Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 09.08.2013

Verdrängung am Stadtrand

Nach einer Serie von Verkäufen geraten Mieter/innen in Staaken zunehmend unter Druck.

Zwangsräumungen betreffen in Berlin nicht nur Mieter/innen in beliebten Innenstadtgebieten. Die Räumung von Thomas Besuch aus seiner Wohnung im Pillnitzer Weg in Staaken am 15. Juli machte deutlich, dass auch hier missliebige Mieter/innen weichen müssen, um danach höhere Mieten erzielen zu können. Auch der Protest von etwa 70 Nachbar/innen und Aktivist/innen des Bündnis Zwangsräumung Verhindern konnte daran nichts ändern.

Die Häuser im Pillnitzer Weg gehören zur Rudolf-Wissell-Siedlung, die zwischen Ende der 60er bis Anfang der 70er Jahre im kommunalen Wohnungsbau errichtet worden war. Die gesamte Siedlung besteht aus rund 8.000 Wohnungen und war 2005 zum Quartiersmanagementgebiet Heerstraße erklärt worden, da einkommensschwache Familien zuzogen und besserverdienende wegzogen. Am Zuzug einkommensschwacher Familien hat sich nichts geändert. Neu ist, dass eine Verdrängung alteingesessener einkommensschwacher Bewohner/innen stattfindet.
Nach einer Serie von Verkäufen befinden sich ein Teil der Mietshäuser im Pillnitzer Weg seit 2011 im Eigentum der Ypsilon Liegenschaftsverwaltungs GmbH, die ebenfalls Häuser im Loschwitzer Weg besitzt. Seither wird Mieter/Innen systematisch gekündigt, wie der Sprecher der Mieterinitiative Staaken Thomas Besuch berichtet. Besuch selbst erhielt mehrfach Kündigungen von Ypsilon, u.a. wegen Verunglimpfung von Ypsilon bei seinen Vertragspartnern. Der Volkssolidarität wurde nach Aussage von Besuch die Kündigung ihres Ladenlokals angedroht, wenn sie weiterhin Mieterversammlungen in ihren Räumlichkeiten zulassen würde. Inzwischen trifft sich die Mieterinitiative in Räumen, die nicht zu Ypsilon gehören.
„Unter Ypsilon hat es extreme Mieterhöhungen gegeben“, sagt Besuch. Bei Neuvermietungen würden etwa 60 bis 80 Euro mehr verlangt, so dass die Wohnungen inzwischen bis zu 13,33 Euro/qm warm kosten würden. Aufgrund der kleinen Wohnungsgrößen werden die Richtlinien des Jobcenters für die Kosten der Unterkunft dennoch nicht überschritten. Die Vermutung liegt nahe, dass Ypsilon hier versucht, von der Verdrängung von ALG-II-Beziehenden aus der Innenstadt zu profitieren und ihrerseits langjährige Mieter/innen, die auf ALGII angewiesen sind, zu verdrängen.
Die Mieterinitiative Staaken ist derzeit noch damit beschäftigt, die Mieter/innen besser zu vernetzen und Informationen auszutauschen. So wurden bislang immer wieder Gerüchte von fristlosen Kündigungen und Zwangsräumungen bekannt, u.a. wegen weniger Tage verspäteter Mietzahlungen.  Zunächst möchte sich die Initiative eine feste Struktur geben. „Wir haben uns die Mieterinitiative Kotti e.V. zum Vorbild genommen. Wir wollen uns als Verein eintragen lassen, damit die Mieter/innen eine Anlaufstelle haben“, so Besuch.

Undurchsichtige Eigentümerstruktur

Über die neue Eigentümerstruktur in Staaken sammelt die Mieterinitiative noch Informationen. Bei den Häusern der Ypsilon Liegenschaftsverwaltungs GmbH handelt es sich um ehemalige Bestände der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Bewoge, die aufgrund der in-sich-Verkäufe des Landes Berlins Tochtergesellschaft der WBM wurde. 2004 wurden sie der ebenfalls zur WBM gehörenden IHZ übertragen. Es folgte im Jahr 2005 der Verkauf an Arwobau und 2008 an die australische Investmentgesellschaft Babcock & Brown, die 2009 in die Insolvenz ging. Trotz Insolvenz geht aus den Unterlagen von Mieter/innen aus dem Pillnitzer Weg erst 2011 ein Eigentümerwechsel an die Ypsilon Liegenschaftsverwaltungs GmbH mit den Geschäftsführern Dr. Klaus Keunecke und Rubina Keunecke hervor.

