Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Kündigung wegen verweigerter Duldung von Instandsetzungsarbeiten

Eine Kündigung wegen der Verletzung der Pflicht des Mieters, Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten zu dulden, kommt nicht erst dann in Betracht, wenn der Vermieter gegen den Mieter vor Ausspruch der Kündigung einen (rechtskräftigen) titulierten Duldungstitel erstritten hat.
Dem Vermieter kann die Fortsetzung des Mietverhältnisses vielmehr auch schon vor Erhebung einer Duldungsklage und Erwirkung eines Titels unzumutbar sein mit der Folge, dass eine fristlose Kündigung das Mietverhältnis beendet; gleichermaßen kann die verweigerte Duldung eine derart schwere Vertragsverletzung sein, dass (auch) eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt ist.
Ob das Mietverhältnis nach verweigerter Duldung durch den Mieter aufgrund der ausgesprochenen Kündigung sein Ende gefunden hat, hat der Tatrichter allein auf Grundlage der in § 543 Absatz 1 BGB beziehungsweise in § 573 Absatz 2 Nr. 1 BGB genannten Voraussetzungen unter Abwägung aller im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände zu prüfen.

Eine Vermieterin stellte im Jahr 2010 ausgedehnten Hausschwammbefall im Dachstuhl ihres Hauses in Berlin sowie an den Balken der Wohnungsdecke der Mieter/innen fest. Im November 2010 zogen die Mieter/innen in ein Hotel, um der Vermieterin entsprechende Notmaßnahmen zu ermöglichen. Danach zogen sie in die Wohnung zurück. Im April 2011 kündigte die Vermieterin weitere Arbeiten zur Beseitigung des Hausschwamms an und verlangte hierfür erneut Zutritt zur Wohnung der Mieter/innen. Diese verlangten die vorherige Erstattung entstandener Hotelkosten und Zusagen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Wohnung. Daraufhin kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis am 30. Juni 2011 wegen Verweigerung des Zutritts trotz mehrmaliger Aufforderung fristlos. Erst auf die Bestätigung einer von der Vermieterin erwirkten einstweiligen Verfügung durch amtsgerichtliches Urteil vom 29. September 2011 gewährten die Mieter/innen am 4. Oktober 2011 Zutritt zu ihrer Wohnung. Am 21. November 2011 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis erneut fristlos wegen der vorangegangenen Zutrittsverweigerungen sowie wegen der Weigerung der Mieter/innen, Zutritt zu ihrem Kellerraum zum Zweck der Durchführung von Installationsarbeiten zu gewähren. Das Amtsgericht wies die Räumungsklage ab. Das Landgericht Berlin wies die Berufung der Vermieterin mit der Begründung ab, ein Mieter dürfe die Einzelheiten seiner Duldungspflicht zunächst in einem Rechtsstreit klären lassen, ohne befürchten zu müssen, allein deshalb seine Wohnung zu verlieren. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn im Verhalten des Mieters „querulatorische Neigungen“ erkennbar würden oder der Mieter vertragliche Pflichten nicht erfülle, obwohl er hierzu verurteilt worden sei. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurück. Er stellte klar, dass ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung stets dann vorliege, „wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (…) nicht zugemutet werden kann“ . Im Fall der Verletzung von Duldungspflichten durch den Mieter könne dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses im Einzelfall durchaus auch schon vor Erhebung einer Duldungsklage unzumutbar sein. Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen könnten nämlich für die Erhaltung des Mietobjekts und seines Werts von so wesentlicher Bedeutung sein, dass der Vermieter an deren alsbaldiger Durchführung ein erhebliches wirtschaftliches Interesse habe. Das Landgericht müsse daher prüfen, ob den Mieter/innen ein Zurückbehaltungsrecht wegen der von ihnen erhobenen Gegenansprüche zustand. Außerdem müsse es im Einzelnen feststellen, um welche Arbeiten in der Wohnung es ging, wie umfangreich und dringend sie waren, welche Beeinträchtigungen damit für die Mieter/innen einhergingen, welche wirtschaftliche Bedeutung die schnelle Durchführung für die Vermieterin hatte und welche Schäden oder Unannehmlichkeiten ihr durch die Verzögerung entstanden. Erst dann ließe sich beurteilen, ob die Kündigungen der Vermieterin begründet seien. Auch sei für die Erheblichkeit der Pflichtverletzung der Mieter/innen zu klären, ob der Vermieterin – wie von den Mieter/innen behauptet – selbst Vertragsverstöße zur Last fielen.                


Anmerkung:                 

Leider hat der BGH die Rechtsprechung der 65. Kammer des Landgerichts Berlin nicht bestätigt, wonach Mieter/innen grundsätzlich zunächst die gerichtliche Klärung der Frage abwarten können, ob und welche Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten sie dulden müssen. Es ist daher künftig erheblich größere Vorsicht bei der Entscheidung geboten, ob man als Mieter/in vom Vermieter angekündigte Baumaßnahmen duldet oder nicht. Ein Freifahrtschein für jede Kündigung bei mieterseitiger Zutrittsverweigerung ist die Entscheidung aber nicht. Der BGH verlangt vielmehr eine Interessenabwägung im Einzelfall. Das heißt: Auch nach der Entscheidung des BGH müssen Mieter/innen dem Vermieter keinesfalls für jede angekündigte Baumaßnahme sofort Zutritt zur Durchführung von baulichen Maßnahmen gewähren. Die auch vom BGH für erforderlich gehaltene „Einzelfallabwägung“ sollten Sie jedoch keinesfalls ohne fachkundigen Rat treffen. Zwar hat der BGH klargestellt, dass die Erhebung einer Duldungsklage keineswegs Vorrang vor der Kündigung hat, da dieser sich nicht aus dem Gesetz ergibt. Allerdings ist die Abwägung der Frage, ob unter Beachtung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter „unzumutbar“ ist (§ 543 Absatz 1 BGB), umfassend vorzunehmen. Unter dieser Prämisse kann die Erhebung einer bloßen Duldungsklage statt einer fristlosen Kündigung nebst Räumungsklage erforderlich sein – muss es aber nicht. Bei allem nicht zu unterschätzenden Risiko kann gegenwärtig auch nicht völlig ausgeschlossen werden, dass zumindest einige mutige Richter/innen der Berliner Amtsgerichte weiterhin der in der Instanzrechtsprechung und in der mietrechtlichen Literatur auch vertretenen Auffassung folgen werden, dass Mieter/innen die Einzelheiten der Duldungspflicht zunächst – ohne Angst vor einer Kündigung haben zu müssen – in einem Rechtsstreit klären lassen dürfen. Wenn Sie eine Instandsetzungs- oder Modernisierungsankündigung erhalten, sollten Sie sich, auch weil diese durchaus formelle Mängel aufweisen kann, unbedingt unverzüglich in einer unserer Beratungsstellen beraten lassen.


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