Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Berücksichtigung finanzieller Leistungsfähigkeit des nach dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis Eintretenden

BGB § 563 Absatz 4
a) Eine objektiv feststehende finanzielle Leistungsunfähigkeit eines nach dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis Eintretenden kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Mietverhältnisses nach § 563 Absatz 4 BGB darstellen. Voraussetzung hierfür ist regelmäßig, dass dem Vermieter ein Zuwarten, bis die Voraussetzungen einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach § 543 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erfüllt sind, nicht zumutbar ist.
b) Eine auf eine nur drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit oder eine „gefährdet erscheinende“ Leistungsunfähigkeit des Eintretenden gestützte Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses stellt nur dann einen Kündigungsgrund nach § 563 Absatz 4 BGB dar, wenn sie auf konkreten Anhaltspunkten und objektiven Umständen beruht, die nicht bloß die Erwartung rechtfertigen, sondern vielmehr den zuverlässigen Schluss zulassen, dass fällige Mietzahlungen alsbald ausbleiben werden. Solche Anhaltspunkte fehlen dann, wenn Geldquellen vorhanden sind, die die Erbringung der Mietzahlungen sicherstellen, wie dies etwa bei staatlichen Hilfen, sonstigen Einkünften oder vorhandenem Vermögen der Fall ist.
BGB § 553 Absatz 1
a) Bereits der Wunsch, nach dem Auszug des bisherigen Wohngenossen, nicht allein zu leben, kann ein nach Abschluss des Mietvertrags entstandenes berechtigtes Interesse an der Überlassung eines Teils des Wohnraums an einer Untervermietung begründen (…). Entsprechendes gilt bei einer aufgrund einer nachträglichen Entwicklung entstandenen Absicht, Mietaufwendungen teilweise durch eine Untervermietung zu decken (…).
b) Für die Beurteilung der Frage, ob das berechtigte Interesse nach Abschluss des Mietvertrags entstanden ist, kommt es auch bei einem nach § 563 Absatz 1, 2 BGB erfolgten Eintritt eines Mieters auf den Zeitpunkt des Abschlusses des ursprünglichen Mietvertrags an.

