Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Schönheitsreparaturklausel bei unrenoviert überlassener Wohnung

Die formularvertragliche Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung hält der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB nicht stand, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt.
Unrenoviert oder renovierungsbedürftig ist eine Wohnung nicht erst dann, wenn sie übermäßig stark abgenutzt oder völlig abgewohnt ist. Maßgeblich ist, ob die dem Mieter überlassene Wohnung Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum aufweist, wobei solche Gebrauchsspuren außer Acht bleiben, die so unerheblich sind, dass sie bei lebensnaher Betrachtung nicht ins Gewicht fallen. Es kommt letztlich darauf an, ob die überlassenen Mieträume den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln.
Angesichts der Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen unterliegt die Beurteilung, ob eine Wohnung dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassen worden ist, einer in erster Linie dem Tatrichter vorbehaltenen Gesamtschau unter umfassender Würdigung aller für die Beurteilung des Einzelfalls maßgeblichen Umstände.
Beruft der Mieter sich auf die Unwirksamkeit der Renovierungsklausel, obliegt es ihm, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die Wohnung bei Mietbeginn unrenoviert oder renovierungsbedürftig war. Die Darlegungs- und Beweislast für die Gewährung einer angemessenen Ausgleichsleistung trifft den Vermieter.

Die Mieter hatten ihre 4-Zimmer-Wohnung am 1. Oktober 2002 teilweise unrenoviert übernommen. Sie mussten in drei der vier Zimmer Streicharbeiten durchführen. Im Gegenzug erließen ihnen die Vermieter eine halbe Monatsmiete (Mietzahlungsbeginn war 15. Oktober 2002). Gemäß § 4 des Mietvertrags verpflichteten sich die Mieter zur Durchführung der „während des Mietverhältnisses anfallenden Schönheitsreparaturen auf eigene Kosten“. Das Mietverhältnis wurde neun Jahre später beendet, die Wohnung wurde von den Mietern am 29. Dezember 2011 unrenoviert zurückgegeben. Nachdem die Vermieter die Mieter vergeblich zur Vornahme der fälligen Schönheitsreparaturen aufgefordert hatten, verlangten die Vermieter Schadensersatz auf der Grundlage des Kostenvoranschlags eines Malerbetriebs. Das Landgericht Berlin verurteilte die Mieter zur Zahlung von 5.759,69 Euro. Die Revision der Mieter gegen dieses Urteil hatte Erfolg, der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Zahlungsklage der Vermieter insgesamt abgewiesen. Er hat damit seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und klargestellt, dass eine formularmäßige Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen unwirksam ist, wenn die Wohnung den Mietern bei Vertragsbeginn ohne angemessenen Ausgleich unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassen wurde. Eine solche Klausel verpflichte nämlich den Mieter „zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters“ und führe bei kundenfeindlicher Auslegung dazu, „dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben“ müsse, als er sie selbst vom Vermieter erhalten habe. Für die Frage, ob die Wohnung bei Vertragsbeginn unrenoviert oder renovierungsbedürftig war, kommt es laut BGH darauf an, „ob die dem Mieter überlassene Wohnung Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum aufweist“. Keineswegs muss sie bereits übermäßig stark abgenutzt sein. Außer Betracht bleiben danach lediglich Gebrauchsspuren, „die so unerheblich sind, dass sie bei lebensnaher Betrachtung nicht ins Gewicht fallen“. Letztlich müssten die überlassenen Wohnräume „den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln“. Der BGH stellte klar, dass im Streitfall der Mieter beweisen muss, dass die Wohnung bei Mietbeginn unrenoviert oder renovierungsbedürftig war. Dieser Beweis könne durch ein gemeinsames Übergabeprotokoll, eine Fotodokumentation der Wohnung bei Mietbeginn, Belege für Renovierungskosten und Zeugen geschehen. Ferner stellte der BGH klar, dass eine Schönheitsreparaturklausel trotz unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebener Wohnung dann wirksam sein könne, wenn der Vermieter dem Mieter einen angemessenen Ausgleich (zum Beispiel Mietfreiheit oder Mietreduzierung für einen bestimmten Zeitraum) gewähre. Die hier vereinbarte halbe Monatsmiete für Malerarbeiten in drei von vier Zimmern stellt nach Ansicht des BGH jedenfalls keinen angemessenen Ausgleich dar.


Anmerkung: Nach der bisherigen Rechtsprechung mussten Mieter/innen (bei ansonsten wirksamer Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag) nach langer Mietzeit häufig selbst dann bei Auszug renovieren, wenn sie die Wohnung ursprünglich unrenoviert oder renovierungsbedürftig übernommen hatten. Dies gilt nun nicht mehr. Umso entscheidender wird künftig sein, ob es Mieter/innen bei Auszug gelingt, den renovierungsbedürftigen Zustand der Wohnung bei Anmietung zu beweisen. Mieter/innen sollten also niemals Übergabeprotokolle unterschreiben, in welchen renovierungsbedürftige Teile der Wohnung als renoviert bezeichnet werden. Außerdem sollte vor Einzug in eine Wohnung stets eine ausführliche Fotodokumentation der Wohnung unter Hinzuziehung von Zeugen (jede Person, die nicht als Mieter/in im Mietvertrag steht) angefertigt werden. Rechnungen und Quittungen für selbst beauftragte oder durchgeführte Renovierungen sollten sorgfältig aufbewahrt werden. Die Frage, was ein angemessener Ausgleich für notwendige Anfangsrenovierungen wäre, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen, da dies nur im Einzelfall entschieden werden kann und regelmäßig vom erforderlichen Aufwand für die nötige Renovierung abhängen wird.

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Gerd-Peter Junge

 

 


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