Der Name Klaus Keunecke taucht auch bei weiteren Immobiliengeschäften in Spandau wieder auf.
2011 meldete der Tagesspiegel einen Paketverkauf von 1087 Wohnungen an  die FFIRE Immobilienverwaltung AG für 27 Millionen Euro . Aufsichtsrat in der FFIRE Immobilienverwaltung AG ist Klaus Keunecke. Schaut man sich die Geschichte von FFIRE an, so stellt sich ihre Tochtergesellschaft FFIRE Investment GmbH als direkte Nachfolgerin der Vivacon Immobilien Portfolio XXVI./2007 Verwaltungsgesellschaft mbH dar. Die 2009 in finanzielle Probleme geratene Vivacon hatte ihren Besitz in Teilgesellschaften aufgeteilt, so dass nicht alle gleichermaßen von der Unternehmenspleite betroffen waren. Im Februar 2012 verlegt die Vivacon Immobilien Portfolio XXVI./2007 Verwaltungsgesellschaft mbH ihren Geschäftssitz von Köln nach Berlin. Geschäftsführer waren zu dem Zeitpunkt Marc Schulten und Klaus Keunecke. Ebenfalls im Februar 2012 wird die Firma in Berlin als FFIRE Investment GmbH neu eingetragen, Klaus Keunecke wird als Geschäftsführer abgelöst.
Im August 2008 soll die FFIRE Immobilienverwaltung zusammen mit einem Firmenkonsortium das sogenannte Capri-Portfolio erworben haben, so berichtet ebenfalls das Internetportal thomas-daily.de. „Das mit rd. 163 Mio. Euro bewertete Portfolio besteht aus acht Objekten mit 1.640 Wohnungen und 340 Gewerbeeinheiten. Fünf der Liegenschaften befinden sich in Berlin, die restlichen in Essen, Hamburg und Lübbenau (Spreewald).“  1089 Wohnungen des Portfolios sollen ebenfalls in Spandau liegen.
Im März 2013 vermeldet die Finanzpresse einen weiteren Paketverkauf von 1085 Wohnungen mit 75.300qm Wohnfläche in Spandau an die Westgrund AG. Im Aufsichtsrat der Westgrund ist wiederum Marc Schulten vertreten. „Dabei handelt es sich nach TD-Informationen um einen Teil des sogenannten Capri-Portfolios, das die US-Investmentgesellschaft Strategic Value Partners (SVP) 2007 erwarb“, schreibt das Portal thomas-daily.de . Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um dasselbe Paket handelt, das 2012 an FFIRE ging.


Profit aus der Finanzkrise


Die Filetierung der privatisierten Wohnungsbestände in Spandau und die zahlreichen Weiterverkäufe machen es schwierig, die derzeitige Eigentümerstruktur nachzuvollziehen. Auch für die Mieterschaft ist es nicht einfach, die jeweiligen Eigentümer und Verwalter zu kennen, zumal Akteure wie Ypsilon sowohl als Eigentümer als auch als Hausverwaltung auftreten.
Die in Spandau aktiven Immobilienunternehmen nutzen die Folgen der Finanzkrise kombiniert mit dem zunehmenden Wohnraummangel in Berlin als Geschäftsmodell. So beschreibt FFIRE das eigene Geschäftsmodell: „Aufgrund der Verwerfungen als Auswirkungen der globalen Finanzkrise eröffnet die anstehende Refinanzierungswelle ein interessantes Investitionsfenster zur Akquisition von Wohnungsportfolien zu Discount-Preisen.“ Das heißt, dass für Immobilien, die zwischen 2005 und 2008 verkauft worden sind, inzwischen die Kredite auslaufen, und die Eigentümer gezwungen sind zu verkaufen bzw. die Immobilien durch Insolvenz zu günstigen Preisen wieder auf dem Markt gelandet sind. FFIRE macht sich dies zu Nutze, kauft jedoch nicht mit eigenem Kapital, sondern tritt als „Mittler zwischen Bank und Co-Investor“ auf und verspricht so einen problemlosen Zugang für ausländische Investoren, „deren Engagement als vermeintliche Heuschrecke noch immer als Reputationsrisiko für heimische Banken angesehen wird. „Wir sind eindeutig keine Heuschrecken“, versicherte Schulten 2011 gegenüber dem Tagesspiegel. Wenn man die Heuschreckenterminologie schon verwenden möchte, dann stellt sich hier die Frage, wie sich FFIRE mit ihrem Konzept des günstigen Erwerbs und relativ schnellen Exits davon unterscheidet. Sie nutzt vielmehr ähnliche Strategien wie ihr Vorläufer Vivacon, die ebenfalls einen schnellen Handel mit kleineren Wohnungspaketen betrieb. Nur könnte FFIRE hierfür angesichts des Wohnungsmangels einen günstigeren Zeitpunkt gewählt haben. Ypsilon hingegen lässt über seine Strategien offiziell nichts verlautbaren. Nur die personellen Überschneidungen lassen hier Vermutungen zu.

Klaus Keunecke und Marc Schulten sollten sich dabei relativ gut auf dem Berliner Markt auskennen. Keunecke betreibt mit „Dr. Keunecke und Partner“ ein Gutachterbüro für Immobilien. Er sitzt im Gutachterausschuss des Landes Berlin und berät Banken und Immobilienfonds. Marc Schulten war von 1993 bis 1996 Berater der Treuhandanstalt Berlin für Immobilienrückgaben und die Reprivatisierung ostdeutscher Unternehmen und anschließend Geschäftsführer der brandenburgischen LEG Wohnen. Später war er im Management der IMW AG tätig, die ebenfalls Wohnungen in Berlin besitzt.


Jutta Blume

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