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MieterEcho online 09.07.2013

Vermieterin in der Offensive

Die Vermieterin der nach ihrer Zwangsräumung verstorbenen Rosemarie Fliess kämpft um ihren Ruf

[Benedict Ugarte Chacón]


Am 11. April dieses Jahres, zwei Tage nach der Zwangsräumung ihrer Wohnung, ist die 67jährige Rosemarie Fliess in den Räumen einer Wärmstube verstorben. Das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ hatte zuvor versucht, mit solidarischen Aktionen gegen die Räumung vorzugehen. Nach dem Tod der schwerkranken Rentnerin wurde nicht nur öffentlich über das Versagen von Richter/innen oder zuständigen Ämtern debattiert, auch die Eigentümerin der Wohnung geriet in den Fokus. Ihr warfen nicht nur die Aktivist/innen vor, sich skrupellos verhalten zu haben. Mittlerweile ist sie in die Offensive gegangen und wehrt sich auch juristisch gegen Kritiker/innen.


Birgit Hartig, Geschäftsleiterin der Synchronsprecheragentur „Stimmgerecht“, hatte die Wohnung in der Aroser Allee in Reinickendorf im August 2012 gekauft. In der RBB-Abendschau vom 14. April, an die sich Hartig nach der Räumung gewandt hatte, wurde berichtet, dass sich kurze Zeit nach dem Kauf „Beschwerden anderer Mieter“ gemehrt hätten, woraufhin ein „reger Briefwechsel“ zwischen Hartig, Ämtern und „aufgebrachten Nachbarn“ begonnen habe. Das Sozialamt hätte abgeblockt, nur der Sozialpsychiatrische Dienst, mit dem Hartig nach eigenen Angaben eng zusammen gearbeitet habe, hätte geholfen und versucht, in Kontakt mit Rosemarie Fliess zu treten. Nach deren Tod hätte „Telefon- und Internetterror“ begonnen, sogar Morddrohungen habe sie erhalten. In einem Beitrag des RBB-Magazins Kontraste vom 16. Mai kommt Hartig ebenfalls ausführlich zu Wort. Gleichzeitig scheint die für den Beitrag verantwortliche Reporterin klar für die Eigentümerin Stellung zu beziehen. So ist der Beitrag durchzogen von der Unterstellung, die Aktivist/innen des Bündnisses hätten Rosemarie Fliess nur als Vehikel für ihren Kampf gegen die Mieten- und Verdrängungspolitik benutzt. Dabei unterschlägt die Reporterin, dass Rosemarie Fliess seit einiger Zeit im Bündnis mitwirkte.

Abmahnung gegen Kritikerin

Die Neuköllner BVV-Abgeordnete Anne Helm, die auch für die Piratenpartei als Direktkandidatin in den Bundestag einziehen will, arbeitet hauptberuflich als Synchronsprecherin. Nach der Zwangsräumung hatte sie sich in einem Text, der auf die Vermieterrolle von Hartig hinweist, an Kolleg/innen gewandt. Darin heißt es: „Ich bitte Euch dringend zu überdenken, ob Ihr Menschen, die so skrupellos mit der Lebensgrundlage anderer spekulieren, durch Eure Arbeit unterstützen wollt und Euch im Zweifelsfall aus dem Register dieser unseriösen Agentur zu nehmen.“ Daraufhin erhielt sie eine Abmahnung von Hartigs Anwalt. Gegenüber der tageszeitung gab diese an, ihr sei durch den Text von Helm ein „großer Auftrag“ mitsamt hoher Provision entgangen, sprach von „Rufmord“ und kündigte Unterlassungs- und Schadenersatzklagen an. Am 25. Juni verschickte Hartig eine E-Mail an verschiedene Synchronsprecher/innen, in der sie ihre Sicht der Dinge darstellt: „Der Mieterin musste […] wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses und auch wegen Zahlungsverzuges gekündigt werden. Hilfsangebote von Vermieterseite und Anfragen von zuständigen Ämtern wurden konsequent von der Mieterin abgeblockt.“ Das Bündnis hätte diesen Fall „instrumentalisiert“, Helm hätte „diverse Unwahrheiten behauptet“ und zum „Boykott“ ihrer Agentur aufgerufen. Zudem würde sie in den Studios Sprecher/innen bitten, sich solidarisch zu erklären und Hartigs Agentur zu verlassen. Einen „Boykottaufruf“ will Helms Anwalt hingegen nicht erkennen. Seine Mandantin sei keine Wettbewerberin von Hartig und dadurch, dass sie sich an freiberuflich Tätige wende, gar nicht in der Lage, wirtschaftlichen Druck auf Hartig auszuüben. Helm selbst sieht bislang keinen Grund, sich von ihren Aussagen zu distanzieren: „Ich habe bezüglich des Inhalts meines Textes kein Wort zurückzunehmen. Ich stehe weiterhin dazu, dass ich es für unangemessen halte, mit Leuten, die wie Frau Hartig vorgehen, in irgendeiner Weise zusammenzuarbeiten“, heißt es in einer Erklärung.

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