BGH Urteil vom 31.01.2018 – AZ VIII ZR 105/17 –

Im Mai 2015 verstarb die Mieterin einer 3-Zimmer-Wohnung. Ihre monatliche Nettomiete betrug 545 Euro, hinzu kamen Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 170 Euro. Die Mieterin hatte die Wohnung gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und ihrer inzwischen volljährigen Tochter bewohnt. Nachdem die Tochter nach dem Tod der Mutter ausgezogen war, teilte der Lebensgefährte der Verstorbenen und jetzige Mieter am 23. Juni 2015 dem Vermieter mit, dass er als Lebensgefährte in das Mietverhältnis eingetreten sei, die Tochter der Verstorbenen „von ihrem Eintrittsrecht jedoch keinen Gebrauch mache“ . Der Vermieter erklärte darauf am 26. Juni 2015 gegenüber dem Mieter die Kündigung des Mietverhältnisses unter anderem mit der Begründung, das von diesem bezogene Gehalt als Auszubildender reiche auf Dauer nicht für die Zahlung der Miete und der Nebenkosten. Der Mieter widersprach der Kündigung und forderte den Vermieter gleichzeitig auf, der Untervermietung des bisherigen Kinderzimmers an einen Arbeitskollegen zuzustimmen, welcher sich ebenfalls im zweiten Ausbildungsjahr befinde. Als Grund nannte er den Auszug der Tochter der Verstorbenen sowie den erstrebten Vorteil, dass sich der Arbeitskollege an der Miete und den Nebenkosten wie auch an den Fahrtkosten zur Arbeit beteiligen wolle. Da der Vermieter die Zustimmung verweigerte, klagte der Mieter, der die Miete stets pünktlich zahlte, auf Zustimmung zu der beabsichtigten Untervermietung, der Vermieter verlangte im Wege der Widerklage die Räumung der Wohnung. Amtsgericht und Landgericht wiesen die Klage des Mieters ab und verurteilten ihn zur Räumung. Auf die Revision des Mieters hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Stuttgart jedoch auf. Das Landgericht hatte nach Feststellung des BGH bereits übersehen, dass möglicherweise nicht nur der ehemalige Lebensgefährte, sondern auch die Tochter der Verstorbenen gemäß § 563 BGB in das Mietverhältnis eingetreten sein könnte. Ein solcher Eintritt erfolgt mit dem Tod des Mieters, wenn die Eintrittsberechtigte nicht innerhalb eines Monats widerspricht. Ob und wann die Tochter einen solchen Widerspruch erklärt habe, habe das Landgericht aber nicht festgestellt. Wenn sie nicht widersprochen hätte, müsste eine Kündigung des Vermieters aber gegenüber beiden Mieter/innen, also auch gegenüber der Tochter erfolgen. Ein Ablehnungs-/Kündigungsrecht des Vermieters gegenüber nur einem von zwei Mieter/innen bestehe aber auch in diesem Sonderfall des Eintritts in ein Mietverhältnis durch Haushaltsangehörige des verstorbenen Mieters nicht. Auch sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die „gefährdet erscheinende Zahlungsfähigkeit“ des Mieters hier einen „wichtigen Grund in der Person des“ Mieters dargestellt habe, welche den Vermieter zur Kündigung gemäß § 563 BGB berechtigte. Der Vermieter könne nach dieser Vorschrift nur dann kündigen, wenn in der Person eines Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt, der „dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses (...) unzumutbar macht“. Zwar könne „eine objektiv feststehende finanzielle Leistungsunfähigkeit des Mieters oder mehrerer Mieter (etwa wegen bereits eingetretener Zahlungsrückstände)“ einen solchen Grund darstellen. Für das maßgebliche Kriterium der „Unzumutbarkeit“ reiche aber das Vorliegen einer fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Mieters nicht aus. Es müssten vielmehr Umstände hinzukommen, die dem Vermieter das Abwarten der „Verwirklichung eines Kündigungsgrunds nach § 543 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 BGB“ (Kündigung wegen Zahlungsverzugs) unzumutbar machen. Solche könnten in der Person des Vermieters (Angewiesenheit auf pünktliche Mietzahlung) oder des Eingetretenen (beispielsweise bereits im ursprünglichen Mietverhältnis aufgelaufene Zahlungsrückstände) liegen. Hier seien die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgebend. Eine zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung lediglich drohende Leistungsunfähigkeit bzw. „gefährdet erscheinende“ finanzielle Leistungsfähigkeit könne nur in besonderen Ausnahmefällen eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter begründen, wenn konkrete Anhaltspunkte und objektive Umstände nicht bloß die Erwartung, „sondern vielmehr den zuverlässigen Schluss zulassen, dass fällige Mietzahlungen alsbald ausbleiben werden“ . Zu Unrecht habe das Landgericht auch den Umstand, dass der Mieter lediglich eine Ausbildungsvergütung bezog, für eine „gefährdet erscheinende finanzielle Leistungsfähigkeit“ ausreichen lassen. Es hätte nach Auffassung des BGH auch berücksichtigen müssen, dass der Mieter in den knapp zwei Jahren bis zum Ende des Verfahrens vor dem Landgericht stets vollständig und pünktlich die Miete gezahlt hatte und der Mieter auf seine Ansprüche auf Leistungen staatlicher Stellen hingewiesen hatte. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Mieter mit der begehrten teilweisen Untervermietung weitere Einkünfte erzielen könnte. Bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Mieters müssten alle ernsthaft in Betracht kommenden Geldquellen berücksichtigt werden. Der Bundesgerichtshof stellte zudem klar, dass der Mieter einen Anspruch auf Genehmigung der Untervermietung eines Zimmers an seinen Arbeitskollegen hatte. Bereits der Wunsch, nach dem Auszug eines bisherigen Mitbewohners nicht allein zu leben, könne ein ausreichender Grund hierfür sein. Daneben begründe auch der Wunsch, nach dem Auszug eines Mitbewohners die Kosten durch Aufnahme eines Untermieters teilweise zu decken, ein berechtigtes Interesse an einer Untervermietung. Das Interesse des Mieters sei hier auch „nachträglich“ im Sinne des § 553 BGB entstanden. Insoweit komme es nicht auf den Zeitpunkt seines Eintritts in das Mietverhältnis, sondern auf den Abschluss des ursprünglichen Mietvertrags mit der verstorbenen Mieterin an.


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