Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 31.10.2014

Fassadendämmung macht arm

Dämmstoffindustrie startet Medienkampagnen gegen die anhaltende Kritik
Trotz der Mietrechtsänderung im letzten Jahr, die das Geschäft mit der energetischen Fassadensanierung ankurbeln sollte, ist der Dämmboom zumindest vorerst gebremst. Der Branchenprimus der Dämmstoffindustrie, die Sto KGaA, spricht gar von einem Umfeld, welches sich „anhaltend bedrohlich“ zeigt. Dafür verantwortlich sei die „teilweise sehr zugespitzt geführte Medienberichterstattung“.

Tatsächlich gab es gerade in den letzten Monaten eine ganze Reihe kritischer Berichte über den Sinn und Unsinn von Fassadensanierungen mit Styropor. Rundfunksendungen und Printmedien thematisierten wiederholt den mangelnden Brandschutz, die fragwürdige ökologische Nachhaltigkeit sowie die tatsächlichen Einsparpotenziale. Mit verschiedensten Gutachten und Praxisberichten werden die von den Befürwortern beschworenen Vorzüge der Häuserdämmung widerlegt. Selbst der Wirtschaft sonst wohlgesonnene Blätter wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung machten bereits in den Überschriften deutlich, wie sie zu dem Thema stehen: „Stoppt den Dämmwahn! Deutschland wird mit Styroporplatten verpackt. Das ist ökologisch zweifelhaft, absurd teuer, die Häuser gehen schneller kaputt.“ So ein Titel vom Mai. Und die Welt am Sonntag nahm insbesondere den Lobbyismus gleich mehrmals unter die Lupe: „Das Milliardengeschäft der Dämmstoffindustrie – Mächtige Lobby, gigantische PR-Maschinerie: Wärmedämmung ist ein Milliardenmarkt“, schrieb sie im September.

Fernsehwerbung mit Ulrich Wickert
Bereits im Mai 2013 heuerte der Gesamtverband Dämmstoffindustrie (GDI) die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Marianne Tritz für den Posten der Geschäftsführerin an. Tritz, die einst gegen Castor-Transporte protestiert hatte, engagierte sich zuvor fünf Jahre lang für die Tabaklobby. Als Vertreterin der Industrie brachte sie vereint mit dem Bundesumweltministerium und der Deutschen Energie-Agentur (dena) im März dieses Jahres die Kampagne „Die Hauswende“ auf den Weg. In diesem Kontext unterhält der GDI die Website www.gutgedaemmt-geldgespart.de. Ebenfalls im März wurde der Verein „Qualitätsgedämmt e.V.“ von führenden Unternehmen der Dämmstoffindustrie gegründet. Mit einer im Mai gestarteten Kampagne möchte er zur „Objektivierung der öffentlichen Wahrnehmung“ und zur „Akzeptanz von Wärmedämm-Verbundsystemen“ beitragen. Unter dem Titel „Dämmen lohnt sich“ wurde im Juni erstmals ein Werbespot in der ARD ausgestrahlt, sogar zur besten Sendezeit während der Fußball-WM. Als Frontmann dient der Nachrichtensprecher Ulrich Wickert. Dieser „objektiviert“ die Debatte seither mit der Botschaft, dass Häuser „wie ein Familienmitglied“ seien. „Sie begleiten uns über Jahrzehnte und geben uns Geborgenheit.“

Kein Mittel gegen Energiearmut
Dass es mit der Geborgenheit schnell ein Ende haben kann, kennen viele Mieter/innen, die nach einer energetischen Modernisierung nicht mehr wissen, wie sie die Miete aufbringen sollen. Das Nachrichtenmagazin Panorama veranschaulichte im Oktober diese Problematik und zitierte unter anderem Professor Bert Bielefeld von der Universität Siegen. Bielefeld bringt den Sachverhalt mit den Worten auf den Punkt, dass die Politik „mit eben der Prämisse, diese Kosten auf die Mieter umlegen zu können“, ein Anreizsystem geschaffen habe. „Das ist für die jeweiligen Mieter in der Regel relativ unfair, weil sehr viele Kosten umgelegt werden können, die Einsparungen aber demgegenüber oft sehr gering sind.“ Gerade für Haushalte, die knapp bei Kasse sind und ohnehin mit den hohen Heizkosten zu kämpfen haben, ist eine energetische Sanierung dramatisch. Auf die wenigen Euro, die sie bei der Heizrechnung sparen, kommt eine drastisch erhöhte Miete durch die umgelegten Modernisierungskosten. Die energetische Modernisierung ist zumindest in der heute praktizierten Form kein probates Mittel gegen die zunehmende Energiearmut. Im Gegenteil, sie verschärft das Problem. Daran werden auch die genannten Kampagnen nichts ändern, bei denen nebenbei bemerkt Steuergelder in Millionenhöhe verschleudert werden.

Hermann Werle

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