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Mietrecht

Urteile

Mietpreisbremse (2)

Die Vorschriften des §§ 556d ff BGB (sogenannte „Mietpreisbremse“) sowie die auf dieser Grundlage erlassene Mietenbegrenzungsverordnung Berlin vom 28. April 2015 sind verfassungskonform.

LG Berlin, Urteil vom 29.03.2017 – AZ 65 S 424/16 –

Die (derzeit für Berufungen gegen Urteile des Amtsgerichts Neukölln zuständige) 65. Kammer des Landgerichts Berlin kommt in ihrer Entscheidung zum entgegengesetzten Ergebnis und stellt fest, dass die Mietpreisbremse verfassungskonform ist. Sie führt in ihren Entscheidungsgründen aus, dass es Zweck des Gesetzes sei, durch die vorübergehende Regulierung der Wiedervermietungsmieten, wozu es die Landesregierungen ermächtigt, „den durch die Mangellage verursachten Preisanstieg (zu) dämpfen, bis die Maßnahmen der jeweiligen Landesregierung greifen, die den Ursachen begegnen und Abhilfe schaffen sollen“ . Dies schaffe, was der Gesetzgeber auch gesehen habe, zwar keinen zusätzlichen Wohnraum, sei aber erforderlich, „um zeitnah die sozialpolitisch unerwünschten negativen Auswirkungen der erheblichen Preissteigerungen auf angespannten Wohnungsmärkten zu begrenzen“. Die Regelung greife zwar in das grundgesetzlich verbürgte Eigentumsrecht ein, bestimme „aber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise dessen Inhalt und Schranken“ . Artikel 14 des Grundgesetzes (GG) gewährleiste nicht nur das Eigentum, sondern stelle darüber hinaus die Forderung einer am Gemeinwohl ausgerichteten Nutzung des Privateigentums auf. Dies schließe das Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange derjenigen ein, die auf die Nutzung des betreffenden Eigentumsgegenstands angewiesen sind. Der Wohnung als Mittelpunkt der privaten Existenz komme dabei „als Eigentumsobjekt ein erhebliches sozialpolitisches Gewicht zu“ , da der überwiegende Teil der Bevölkerung auf die Anmietung von Wohnraum zur Deckung dieses existenziellen Bedarfs angewiesen sei. Vor diesem Hintergrund habe das Bundesverfassungsgericht bereits vielfach klargestellt „dass die Möglichkeit, ohne jede Verzögerung sofort und in voller Höhe die Marktmiete zu erhalten, durch Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 GG nicht garantiert“ sei. Das Grundgesetz habe dem Gesetzgeber insoweit vielmehr einen großen Gestaltungsspielraum eingeräumt. Eine zwischenzeitliche Einbuße des Vermieters an Verwertungsmöglichkeiten würde demnach das Grundgesetz erst verletzen, wenn dies die Wirtschaftlichkeit der Vermietung ernstlich infrage stelle. Es gebe jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wirtschaftlichkeit der Vermietung dadurch infrage gestellt würde, dass es Vermietern zeitlich und örtlich begrenzt nicht möglich sei, sofort die Miete zu erzielen, die der Markt aufgrund seiner angespannten Situation hergibt. In Berlin (z. B.) beruhten die sprunghaften Anstiege der Mieten und damit einhergehend die ebenso sprunghafte Wertsteigerung der Immobilien „nicht auf einer Leistung des Vermieters, sondern auf einer wirtschaftlich günstigen Entwicklung der Region, etwa dem Ansehen einer Universität, einer erhöhten Zuwanderung aufgrund der Wertschätzung der Stadt, die auf Ihre Infrastruktur, ihr Arbeitsmarkt- und/oder Kulturangebot und viele andere Gründe zurückzuführen ist“ . Damit hätten aber Leistungen der Allgemeinheit und nicht Investitionen oder sonstige Leistungen der Vermieter zu einer Steigerung der Verwertungsmöglichkeiten ihres Eigentums geführt. Es könne daher verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden, „wenn die Allgemeinheit über die verfassungsrechtliche Rückbindung des Eigentums an Gemeinwohlbelange dem von den Leistungen der Allgemeinheit in besonderer Weise profitierenden Vermieter (…) Kürzungen zumutet, ohne ihm die wirtschaftliche Verwertung seines Eigentums zu nehmen“. Das mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Ziel sei auch legitim. Es solle den in prosperierenden Städten aktuell starken Mietanstieg bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen begrenzen. Der mangelbedingte Mietanstieg beeinflusse das Mietniveau in den betroffenen Gebieten „insgesamt und längerfristig, über die ortsübliche Vergleichsmiete letztlich auch die Höhe der Bestandsmieten“ . Dieser Entwicklung solle die Regelung vorübergehend und räumlich begrenzt entgegenwirken, bis die zur Abhilfe eingeleiteten Maßnahmen (Bekämpfung des Wohnungsmangels) Wirkung entfalten. Legitim sei auch das Ziel, „den Anreiz zu vermindern, Bestandsmieter zu verdrängen, weil große Mietsteigerungen bei Abschluss eines neuen Mietvertrags nicht mehr möglich sind“. Die „Mietpreisbremse“ verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz nach Artikel 3 Absatz 1 GG. Vermieter, die auf den entsprechenden Märkten agieren, würden gleichbehandelt. Ungleichbehandlungen, wie beispielsweise durch den Bestandsschutz bereits höherer Vormieten, beruhten auf einem sachlichen Grund und seien noch nicht als „sachwidrige Differenzierung“ anzusehen. Dies habe das Bundesverfassungsgericht beispielsweise 1974 bezüglich der Begrenzung der Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete bereits entschieden, obwohl der Gesetzgeber dort die Erhöhung der Miete nur für bestehende Mietverhältnisse, nicht jedoch für Neuvermietungen gebunden hatte. Die 65. Kammer des Landgerichts vertrat in ihrem Urteil zudem die Auffassung, dass die „Mietbegrenzungsverordnung Berlin“ vom 28. April 2015 von der gesetzlichen Ermächtigung in § 556d Absatz 2 BGB gedeckt und damit wirksam ist.

Die Revision gegen dieses Urteil hat das Landgericht nicht zugelassen.


Anmerkung: An anderer Stelle in seinem Urteil verweist das Landgericht auch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kappungsgrenze vom 4. Dezember 1985 (AZ: BVerfGE 71, 230). Diese hielt das Bundesverfassungsgericht für verfassungsgemäß, obwohl auch dort der Einwand der 67. Kammer (siehe oben unter „Mietpreisbremse 1“) zuträfe, dass der bisher zu moderaten Preisen vermietende Vermieter durch diese Regelung härter getroffen wird, da die Kappungsgrenze den Erhöhungsspielraum nicht absolut, sondern bezogen auf die bisherige Miete begrenzt.

Es bleibt abzuwarten, welche der unterschiedlichen Auffassungen der beiden Kammern des Landgerichts sich durchsetzt und wie gegebenenfalls der Bundesgerichtshof bzw. das Bundesverfassungsgericht die „Mietpreisbremse“ beurteilen.


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