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Mietrecht

Urteile

Mieterhöhung und Abweichung der mietvertraglich vereinbarten von der tatsächlichen Wohnfläche

Übersteigt die tatsächliche Wohnfläche die im Mietvertrag vereinbarte Wohnfläche, so ist bei einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters die vertraglich vereinbarte Wohnfläche zugrunde zu legen, wenn die Flächenabweichung nicht mehr als 10% beträgt. Ist die Abweichung geringer, verbleibt es bei der vertraglichen Vereinbarung.
Die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag stellt grundsätzlich nicht nur eine "bloße Objektbeschreibung", sondern eine Beschaffenheitsvereinbarung dar.

BGH Karlsruhe, Urteil vom 23.05.2007 – AZ VIII ZR 138/06 –

Im Mietvertrag heißt es unter anderem: "Wohnfläche: 121,49 qm". Tatsächlich beträgt die Wohnfläche 131,80 qm.

Der Vermieter hatte - wie bereits in der Vergangenheit - eine Mieterhöhung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Wohnfläche auf die im Mietspiegel ausgewiesene ortsübliche Vergleichsmiete durchgeführt und verlangte von der Mieterin die Zustimmung.

Die Mieterin lehnte die Zustimmung unter Verweis auf die vertraglich vereinbarte Wohnfläche ab.

Für den Ausgang der Entscheidung kam es darauf an, ob die Berechnung der Vergleichsmiete unter Berücksichtigung der im Mietvertrag angegebenen oder der tatsächlichen Wohnfläche durchzuführen war.

Das Amtsgericht und auf die Berufung durch die Mieterin auch das Landgericht Berlin hatten die Mieterin zur Zustimmung (basierend auf der tatsächlichen - größeren - Wohnfläche) verurteilt. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Landgerichts Berlin auf und wies die Klage ab. Er wies in seinem Urteil darauf hin, dass das Berufungsgericht bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu Unrecht von der tatsächlichen Wohnungsgröße ausgegangen war. Nach der vom Bundesgerichtshof vertretenen Ansicht handele es sich bei der Angabe der Wohnfläche im Allgemeinen nicht um eine unverbindliche Objektbeschreibung, sondern um eine Beschaffenheitsvereinbarung, welche im Fall der Abweichung (unter weiteren Voraussetzungen) dazu führen könne, dass ein Mangel der Mietsache vorliege.

Es sei nicht erforderlich, dass die angegebene Wohnfläche im Mietvertrag ausdrücklich als vereinbart bezeichnet werde. Auch die bloße Angabe der Wohnfläche, zusammen mit der Aufzählung der vermieteten Räume, führe, soweit sich aus den sonstigen Vereinbarungen nichts anderes ergebe, dazu, dass die angegebene Wohnfläche als vereinbart gelten solle.

Da im vorliegenden Fall die tatsächliche Wohnfläche größer war als die vereinbarte Fläche, müsse auch nicht gesondert geprüft werden, ob die vertragliche Vereinbarung den Sinn gehabt haben soll, die Wohnfläche - unabhängig von den tatsächlichen Umständen - verbindlich zu gering festzulegen und damit etwaigen Minderungsansprüchen des Mieters wegen einer Flächenabweichung vorzubeugen.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist die Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der vereinbarten Wohnfläche nicht nur bei der Beurteilung eines Mangels der Mietsache, sondern auch für die Berechtigung zur Erhöhung der Miete zu berücksichtigen. Im erstgenannten Fall hatte der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass die Angabe einer zu großen Wohnfläche zu einem Mangel der Mietsache führe, wenn diese Abweichung erheblich sei und mehr als 10% betrage. Dies folge aus den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, weil dem Mieter, der sich in Unkenntnis der wahren Wohnungsgröße auf eine Vereinbarung eingelassen habe, das Festhalten an einer für ihn derart ungünstigen Vereinbarung nicht zuzumuten sei.

Der Bundesgerichtshof führte weiter aus, dass dies auch im umgekehrten Fall angewendet werden müsse, nämlich dann, wenn die tatsächliche Wohnfläche größer sei als die vereinbarte Wohnfläche. Auch in diesem Fall sei einem Vermieter das Festhalten an der vertraglichen Vereinbarung bei einer erheblichen Abweichung nicht mehr zumutbar. Ebenso wie bei einer tatsächlich zu geringen Wohnfläche sei die Grenze der Zumutbarkeit aber auch bei einer tatsächlich größeren Wohnfläche erst überschritten, wenn die Abweichung mehr als 10% betrage.

Der (gutgläubige) Vermieter dürfe in solchen Fällen nicht dauerhaft an seinen Irrtum über die tatsächliche Größe der Wohnung gebunden bleiben. Zwar sei die zuverlässige Ermittlung der Wohnfläche grundsätzlich Aufgabe des Vermieters mit der Folge, dass er das Risiko einer unzutreffenden Wohnflächenangabe zu tragen habe. Bei unbefristeten Mietverhältnissen über Wohnraum müsse jedoch berücksichtigt werden, dass für den Vermieter - anders als bei anderen unbefristeten Dauerschuldverhältnissen - keine Möglichkeit bestehe, sich von einem für ihn wirtschaftlich unzumutbaren Wohnraummietvertrag durch Kündigung zu lösen. Diese Besonderheit rechtfertige es, den Wohnraumvermieter nicht auf Dauer an eine unzumutbare vertragliche Vereinbarung zu binden, sondern ihm die Möglichkeit zu eröffnen, die Miete unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche zu erhöhen.

Da im vorliegenden Fall die Abweichung jedoch unstreitig weniger als 10% betrug, musste sich der Vermieter an der vereinbarten Wohnfläche festhalten lassen und konnte eine Zustimmung zur Mieterhöhung nur auf dieser Grundlage verlangen.

Der Bundesgerichtshof wies ausdrücklich darauf hin, dass eine in der Vergangenheit liegende Zustimmung des Mieters zu etwaigen Mieterhöhungsverlangen auf der Grundlage der tatsächlichen Wohnfläche hieran nichts ändern würde. Das Gleiche gelte für den Fall, dass der Mieter bereits rechtskräftig zur Zustimmung von früheren Mieterhöhungsverlangen verurteilt worden sei. Auf die Revision des Mieters hin wurde das Urteil des Landgerichts Berlins aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 326


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