa 2 Milliarden Euro wäre nicht nur kostengünstiger für die Stadt, sondern würde darüber hinaus eine kommunale Wasserversorgung für die Zukunft sichern.

Auf einem Abschlusspodium loteten Christian Zeller und Philipp Terhorst, Sozialwissenschaftler an der Loughborough Universität, die Spielräume für Anti-Privatisierungsinitiativen und Alternativmodelle aus. Während Zeller auf die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Thematisierung der Eigentumsfrage verwies, stellte Terhorst aus den Erfahrungen von erfolgreichen Kampagnen in Lateinamerika und Europa konkrete Anforderungen an Soziale Bewegungen in den Mittelpunkt. Erfolg hatten Bewegungen gegen Privatisierungen immer auf der Basis einer breiten Mobilisierung, von Koalitionen zwischen parlamentarischen und außerparlamentarischen Kräften, Bündnissen zwischen Produzenten und Konsumenten des jeweiligen Versorgungsguts und der Vergesellschaftung von Alternativmodellen.

Die Berliner Situation ist von diesen Bedingungen noch weit entfernt, doch Michael Prütz für die WASG, Gerlinde Schermer für den Donnerstagskreis der SPD und Carsten Becker als Gewerkschafter griffen den Vorschlag der Berliner MieterGemeinschaft zur Bildung eines breiten Bürgerbündnisses gegen die Privatisierungen in Berlin auf. Die einhellig von der Konferenz getragenen Resolution fordert:

  • Keine weiteren Privatisierungen.
  • Keine öffentlich privaten Partnerschaften.
  • Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe.
  • Kein Umbau von Vivantes und Charité zu Lasten der Patienten und der Beschäftigten.

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